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Erwartungsvolles Gemurmel erhob sich. Colgu hob die Hand und verlangte Ruhe.

»Ich muß wohl nicht erklären, warum wir uns hier versammelt haben und was in den letzten beiden Wochen geschehen ist. Es ist meine Pflicht, Brehon Baithen an meinem Hof zu begrüßen und zu verkünden, daß er der neue oberste Brehon dieses Königreiches ist. Brehon Dathal, der das Amt seit der Zeit meines Vaters innehielt und uns darin lange und gut gedient hat, hat den Entschluß gefaßt, einem neuen und jüngeren Richter Platz zu machen. Wir wünschen ihm in seinem neuen Leben Wohlergehen und versichern ihm, daß wir immer auf seine Erfahrung und seinen Rat zurückkommen werden, wenn es künftig vonnöten sein sollte.«

Gerüchte über Brehon Dathals Amtsrücktritt hatten unter den Bewohnern von Cashel schon die Runde gemacht. Die Menge in der Halle war also nicht überrascht über Colgus Mitteilung.

Der König überließ nun seinem neuen obersten Richter das Wort.

Baithen war ein Mann in mittleren Jahren, aber sein Gesicht wirkte irgendwie alterslos. Seine Haut war jung und makellos, sein Haar schimmerte weizenblond. Er war etwas korpulent und schien eine humorvolle Person zu sein. Seine hellen Augen funkelten, als sei diese Verhandlung ein unterhaltsames Ereignis.

»Diese Anhörung ist gerichtlich, ich werde keine Proteste dulden. Ich werde es auch nicht dulden, wenn jemand das Gesetz, die Vertreter des Gesetzes oder den ernsten Rahmen dieser Verhandlung nicht respektiert.« Allein seine Gesichtszüge widersprachen jenem ernsten Rahmen. »Kommen wir zum Anlaß unseres Hierseins. Fidelma von Cashel wird uns durch die Verhandlung führen.«

Fidelma erhob sich schnell, verneigte sich ehrerbietig vor dem Brehon und ihrem Bruder und wandte sich an die Versammelten.

»Ihr alle wißt, daß meine Amme Sarait und mein Sohn Alchu vor fast zwei Wochen verschwunden sind. Man nahm an, daß Alchu entführt worden ist und Sarait dabei ermordet wurde. Es gingen Gerüchte um, daß die Ui Fidgente damit zu tun hätten. Dem war aber nicht so. Ihr alle kennt Bruder Eadulf, der mein treuer Gefährte und Alchus Vater ist. Er wird nun den ersten Teil des Hergangs darstellen, um zu beweisen, daß unser Kind nicht entführt, sondern durch Zufall mitgenommen wurde. Er wird, wie ich weiß, sich sehr bescheiden geben, aber er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, als er der Spur unseres Kindes bis zu Uamans Turm folgte und es sicher nach Cashel zurückbrachte.«

Sie sah Eadulf an, der verlegen aufstand und rasch erzählte, wie er Alchu gefunden und mit ihm nach Cashel zurückgekehrt war. Fidelma lächelte zufrieden, als in der Halle anerkennendes und bewunderndes Gemurmel aufkam. Als Eadulf wieder Platz nahm, ergriff sie erneut das Wort.

»Sollten einige Punkte in der Schilderung angezweifelt werden, können die hier anwesenden Zeugen alles bestätigen«, verkündete sie, an Brehon Baithen gewandt. »Gorman und Bruder Basil Nestorios befinden sich hier. Auch der Kräutersammler und seine Frau und der Schäfer Nessan mit seiner Frau sind anwesend. Alle werden Eadulfs Aussagen bestätigen.«

Brehon Baithen fragte, ob jemand Eadulfs Bericht anzweifeln würde, doch als sich niemand meldete, gab er Fidelma das Zeichen, weiterzumachen.

»Nun, alle, die diesen Ausführungen gefolgt sind, werden gemerkt haben, daß eine Sache im dunkeln geblieben ist. Wenn Alchu gar nicht entführt wurde und Sarait nicht deswegen aus der Burg gelockt worden ist, dann zielte der Anschlag ganz offensichtlich auf sie. Sie war das Opfer. Der infame Plan sah vor, sie zu töten. Warum das so ist und wer dahintersteckt, das sind die Fragen, die wir heute beantworten wollen.«

Sie hielt inne und ließ ihren Blick über die erwartungsvollen Gesichter vor ihr schweifen.

»Das einfachste ist wohl, wenn ich hier von Anfang an die traurige Geschichte zweier Schwestern erzähle. Sie heißen Gobnat und Sarait. Sarait war die jüngere der beiden. Beide hatten Krieger der Leibgarde des Königs von Cashel geheiratet. Wie ihr alle wißt, heiratete die eine Capa, den jetzigen Befehlshaber der Leibgarde. Die andere heiratete Callada, der bei Cnoc Äine fiel. Es gab aber jemanden, der eifersüchtig auf Saraits Ehe mit Callada war, weil er sie selbst begehrte. Sie lehnte seine Annäherungsversuche jedoch ab, denn sie war mit Callada glücklich.«

Gorman stöhnte auf und beugte sich vor. Della legte eine Hand auf seinen Arm.

»Ich habe sie geliebt«, murmelte der junge Krieger hörbar für alle in der Halle.

Fidelma sah ihn ausdruckslos an. »Wie du mir schon bei unserer ersten Unterredung erklärt hast und später auch gegenüber Eadulf wiederholtest.« Sie schwieg kurz und wandte sich wieder an das gesamte Publikum. »Der Krieger, der Sarait begehrte, hegte bald so großen Haß gegen Callada, daß er vor nichts zurückschreckte. Dann kam der Tag, an dem er in der Schlacht von Cnoc Äine die Gelegenheit beim Schopfe packte und seinen Rivalen tötete. Gerüchte machten die Runde, so wie immer. Gerüchte, daß Callada von einem Mann aus den eigenen Reihen ermordet worden sei. Ich muß nicht so berühmte Krieger wie Cathalan herbeizitieren, um die Geschichte bestätigen zu lassen, oder gar Capa, der die Truppe befehligte, in der Callada damals gekämpft hat. Gorman befand sich in dieser Truppe. Caol ebenso. Auch viele andere, die bei Cnoc Äine dabei waren, wie Ferloga und Conchoille. Niemand wird die Gerüchte leugnen können ...«, sie zögerte, »und sie stimmten.«

Nun herrschte betretenes Schweigen in der Halle.

»Ein wenig später«, fuhr sie fort, »bedrängte Calla-das Mörder Sarait aufs neue. Sarait mißtraute inzwischen diesem Mann sehr. Sie hatte unterdessen aber Trost bei einem anderen Mann gefunden, und das trieb den Mörder zur Weißglut.

Es verging ein wenig Zeit, bis der Mörder seine Gefühle nicht länger im Zaum halten konnte und Sarait vergewaltigte. Ich glaube, daß er damals sogar mit seiner Tat geprahlt hat - ich sage, es geschah aus purer Begierde, obwohl er das Gegenteil behauptete. Sarait war von dem Mann angewidert. Das Wort ist noch viel zu milde für den Ekel, den sie empfand. Als sie bemerkte, daß sie als Folge der Vergewaltigung ein Kind erwartete, war sie ganz kopflos, denn sie verabscheute den Gedanken an ein Kind von diesem Mann. Sie suchte Della auf, denn Della war angeblich in diesen Dingen bewandert. Sie vertraute sich ihr an, verschwieg aber den Namen des Mannes, der sie ins Unglück gestürzt hatte.

Außerdem hatte sie Della gesagt, daß sie das Kind nicht austragen wollte. Sie probierte vieles aus, aber das Kind kam zur Welt. Doch irgendwie waren ihre Gebete erhört worden, denn das arme Wesen wurde tot geboren. Als Sarait in die Burg kam und Arbeit suchte, nahm ich sie als Amme für meinen Sohn Alchu. Hier muß ich gestehen, daß ich damals irrtümlich glaubte, daß das Kind, daß sie ausgetragen hatte, von ihrem Mann Callada stammte.

Eadulf hat mich aber später darauf hingewiesen, daß Callada unmöglich Vater des Kindes gewesen sein konnte. Sie hatte es viele Monate nach Calladas Tod zur Welt gebracht. Da wurde mir klar, daß wir ein weitaus größeres Rätsel zu lösen hatten.« Sie sah zu Della hin. »Sarait war nicht Dellas einzige Vertraute. Auch Gorman hatte sich ihr anvertraut - er hatte ihr gegenüber preisgegeben, daß er in Sarait verliebt war.«

Della war blaß geworden und schwankte ein wenig auf dem Stuhl hin und her, wobei sie sich an Gormans Hand klammerte.

»Ich habe gesehen, daß Gorman eines Abends ihr Haus verließ und sie vertraut umarmte. Manchmal sprechen Taten deutlicher als Worte zu uns, nicht wahr?«

Della riß sich zusammen. »Gorman hat Sarait nicht umgebracht. Er war in sie verliebt, und sie sagte mir, daß sie sein freundliches Wesen sehr mochte. Er gehört nicht zu den Männern, die Frauen vergewaltigen.«