Выбрать главу

»Doch wie uns schon gesagt wurde, Gobnat hat diese Botschaft nie gesandt«, stellte der alte Richter gereizt klar.

»Was hat Sarait also veranlaßt, in die andere Richtung zu laufen, wenn sie davon ausging, daß die Nachricht von ihrer Schwester kam und sie Caol nicht angelogen hat? Wen wollte sie aufsuchen und warum nahm sie das Kind mit?«

»Sie ist vielleicht dazu gezwungen worden«, bemerkte Capa.

»Wann soll das geschehen sein?« fragte Eadulf zurück. »Das Kind, das die Botschaft überbracht hat, hatte die Burg vor ihr verlassen. Caol sah auch niemanden, der sie hätte zwingen können, als sie das Tor passierte.«

»Möglicherweise hat sie jemand bedrängt, als sie durch die Stadt kam, noch bevor sie unser Haus erreichte«, verkündete Capa.

»Richtig«, stimmte ihm Eadulf zu. »Obwohl zu jener Stunde, selbst wenn es schon dunkel war, immer noch Menschen auf dem Marktplatz sind. Die eine oder andere Laterne hätte genügend Licht verbreitet. Wer auch immer sie gezwungen haben mag, er wäre das Risiko eingegangen, gesehen zu werden.«

»Der eine oder andere würde solch ein Risiko sicher eingehen«, erklärte Bischof Ségdae.

»Wir sollten über eine derartige Möglichkeit durchaus nachdenken«, erwiderte Eadulf. »Gehen wir nun die einzelnen Fakten durch, mit deren Hilfe wir zur Wahrheit vordringen könnten.«

»Hast du das Gefühl, daß du uns auf diesem Weg anführen solltest, Sachse?« fragte Brehon Dathal verächtlich.

»Das ist nicht fair«, fuhr ihn Bischof Ségdae an. »Eadulf hat als Vater des vermißten Kindes ein Recht zu sagen, was er denkt.«

»Genau das meine ich ja«, entgegnete Brehon Dathal. »Weil er der Vater ist, ist er nicht objektiv, sondern durch seine aufgewühlten Emotionen blind für das Eigentliche. Er sieht, was er sehen will, und es ist völlig sinnlos, Brehon Moranns Weisheiten zu zitieren, um sich selbst zu rechtfertigen. Das gleiche gilt für Fidelma. Sie mag eine ddlaigh sein, aber alle Versuche, in diesem Fall selbst zu ermitteln, müssen scheitern. Ich werde den Fall übernehmen.«

»Das wirst du nicht«, sagte jemand scharf.

Eine hochgewachsene rothaarige Frau Ende Zwanzig war unbemerkt in den Raum getreten und blickte nun Brehon Dathal an. In ihren grünen Augen funkelte ein seltsames Feuer.

Eadulf stand besorgt auf.

»Fidelma!«

Kapitel 3

Schon war Fidelma durch den Raum geeilt und hatte sich unaufgefordert auf einen freien Stuhl an den Tisch gesetzt. Sie war nicht nur Colgus Schwester, sondern eine ddlaigh, noch dazu vom Rang einer anruth, also durfte sie in Anwesenheit der Provinzköni-ge sowohl Platz nehmen als auch das Wort ergreifen. Eadulf sank betrübt auf seinem Stuhl zurück. War er denn der einzige, der ihre rot umrandeten Augen bemerkte und sah, wie abgehärmt sie war?

»Ich dachte, daß du tief und fest schläfst«, murmelte er.

Fidelma verzog das Gesicht. »Nein, dank deiner ungenießbaren Mixturen schlafe ich nicht«, erwiderte sie, aber ihre Stimme verriet, daß sie ihm nicht böse war. »Ich weiß, daß du es nur gut gemeint hast, Eadulf. Doch ich habe mich genug ausgeruht. Es gibt viel zu tun.«

Brehon Dathal war verärgert. »Das ist wohl wahr, aber dich können wir hier nicht gebrauchen. Du mußt die Arbeit jemandem übertragen, der von dem Fall nicht so emotional betroffen ist wie du.«

»Meinst du etwa, daß ich nicht in der Lage bin, meinen eigenen Sohn wiederzufinden?« fragte sie kühl zurück. »Und daß auch Eadulf sein logisches Denkvermögen eingebüßt hat, nur weil es hier um seinen Sohn geht? Viele Male sind wir mit Fällen betraut worden, von denen die Sicherheit des ganzen Königreiches abhing. Zählt das etwa nicht?«

Brehon Dathal wurde rot.

»Du und der Sachse, ihr seid viel zu erregt und aufgewühlt«, sagte er aufbrausend.

Fidelma schnaubte wütend. »Das beweist doch nur, daß wir den Fall übernehmen sollten.«

»Ich bin oberster Richter dieses Königreiches, und ich ...«

Nun hob Colgu die Hand und gebot ihm zu schweigen. »Wir wollen jetzt nicht streiten, das hält uns nur auf. Diese Angelegenheit betrifft uns alle. Bruder Eadulf wollte gerade etwas Wichtiges sagen, als wir ihn unterbrochen haben. Hören wir wenigstens, worum es geht.«

Eadulf sah zu Fidelma hinüber, aber sie betrachtete immer noch Brehon Dathal mit unverhohlener Wut.

»Ich habe lediglich gemeint, daß sich beim Nachdenken über die Zeugenaussagen eine Reihe von Fragen ergeben werden«, sagte er.

»Und ist dem so?« erkundigte sich Bischof Ségdae. »Tauchen Fragen vor uns auf?«

»Nun«, erwiderte Eadulf, »fangen wir mit dem an, was wir alle zunächst vermutet hatten, als wir von dem Fall erfuhren. Wir dachten sofort, daß jemand, der Alchu entführen wollte, Sarait dabei attackiert hat. Wir gingen sofort davon aus, daß sie ermordet wurde, weil sie die Entführung verhindern wollte.«

»Was für Annahmen gibt es noch?« fragte Brehon Dathal, der immer noch gereizt war.

»Gehen wir Schritt für Schritt nach den Aussagen vor«, fuhr Eadulf fort und beachtete Dathals Einwurf nicht. »Ein Kind wird mit einer Nachricht für Sarait zur Burg geschickt, die angeblich von ihrer Schwester stammt, die sie dringend bittet, zu ihr zu kommen.«

»Und von meiner Frau und mir wißt ihr, daß wir nie eine solche Botschaft gesandt haben«, äußerte Capa rasch.

»Richtig«, meinte Eadulf.

»Wir wissen auch, daß uns allen jenes Kind nicht bekannt ist«, fügte Colgu hinzu. »Die Beschreibung, die der Wächter Caol gegeben hat, paßt zu niemandem in der Burg oder in der Stadt.«

Wieder neigte Eadulf bestätigend den Kopf. »Sobald das Kind die Botschaft losgeworden war, verließ es die Burg. Caols Ansicht nach handelte es sich um einen Jungen, der offenbar nur einen Auftrag ausführte. Kurze Zeit später erschien Sarait mit Alchu am Tor. Sie teilte Caol mit, wo sie hingehen wollte, und erklärte ihm, daß sie das Baby mitnehmen müßte, weil niemand anderes sich darum kümmern könnte. Aber das ist .«

»Das ist die erste Merkwürdigkeit in dieser Geschichte«, unterbrach ihn Fidelma.

Alle Augen blickten sie fragend an.

»Eadulf wollte sagen, daß Sarait eigentlich keinen Grund hatte, Alchu aus der sicheren Burg hinaus in die Dunkelheit mitzunehmen.«

»Wie kommst du darauf?« fragte Brehon Dathal skeptisch.

»Wie viele Frauen hielten sich deiner Meinung nach zu der Zeit in der Burg auf? Und wie viele davon mit Kindern? Zwanzig? Mehr? Und wie viele davon kannte Sarait? Wie viele sind so verläßlich, daß man ihnen das Kind für kurze Zeit hätte anvertrauen können?«

Colgu sagte nichts, aber es war klar, daß ihm diese Frage nie in den Sinn gekommen war.

»Genau«, pflichtete ihr Eadulf bei. »Es gab für Sarait eigentlich keinen Grund, Alchu mitzunehmen. Ehe jemand danach fragt: ich habe mich bereits bei einigen der Frauen erkundigt, die an jenem Abend in der Burg waren. Sarait hat keine von ihnen angesprochen, ob sie wohl Alchu hüten könnte. So ergibt sich als erstes die Frage, warum hat Sarait das Baby mitgenommen?«

Niemand antwortete ihm.

»Betrachten wir einen anderen Aspekt«, unterbrach Fidelma das Schweigen, denn alle suchten nun nach einer Erklärung. »Angenommen, das Kind, das die angebliche Nachricht von Gobnat überbrachte, war Teil eines Plans, Sarait und das Baby aus der Burg zu locken, um Alchu zu entführen. Wie konnte derjenige, der hinter diesem Plan steckte, annehmen, daß Sarait die Burg zusammen mit dem Baby verlassen würde?«