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Eadulf lachte. Es war ein angenehmes, freundliches Lachen.

»Ich weiß schon, was für eine Art von Reden du meinst«, antwortete er spitz.

Nun war es an ihr, zu lachen. Ihr hatten die Diskussionen gefehlt, die sie mit Eadulf führte. Sie hatte es vermißt, daß sie ihn mit ihren gegensätzlichen Meinungen und Philosophien necken konnte und er gutmütig jeden Köder schluckte, den sie ihm hinhielt. Sie stritten sich heftig, aber es gab keine Feindschaft zwischen ihnen. Beide lernten daraus, daß sie gegenseitig ihre Interpretationen der Moralgrundsätze der Gründerväter ihres Glaubens prüften und leidenschaftlich ihre Vorstellungen vom Leben vertraten.

Eadulf wurde plötzlich ernst, als er ihr in das freudige Gesicht blickte.

»Mir haben unsere Gespräche auch gefehlt«, sagte er leise.

Sie schauten einander schweigend an, und dann ging plötzlich die Tür auf, und Abt Cathal kam herein. Verlegen traten sie auseinander.

»Alles klar. Die Verpflegung wird bereitgestellt. Ihr habt übrigens Glück. Wie ich höre, ist ein Bauer aus Araglin hier und will sich gerade auf den Rückweg machen. Er kann euch als Führer dienen.«

Fidelma sah ihn zögernd an.

»Ein Bauer? Ist er jung oder älter?« erkundigte sie sich vorsichtig.

Abt Cathal starrte sie einen Moment verdutzt an und zuckte dann die Achseln.

»Er ist jung, und er hat ein junges Mädchen bei sich. Spielt das eine Rolle?«

»In diesem Falle nicht.« Fidelma wiegte den Kopf in stiller Belustigung. »Wäre der Bauer älter gewesen, dann hätte es allerdings eine Rolle gespielt. Weißt du«, erklärte sie dem sichtlich verwirrten Abt, »ich habe gerade ein Urteil gegen einen Bauern im mittleren Alter gefällt, einen gewissen Muadnat. Dem wäre meine Gesellschaft bestimmt nicht recht gewesen.«

Abt Cathal schien es immer noch nicht ganz zu begreifen.

»Aber jeder muß doch ein Gerichtsurteil akzeptieren.« Er konnte sich anscheinend nicht vorstellen, daß ein Urteil nach dem Gesetz Zorn auslösen könne.

»Nicht jeder nimmt so etwas mit guter Miene auf, lieber Abt«, erwiderte Fidelma. »Aber ich glaube, nun wird es Zeit, daß Bruder Eadulf und ich uns auf den Weg machen.«

Abt Cathal ließ sie sichtlich ungern ziehen.

»Vielleicht sehen wir uns heute zum letzten Mal, Fidelma, sicher aber für einige Zeit.«

»Wie das?« fragte sie interessiert.

»In der nächsten Woche breche ich zu einer Pilgerfahrt ins Heilige Land auf. Das war mein Ziel schon seit vielen Jahren. Bruder Nemon wird hier meine Stelle als Abt einnehmen.«

»Ins Heilige Land?« fragte Fidelma, aus ihrer Stimme klang Sehnsucht. »Dorthin möchte ich eines Tages auch einmal. Ich wünsche dir viel Freude auf deiner Fahrt, Cathal von Lios Mhor. Möge Gott auf allen deinen Wegen bei dir sein.«

Sie streckte dem Abt die Hand entgegen, der sie fest ergriff und drückte.

»Und möge Er dich bei deinen Urteilen erleuchten, Fidelma von Kildare«, antwortete der Abt feierlich. Er lächelte sie beide nacheinander an und hob leicht die Hand zum Segen. »Bis zum Ende des Weges: Frieden und Sicherheit.«

Kapitel 3

Im gepflasterten Hof der Abtei fanden sie den jungen Bauern Archü mit dem Mädchen, das in der Kapelle bei ihm gewesen war. Sie saßen im Schatten eines Kreuzgangs und warteten ungeduldig. In der Nähe standen zwei bereits gesattelte Pferde. Archü erhob sich und kam Schwester Fidelma entgegen. Er erinnerte sie immer noch an einen eifrigen jungen Hund, der seinem Herrn jeden Wunsch erfüllen möchte.

»Ich habe gehört, du brauchst einen Führer ins Land Araglin, Schwester. Ich freue mich, daß ich dir meine Dienste anbieten kann, denn du hast mir mein Land und meine Ehre zurückgegeben.«

Fidelma schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Lächeln.

»Ich sagte dir bereits, daß das Gesetz allein in dieser Angelegenheit entschieden hat. Du schuldest mir nichts.«

Sie wandte sich um, als das Mädchen nun mit niedergeschlagenem Blick näher trat. Es war hübsch, schlank und blond, und Fidelma schätzte es auf nicht älter als sechzehn Jahre.

Archü stellte es mit verlegener Miene vor.

»Das ist Scoth. Da ich nun mein Land wiederhabe, wollen wir heiraten. Ich werde unseren Priester, Pater Gorman, bitten, uns zu trauen, sobald wir nach Hause kommen.«

Das junge Mädchen errötete vor Glück.

»Auch wenn das Urteil gegen dich ausgefallen wäre, hätte ich dich geheiratet«, tadelte sie ihn sanft. Sie wandte sich an Fidelma. »Deshalb bin ich Archü hierher gefolgt. Es hätte mir nichts ausgemacht, wie dein Urteil gelautet hätte, wirklich nicht.«

Fidelma sah das junge Mädchen ernst an.

»Aber es ist schon besser, Scoth, daß das Urteil günstig ausfiel. Jetzt wirst du einen ocdire heiraten und nicht einen landlosen Mann.«

Danach machte Fidelma sie mit Bruder Eadulf bekannt. Einer der Brüder hatte inzwischen ihre Satteltaschen mit Speisen und Getränken für die Reise gepackt und führte nun ihre beiden Pferde am Zügel herbei. Sie sah, daß Archü und Scoth jeder ein Bündel und einen Schwarzdornstecken trugen. Es standen keine anderen Pferde im Klosterhof, und ihr wurde klar, daß die beiden keine Reittiere besaßen, nicht einmal Esel.

Archü bemerkte ihr Stirnrunzeln und erriet, was ihr durch den Kopf ging.

»Wir haben keine Pferde, Schwester. Auf dem Hof in Araglin gibt es zwar Pferde, aber ich durfte natürlich keins für die Reise hierher benutzen. Mein Vetter Muadnat«, er zögerte und sprach den Namen mit Bitterkeit aus, »ist schon abgereist mit seinem Oberhirten Agdae. Also müssen wir zurückkehren, wie wir gekommen sind: zu Fuß.«

»Das spielt keine Rolle«, erklärte Fidelma fröhlich. »Unsere Pferde sind kräftig, und euer Gewicht macht ihnen nicht viel aus. Scoth kann sich hinter mich setzen, und du, Archü, steigst hinter Bruder Eadulf auf.«

Der Nachmittag war schon fortgeschritten, als sie die großen Holztore des Klosters passierten und im Schritt den Pfad an dem breiten Fluß entlangritten. Dicht nördlich davon erhoben sich die Berge.

Archü wies von seinem Sitz hinter Eadulf aus hinüber.

»Da oben in den Bergen liegt Araglin«, rief er eifrig. »Heute nacht müssen wir dort irgendwo rasten, aber vor morgen Mittag seid ihr in Araglin.«

»Wo wolltet ihr die Nacht verbringen?« fragte Fidelma, als sie ihr Pferd über die schmale Holzbrücke lenkte, die den großen Fluß in Richtung auf die hohen Gipfel im Norden überspannte.

»Nach ungefähr einer Meile biegen wir von der nördlichen Straße nach Cashel ab und beginnen den Aufstieg durch das Bergland nach Araglin, auf dem Westufer eines kleinen Flusses, der in den Bergen entspringt«, antwortete Archü. »Das Land ist stark bewaldet. An dem Weg gibt es ein Gasthaus, falls ihr dort übernachten wollt. Wir werden es kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.«

»Dann wird die Reise morgen leicht«, ergänzte Scoth in Fidelmas Rücken. »Es sind dann nur noch ein paar Stunden zu reiten durch den oberen Teil der großen Schlucht und hinunter ins Tal von Araglin, und von dort gelangt ihr geradewegs zum rath des Fürsten von Araglin.«

Bruder Eadulf wandte leicht den Kopf.

»Wißt ihr, weshalb wir dorthin wollen?«

Archü brachte auf seinem Sitz hinter dem Mönch ein Achselzucken zustande.

»Der Pater Abt hat uns die Neuigkeiten aus Araglin mitgeteilt«, antwortete er.

»Kanntest du Eber?« fragte Fidelma. Den jungen Mann schien es nicht sonderlich aufzuregen, daß sein Fürst ermordet worden war. Sein Mangel an Anteilnahme interessierte sie.

»Ich habe von ihm gehört«, gab Archü zu. »Meine Mutter war sogar mit ihm verwandt. Aber die meisten Leute in Araglin sind irgendwie miteinander verwandt. Der Hof meiner Mutter stand in einem einsamen Tal, das das Schwarze Moor genannt wird und mehrere Meilen vom rath des Fürsten entfernt liegt. Wir hatten wenig Grund, ihn aufzusuchen. Eber besuchte auch meine Mutter nicht. Ihre Heirat mit meinem Vater fand nicht die Zustimmung ihrer Familie. Pater Gorman kam hin und wieder zu uns, doch Eber nie.«