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In der Zwischenzeit konnte es nicht schaden, wenn er sich mit dem Haus und seiner Umgebung vertraut machte, denn selbst nachdem er von Staunton Besitz ergriffen hatte, würde er noch etwa zwei Wochen hierbleiben. Wie lange dieser Aufenthalt dauern würde, hing von verschiedenen Faktoren ab. Aber er durfte jedenfalls nicht plötzlich abreisen, wenn sein Wirt ursprünglich den ganzen Sommer in dem Haus hatte leben wollen.

Dann zeigten ihm fast unmerkliche Vibrationen an, daß sich ein Auto auf der Straße näherte. Stauntons Kombiwagen, Staunton am Steuer, kein Beifahrer. Auf der Uhr in der Küche war es zehn.

Als Staunton das Haus betrat, gebrauchte der Parasit – mehr aus Neugier, als aus Interesse – seinen Spürsinn, um auch das Auto zu untersuchen. Dabei bemerkte er plötzlich, daß etwas schiefgegangen war, denn auf dem Rücksitz lag eine tote Katze in eine Decke eingewickelt. Sein vorletzter Wirt. Wie hatte Staunton das Tier gefunden? Warum hatte er es im Wagen liegen? War er der Spur bis an den Bach gefolgt? Aber das war doch unmöglich! Nein, der leichte Regen, der die Pfotenabdrücke hatte sichtbar werden lassen ... Wieder einmal hatte der Parasit sich verraten.

Aber Staunton war jetzt wieder zu Hause und würde früher oder später schlafen. Und von dann ab spielte es keine Rolle mehr, welchen Verdacht er gehegt haben mochte.

Was hatte Staunton jetzt vor? Er trug seine beiden Koffer nach oben, legte seine Anzüge zusammen und packte sein Rasierzeug ein. Er wollte abreisen – für immer, denn sonst hätte er nicht alles mitgenommen.

Aber er durfte nicht; die Abreise mußte unter allen Umständen verhindert werden!

Doc Staunton trug die Koffer zum Auto hinaus, stellte sie auf die rückwärtige Ladefläche und kehrte dann wieder in das Haus zurück. Dort machte er einen kurzen Rundgang und überzeugte sich davon, daß alle Fenster und die Tür zum Hof verschlossen waren. In der Küche stand er einen Augenblick nachdenklich vor dem Schalter, mit dem sich der Motor und der Generator im Keller ausschalten ließen. Aber dann betätigte er ihn doch nicht, weil der Kühlschrank noch Nahrungsmittel und Getränke enthielt, die bei einem späteren Besuch – zusammen mit den Männern vom FBI – verbraucht werden konnten.

Dann ging er wieder zu seinem Wagen hinaus, wobei er das Angelgerät, ein Gewehr und eine doppelläufige Schrotflinte unter dem Arm trug. Die Pistole hatte er schon vorher geladen und in die Jackentasche gesteckt.

Er hatte das Auto schon fast erreicht und wollte bereits nach dem Türgriff fassen, als er den Hirsch sah – einen prächtigen Achtender. Das Tier stand etwa zwanzig Meter von ihm entfernt an der Stelle, wo die Straße begann. Es starrte ihn an, senkte dann den Kopf und scharrte den Boden auf, als bereite es sich auf einen Angriff vor.

Staunton setzte sich rasch hinter das Steuer und ließ den Motor an. Er konnte sich vorstellen, was ihn erwartete, aber er wollte seinen Verdacht bestätigt sehen. Er mußte knapp an dem Hirsch vorbeifahren – wenn der Hirsch es ihm gestattete.

Der Hirsch hatte offensichtlich nicht die Absicht, denn er griff in dem Augenblick an, in dem das Auto sich in Bewegung setzte. Staunton bremste sofort und versuchte sogar – allerdings ohne Erfolg –, die Wucht des Aufpralls dadurch zu vermindern, daß er den Rückwärtsgang einlegte. Der Hirsch glich einem drei Zentner schweren Geschoß, als er zwischen den Scheinwerfern gegen den Kühler des Wagens prallte. Und dann lagen nur noch drei Zentner toter Hirsch auf der Straße – mit zersplittertem Geweih, gebrochenem Hals und inneren Verletzungen. Staunton hatte sich geistesgegenwärtig in letzter Sekunde über die Vordersitze geworfen, so daß er keinen Schaden davontrug, als das Auto fast einen Meter zurückgeschleudert wurde.

Er setzte sich langsam wieder auf. Der Motor war abgestorben, vermutlich durch die Rückwärtsbewegung des Wagens, während noch der erste Gang eingelegt war. Er schaltete die Zündung aus, weil er wußte, daß der Wagen mindestens einen neuen Kühler brauchte. Wahrscheinlich hatte sogar der Motorblock einen Sprung.

Selbst mit den Waffen, die er bei sich hatte, würde er bestimmt nie bis nach Bartlesville oder nur zu der nächsten Farm kommen, wo er telefonieren konnte. Das war unmöglich, denn er mußte an einigen Viehweiden vorbei, auf denen Kühe und vielleicht sogar Stiere grasten oder schliefen. Und auf der anderen Straßenseite erstreckte sich der Wald, in dem es Hirsche, Bären und Wildkatzen gab. Zudem bestand noch eine weitere Möglichkeit – was sollte er tun, wenn der Feind einen menschlichen Wirt auf ihn ansetzte? Was sollte er tun, wenn zum Beispiel Mrs. Kramer oder Mrs. Gross mit einem Gewehr bewaffnet auf der Straße auftauchten und nach ihm schossen? Zurückschießen? Natürlich hätte er nicht die wirkliche Mrs. Kramer oder Mrs. Gross vor sich – aber trotzdem würde er niemals auf eine Frau schießen können.

Zudem bestand keine Aussicht, daß er sein Ziel jemals lebend erreichte, denn sein unsichtbarer Feind – er glaubte zu wissen, daß es sich nur um einen Feind handelte – konnte immer wieder neue Angreifer gegen ihn vorschicken. Und viele Hunde waren des Hasen Tod ...

Wenigstens hatte der kalte Krieg jetzt ein Ende, überlegte er sich grimmig. Der Gegner – wer oder was er auch immer sein mochte – war offen zum Angriff übergegangen. Zumindest Staunton gegenüber hatte er anscheinend nicht mehr die Absicht, sich mit halben Maßnahmen zufriedenzugeben. Er wollte ihn hier festhalten und konnte es auch. Doc holte eine Schachtel Munition aus dem Handschuhfach des Wagens, lud die Pistole und die Schrotflinte und stopfte die restliche Munition in die Taschen.

Seltsamerweise empfand er keine Angst, sondern überlegte kaltblütig. Und das mußte er auch, wenn er in diesem Kampf bestehen wollte. Nur ein wacher Verstand konnte hier den Sieg bringen; mit Feuerwaffen ließ sich vielleicht eine Schlacht aber nie der Krieg gewinnen.

Dann war die erste Entscheidung fällig: War es sicherer, wenn er in dem Wagen blieb, anstatt sich in das Haus zurückzuziehen? Er überlegte sich, daß das Haus mindestens ebenso sicher, aber wesentlich bequemer war, falls es zu einer längeren Belagerung kommen sollte. Der Feind hatte zu erkennen gegeben, daß er ihn notfalls umbringen würde, wenn er Hilfe zu holen versuchte. Aber würde sein Gegner ihn auch dann töten wollen, wenn er den Belagerungszustand hinnahm und nicht zu fliehen versuchte?

Doc war sich nicht völlig sicher, aber immerhin gab es eine Art Beweis dafür, daß der Feind ihn nur an der Flucht hindern wollte. Staunton hatte den Hirsch erst gesehen, als er neben seinem Wagen stand, obwohl das Tier ihn schon länger beobachtet haben mußte. Der Hirsch hätte ihn selber angreifen können – anstatt das Auto. Die Waffen waren nicht geladen gewesen.

Zurück in das Haus. Er stieg vorsichtig aus dem Wagen, hielt die Schrotflinte feuerbereit und sah sich um. Nirgendwo ein lebendes Wesen. Falls nicht ...

Er sah nach oben. Etwa dreißig Meter über ihm beschrieb eine Ente langsam einen großen Kreis in der Luft – wie ein Bussard über seiner Beute kreist. Aber Enten fliegen sonst anders. Ein Luftangriff? Diese Möglichkeit war ihm bisher nicht eingefallen, aber jetzt überlegte er sich, daß ein Kamikaze-Angriff durch einen ziemlich schweren Vogel genauso gefährlich sein konnte, wie es die Attacke eines wütenden Stiers war. Er ging weiter auf das Haus zu und behielt die Ente dabei im Auge. Plötzlich setzte der Vogel zu einem Sturzflug an. Doc riß die Flinte hoch – aber er brauchte nicht zu schießen. Die Ente schlug fünfzehn Meter von ihm entfernt auf den Boden auf. Über der Stelle erhob sich eine kleine Staubwolke.

Staunton schloß nachdenklich die Haustür auf und verriegelte sie hinter sich. Nein, der unsichtbare Feind wollte ihn nicht umbringen, sondern nur eingesperrt halten. Die Ente hätte ihn bestimmt nicht um fünfzehn Meter verfehlt, wenn sie ihn hätte treffen sollen. Der Feind hatte ihm nur eine weitere tödliche Waffe demonstrieren wollen, um ihn von der Flucht abzuhalten. Die Wildente hätte sich ebensogut auf ihn stürzen können; schließlich hatte sie nichts zu verlieren, denn der Sturz endete auf jeden Fall mit ihrem Tod. Das bewies, daß sein Gegner ihn nicht umbringen wollte, solange er ihn statt dessen zum Hierbleiben zwingen konnte.