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Draußen rührte sich nichts. Bildete er sich alles nur ein? Konnte er das Haus ohne weiteres verlassen und zu Fuß die nächste Farm erreichen? Nein, selbst wenn der Hirsch ihm nicht genügt hätte, stellte der Sturzflug der Ente einen schlagenden Beweis dar.

Jetzt war alles ruhig – und so würde es vermutlich auch bleiben, bis er den nächsten Fluchtversuch unternahm. Aber warum?

Er wollte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank holen, unterließ es aber doch und setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Bier in mäßigen Mengen würde seine Denkfähigkeit kaum beeinträchtigen, aber unter Umständen kam es vielleicht gerade auf diese geringfügige Beeinträchtigung an.

Wie sah sein unsichtbarer Gegner aus? Ein menschlicher Mutant, der andere Lebewesen zu kontrollieren vermochte? Ein Dämon? Ein außerirdisches Wesen? Die letzte Möglichkeit schien am wahrscheinlichsten; im All gab es Milliarden Planeten, auf denen sich intelligente Lebensformen entwickelt haben konnten. Warum nur auf der Erde? Und warum sollten sie keine Raumschiffe besitzen?

Ja, diese Möglichkeit war wahrscheinlicher als die anderen – und gefährlicher dazu.

Aber weshalb konzentrierte der Angriff sich jetzt auf ihn allein? Weil er genügend über diesen Gegner wußte, um ihm gefährlich zu werden? Das konnte stimmen – und der unsichtbare Feind hatte davon erfahren, als Doc die graue Katze bei sich behielt, um sie zu beobachten. In Wirklichkeit hatte sie ihn fünf Tage lang beobachtet.

Ja, er stellte eine Gefahr für den Gegner dar, der sich darüber auch im klaren war. Aber warum hatte er ihn dann nicht schon längst umgebracht? Der Hirsch hätte ihn nur anzugreifen brauchen, bevor er in seinem Wagen saß. Und der Sturzflug der Ente war nicht einmal ein ernstgemeinter Versuch dazu gewesen. Der Feind wollte ihn am Leben erhalten – aber nur hier, nicht woanders. Warum?

Weil er ihn als Wirt gebrauchen wollte? Das schien möglich, aber weshalb versuchte er es dann nicht?

Draußen herrschte Ruhe. Doc ging in die Küche und setzte Kaffeewasser auf. Mußten besondere Bedingungen erfüllt sein, bevor der Gegner von einem Wirt Besitz ergreifen konnte?

Plötzlich fiel ihm eine mögliche Antwort auf diese Frage ein. Tommy Hoffmann schlief, als der Feind von ihm Besitz ergriff. Siegfried Gross ebenfalls. In Jim Kramers Fall war es nicht sicher, aber immerhin möglich. Und die Tiere – sie alle schliefen zu unregelmäßigen Zeiten.

Aber wenn der Feind ihn hier gefangenhalten wollte, bis er schlief, um dann von ihm Besitz zu ergreifen, weshalb hatte er es dann nicht schon vergangene Nacht getan? Doc hatte nicht sehr viel geschlafen, aber doch zwei oder drei Stunden. Dann fiel ihm die Antwort ein, oder zumindest eine mögliche Antwort. Der Feind hatte aus irgendeinem Grund den jungen Kramer als Wirt gebraucht – und dann abwarten müssen, bis sich die Gelegenheit gab, einen tödlichen Unfall vorzutäuschen. Das war ein weiterer Beweis oder wenigstens ein Anzeichen dafür, daß Doc nur einem Gegner gegenüberstand, der anscheinend nicht zwei Wirte zur gleichen Zeit kontrollieren konnte. Aber wie ließ sich die Stichhaltigkeit dieser Theorie nachweisen?

Doc faßte plötzlich einen Entschluß, nahm die Schrotflinte in die Hand und ging zur Tür. Er öffnete sie vorsichtig, trat auf die oberste Stufe der Treppe und sah zum Himmel hinauf.

Vögel, große Vögel, kreisten dort, sieben oder acht sogar. Vögel, Mehrzahl. Hatte er sich getäuscht?

Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus, als er die Vögel beobachtete und dabei feststellte, daß es sich um Bussarde handelte, die über dem toten Hirsch kreisten. Ganz gewöhnliche Vögel, keine Wirte. Noch nie zuvor waren ihm Bussarde so schön vorgekommen wie in diesem Augenblick.

Eine Sekunde später wurde er auf einen anderen Vogel aufmerksam, der vom Wald her auf das Haus zuflog – anscheinend wieder eine Ente. Sie gewann stetig an Höhe und stürzte dann geradewegs auf ihn zu. Vermutlich hätte er sie rechtzeitig abschießen können, aber das Risiko war überflüssig. Er trat zwei Schritte zurück und schloß die Haustür. Draußen knallte der Vogel auf die Stufen der Treppe.

Doc lächelte zufrieden; durch dieses relativ ungefährliche Experiment hatte er wenigstens eine seiner Schlußfolgerungen bewiesen. Wäre der Feind imstande gewesen, von einem wachen Tier Besitz zu ergreifen, hätte er einen der großen Bussarde als Wirt gebrauchen können, die bereits in der Luft kreisten und wesentlich näher waren. Oder alle zusammen, falls er gleichzeitig mehr als einen Wirt kontrollieren konnte. Statt dessen hatte er Zeit verloren, bis er einen anderen Vogel gefunden hatte – wahrscheinlich einen schlafenden.

Der Gegner war zwar gefährlich, aber auch in mancher Beziehung gehandikapt.

Dann bestand also noch Hoffnung auf Rettung. Miß Talley erwartete ihn; es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie besorgt genug war, um den Sheriff zu verständigen. Wenn der Sheriff ihn aufsuchen wollte und nicht durchkam, war das sehr schade für den Sheriff; aber andere Polizisten würden nach ihm suchen, und wenn sie ebenfalls angegriffen wurden, trat bestimmt die Staatspolizei in Aktion. Eine ganze Gruppe bewaffneter Männer mußte mit allem fertig werden, was der Feind ihnen in den Weg zu stellen vermochte, denn schließlich konnte es sich immer nur um ein einzelnes Tier handeln.

Ja, irgendwann mußte Hilfe kommen. Aber bis dahin mußte Doc alle nur möglichen Anstrengungen unternehmen, um nicht einzuschlafen.

19

Dann geschah eine Ewigkeit lang nichts. Die Sonne ging langsam unter, dann brach die Nacht herein. Doc ging durch sämtliche Räume des Hauses und schaltete überall die Lampen ein.

Und dann ging das Licht plötzlich aus.

Der Generator? Selbstverständlich der Generator. Der Benzinmotor, der ihn antrieb, konnte nicht aus Brennstoffmangel stehengeblieben sein; der Tank enthielt noch genug Benzin für mindestens vier Tage. Aber entweder der Motor oder der Generator arbeiteten nicht mehr.

Der Feind hatte wieder einen Wirt benutzt. Eine Maus? Wahrscheinlich eine Maus, die er entsprechend angeleitet hatte, so daß sie eine der beiden Maschinen stillgelegt hatte. Und das Tier war jetzt bestimmt tot, vielleicht als unkenntliche Masse um den Läufer des Generators geschmiert ... Und es war sinnlos, wenn Doc etwa den Motor oder den Generator wieder in Betrieb zu setzen versuchte – Mäuse gab es übergenug. Oder vielleicht war es gar keine Maus gewesen. Selbst ein Insekt konnte bei entsprechender Anleitung einen Kurzschluß hervorrufen.

Dunkelheit.

Vor allem durfte er nicht einschlafen. Schlaf bedeutete das Ende.

Der Mond stieg über dem Wald auf. Kein Vollmond, aber doch so hell, daß Doc draußen Einzelheiten erkennen konnte. Und durch die Wohnzimmerfenster kam genug Licht herein, daß der Raum einigermaßen beleuchtet war – gut genug, um darin auf und ab zu gehen, ohne dabei überall anzustoßen. Er besaß zwar eine Taschenlampe, aber selbst mit der einen Ersatzbatterie würde sie nicht eine ganze Nacht brennen; er mußte sparsam damit umgehen.

Wie lange konnte er noch wach bleiben? Noch vierundzwanzig Stunden, schätzte er, obwohl er letzte Nacht so wenig geschlafen hatte und bereits müde war.

Er war auch hungrig, wollte aber möglichst wenig Nahrung zu sich nehmen. Essen machte ihn bestimmt müder, als er es jetzt schon war.