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Er ging ruhelos auf und ab und dachte nach. Irgendwie mußte er eine Möglichkeit zu einem Gegenangriff finden. Aber wie?

In welcher Beziehung war sein Gegner verwundbar? Besaß er keinen Körper oder verfügte er über einen eigenen – der vielleicht ruhte, während er einen Wirt gebrauchte? Wahrscheinlich hatte er einen Körper; Doc konnte sich erstens kein körperloses Wesen vorstellen und erinnerte sich zweitens an einen seltsamen Vorfall in Verbindung mit Siegfried Gross' Selbstmord. In dieser Nacht waren zwei Schüsseln aus dem Kühlschrank der Gross-Farm verschwunden, die Fleischbrühe und eine Soße enthalten hatten. Gross konnte wohl kaum alles verzehrt haben und hatte bestimmt keinen Grund, die Brühe und die Soße in den Ausguß zu schütten. Aber beide Flüssigkeiten zusammen ergaben eine ideale Nährlösung für jedes Lebewesen, das auf eine proteinhaltige Nahrung angewiesen war. War Gross als Wirt benutzt worden, um den Feind zu ernähren, bevor er Selbstmord beging? Eine groteske Vorstellung – aber waren die Ereignisse bisher nicht alle grotesk gewesen?

Er ging wieder in die Küche und kochte Kaffee. Dann kehrte er in das Wohnzimmer zurück, setzte sich auf die Sofalehne und starrte nach draußen.

Wo konnte der Körper des Gegners sich befinden? Vermutlich nicht sehr weit von hier entfernt, nachdem der Angriff sich auf dieses Haus konzentrierte. Wahrscheinlich in Sichtweite des Gebäudes, möglicherweise sogar darin. Doc hielt es für nicht sehr wahrscheinlich, daß sein Feind dieses Risiko auf sich genommen hatte, aber trotzdem wollte er jede Möglichkeit zu einem Gegenangriff nutzen. Nicht sofort, aber sowie es hell genug war, würde er das Haus von oben bis unten durchsuchen und auf jedes Lebewesen schießen, das er dabei entdeckte.

Die einsame Nacht schien kein Ende nehmen zu wollen. Aber dann brach doch der Morgen an.

Doc begann seine systematische Suche, die ihn vom Dachboden bis in den Keller führte. Er wußte zwar eigentlich gar nicht, wie groß oder wie klein dieses Wesen war, aber falls sein Gegner sich nicht unsichtbar gemacht hatte oder sich in einen Haushaltungsgegenstand verwandeln konnte, mußte er ihn finden. Seine Anstrengung blieb vergeblich. Im Keller stellte er fest, daß er die Ursache des Stromausfalls richtig erraten hatte. Ein kleines Tier – vermutlich eine Maus – war in das Gehäuse gekrochen und dort zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden. Er hätte den Generator säubern und wieder in Betrieb setzen können – aber wozu? Wenn der unsichtbare Feind nicht wollte, daß er elektrisches Licht hatte, dann würde er die Stromversorgung wieder unterbrechen, sowie Doc den Keller verlassen hatte.

In dieser endlos langen Nacht hatte er sich jedoch noch eine andere Möglichkeit überlegt. Vielleicht hatte er doch noch eine Chance, das Blatt zu wenden, wenn er die Tatsache ausnutzte, daß der Gegner sozusagen hilflos in seinem jeweiligen Wirt gefangen war und von keinem neuen Besitz ergreifen konnte, bevor nicht der vorherige tot war. Wenn Doc nun den nächsten Wirt, der gegen ihn vorgeschickt wurde, nur leicht verwundete und gefangensetzte, oder nur gefangennahm – und ihn unter solchen Bedingungen am Leben erhielt, daß er nicht Selbstmord begehen konnte, dann war der Feind wenigstens für gewisse Zeit außer Gefecht gesetzt. Und diese Zeitspanne würde vielleicht genügen, um Doc die Stadt erreichen zu lassen, wo er in Sicherheit war.

Aber würde er dazu Gelegenheit haben?

Er sah zur Zimmerdecke hinauf und faßte plötzlich Hoffnung, als er dort eine Motte umherfliegen sah. War das wirklich möglich? Eine Motte konnte ihm in keiner Weise gefährlich werden, aber vielleicht kontrollierte der Feind sie doch – um ihn ständig zu überwachen, was sonst nicht möglich war.

Doc stand so beiläufig wie möglich auf und verließ das Zimmer, um in der Besenkammer nach dem alten Kescher zu suchen, den er dort hatte liegen sehen. Er schloß die Tür hinter sich und fühlte in dem engen Raum umher, bis er das engmaschige Netz gefunden hatte. Dann bog er einen Drahtkleiderbügel auf und befestigte damit den Kescher an einem Besenstiel. Die fertige Konstruktion sah nicht gerade wie ein richtiges Schmetterlingsnetz aus, aber vielleicht erfüllte sie trotzdem den gleichen Zweck.

Die Motte flog noch immer umher. Doc unternahm einige vergebliche Versuche, aber schließlich erwischte er das Insekt doch. Er nahm sie sehr behutsam aus dem Netz, um sie nicht zu verletzen und sperrte sie in eine Zündholzschachtel, die er ausgeleert hatte. Darin würde die Motte bestimmt lange genug leben, bis seine Flucht gelungen war. Immer vorausgesetzt, daß die Motte wirklich ...

Er entschloß sich zu einem sofortigen Versuch, nahm die doppelläufige Schrotflinte mit und öffnete die Haustür. Draußen war nichts zu sehen, wovor er sich hätte fürchten müssen. Nicht einmal in der Luft.

Staunton atmete tief ein und ging die Treppe hinab. Aber schon nach zehn Schritten sah er unwillkürlich nach oben. Ein riesiger Habicht hatte seinen Platz auf dem Giebel des Hauses verlassen und kreiste nun über dem Hof. Dann stürzte er sich in die Tiefe, wobei deutlich zu erkennen war, daß er Doc treffen wollte, anstatt ihn nur zu erschrecken und zum Rückzug zu zwingen.

Staunton riß die Schrotflinte hoch und betätigte den Abzug, als der Habicht nur noch drei Meter von ihm entfernt war und wie ein ferngesteuertes Geschoß herabstürzte, was er ja ihn Grunde genommen auch war. Blut und Federn regneten auf Doc herab. Die Überreste des Vogels fielen neben ihm zu Boden.

Er rannte in das Haus zurück, wusch sich das Blut ab und bürstete die Federn von seiner Jacke. Dann öffnete er die Zündholzschachtel und ließ die Motte frei.

20

Und dann – geschah nichts. Gar nichts.

Minuten wurden zu Stunden. Doc hatte jetzt seit über vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen; wenn er alles zusammenrechnete, hatte er in den vergangenen achtundvierzig Stunden nicht mehr als bestenfalls drei Stunden geschlafen.

Den größten Teil der Zeit verbrachte er damit, daß er von einem Fenster zum anderen ging und hinausstarrte. Er hätte tausend Dollar für eine kurze Ruhepause in einem bequemen Sessel gegeben, aber trotzdem wagte er es nicht, weil er wußte, wie gefährlich eine solche Pause werden konnte. Wenn er sich überhaupt hinsetzte, benutzte er dazu die Sofalehne oder einen harten Küchenhocker. Gelegentlich trank er eine Tasse Kaffee, aber nur kalten, weil er sich überlegt hatte, daß Wärme einschläfernd wirkte und den Effekt des Koffeins teilweise aufhob.

Der Morgen zog sich in die Länge. Bald mußte Hilfe eintreffen – entweder der Sheriff oder die Staatspolizei; Miß Talley mußte sie spätestens heute morgen verständigt haben, mußte veranlaßt haben, daß jemand sich um ihn kümmerte nachdem er nicht zu ihr gekommen war.

Er konnte nicht mehr sehr lange wach bleiben. Jetzt durfte er sich nicht einmal mehr hinsetzen, ohne daß ihm sofort die Augen zufielen, so daß er sie wieder mühsam aufreißen mußte. Und obwohl er sonst nur mäßig rauchte, hatte er so viele Pfeifen geraucht, daß sein Mund davon brannte. Einige Benzedrintabletten wären jetzt ihr Gewicht in Gold wert gewesen, aber er hatte keine bei sich; im Urlaub wollte er schließlich keine Nacht durcharbeiten.

Es war fast Mittag, und er stand am Wohnzimmerfenster und wünschte sich, den Kopf gegen die kühle Scheibe legen zu dürfen, als er ein Auto kommen hörte.

Er nahm die Schrotflinte und öffnete die Haustür, blieb aber im Flur stehen, um dem Sheriff, oder wer es sonst sein mochte, von dort aus Feuerschutz zu geben.

Dann bog das Auto in den Hof ein. Ein Volkswagen – und Miß Talley saß allein darin.

Er winkte ihr verzweifelt zu, weil er hoffte, daß sie wenden und so schnell wie möglich fortfahren würde ...

Aber sie fuhr weiter und achtete dabei nur auf den toten Hirsch und die vollgefressenen Bussarde, die träge aufflogen. Sie stellte den Motor ab, bevor sie zur Haustür hinübersah und Doc erkannte.