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Er handelte ohne Plan, ohne Absicht, ohne Sinn. Er hatte sich in eine gnadenlose Tötungsmaschine verwandelt, die alles vernichten würde, was ihren Weg kreuzte. Sein Schwert zeichnete einen silbern funkelnden Dreiviertel-Kreis in die Luft und prallte mit solcher Gewalt auf die hochgerissene Klinge des schwarzen Riesen, dass blaue Funken aus dem Stahl stoben. Die Wucht seines eigenen Hiebes ließ Andrej zurücktaumeln, schmetterte aber auch den schwarzen Riesen gegen die Wand und brachte ihn dazu, seine Waffe fallen zu lassen. Andrej fing sein Stolpern ab, sprang in der gleichen Bewegung wieder vor und riss seine Klinge zum letzten entscheidenden Hieb in die Höhe. »Andrej! Nein!« Es war die Stimme des Piraten, die er erkannte, nicht sein ebenholzfarbenes Gesicht. Andrej versuchte verzweifelt, den Hieb zurückzuhalten, aber es war zu spät. Alles, was er noch tun konnte, war die Klinge zur Seite zu reißen. Sie prallte unmittelbar neben Abu Duns Gesicht mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass sie zerbrach. Ein Schauer aus Metall- und Steinsplittern überschüttete Abu Dun und sprenkelte seine Wange mit winzigen roten Punkten. Andrej taumelte einen Schritt zurück, ließ das geborstene Schwert fallen und starrte Abu Dun entsetzt an. Sein Herz hämmerte..

»Abu Dun?«

»Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete der Pirat. Er hob die Hand, betastete seine Wange und blickte mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln auf das Blut, das an seinen Fingerspitzen klebte.

»Bin ich tot, oder ist das nur ein Alptraum? Für einen Moment habe ich mir tatsächlich eingebildet, dass du mich umbringen willst.«

»Es tut mir Leid«, sagte Andrej.

»Ich dachte ...« Er brach ab, schüttelte verwirrt den Kopf und setzte neu an:

»Wie kommst du hierher?«

»Jemand war so freundlich, das Haupttor zu öffnen«, antwortete Abu Dun.

»Maria! Ich ...«

»Sie ist unversehrt«, sagte Abu Dun rasch.

»Und ihr Bruder auch - auch wenn ich nicht weiß, ob es wirklich eine Gnade ist, ihn am Leben zu lassen.«

»Nein«, antwortete Andrej.

»Das ist es nicht. Deshalb wollte ich, dass er lebt.«

»Manchmal weiß ich nicht, wen ich mehr fürchten soll«, sagte Abu Dun.

»Dich oder euren Gott, der grausam genug ist, einen Mann, der sein Kleid trägt, mit solchen Wunden weiterleben zu lassen.«

»Der Wächter?«

»Mehmeds Leute haben ihn am Leben gelassen, wenn du das meinst«, antwortete Abu Dun hart.

»Aber er wird nie wieder ein Schwert in die Hand nehmen.« Er machte eine harsche Geste.

»Er hat erzählt, dass Waichs leer steht. Mehmeds Krieger sind bereits in der Burg. Niemand wird überleben. Hast du den Jungen gefunden?«

»Nein«, antwortete Andrej.

»Aber ich weiß, wo er ist.«

»Worauf warten wir dann noch?« Die Burg hallte vom Klirren der Schwerter und den Schreien der Kämpfenden und Sterbenden wider. Wenn Dimitri die Wahrheit gesagt hatte, dann musste die Anzahl der Männer auf beiden Seiten ungefähr gleich groß sein. Mehmeds Männer hatten die Gelegenheit ergriffen, die Burg zu stürmen und ihrem Herrn eine Festung zu präsentieren, über der schon die Fahne der türkischen Heere wehte, wenn er sein Lager aufschlug. Andrej war fast sicher, dass sie siegen würden, aber es würde ein harter Kampf werden, denn ihre Gegner kannten sich in der Festung aus, und sie kämpften um ihr nacktes Überleben. Es war ihm gleich, wer gewann, und ob es Überlebende auf einer der beiden Seiten gab. Es war nicht sein Krieg. Es ging ihn nichts an. Er würde sich nicht weiter hineinziehen lassen, als es unbedingt notwendig war. Sie hatten die Treppe hinab zum Keller gefunden, denn es gab einen grausigen Wegweiser: die gellenden Schreie der Gefolterten, denen sie nur zu folgen brauchten. Auf ihrem Weg hatten sich ihnen zweimal Soldaten des Drachenritters entgegengestellt, die sich ihnen mit dem Mut der Verzweiflung entgegenwarfen. Andrej hatte sie allesamt getötet. Er war erneut in diesen schrecklichen Blutrausch verfallen, in dem nur noch das Töten zählte, in dem er nicht mehr er selbst war, sondern nur noch ein ... Ding, das vorwärts marschierte, unverwundbar, unaufhaltsam und gnadenlos. Abu Dun war die ganze Zeit an seiner Seite gewesen, aber er hatte nicht ein einziges Mal sein Schwert gezogen. Sie hatten den Gang erreicht, an dessen Ende die vergitterte Tür zu Tepeschs Folterkeller lag. Die Schreie waren wieder zu einem Wimmern herabgesunken, dem gepeinigten Schluchzen eines Kindes, das verzweifelt um Gnade winselte und doch wusste, dass sie ihm nicht gewährt werden würde. Andrej wusste, wessen Stimme es war. Er hatte sie im ersten Moment erkannt, schon oben auf der Burgmauer, als er sie das erste Mal gehört hatte. Bisher hatte er sich nicht erlaubt, sie zu erkennen. Aber jetzt konnte er die Augen vor der Wahrheit nicht länger verschließen. Es war Frederic, der schrie. Vor der Tür am anderen Ende des Ganges stand ein einzelner, sehr großer Mann, der ihnen ruhig und ohne die mindeste Furcht entgegenblickte. Andrej kannte ihn. Es war Vlad, Tepeschs Vertrauter, den er in der Rolle des Drachenritters kennen gelernt hatte. Er trug nun eine andere Rüstung, die aber kaum weniger barbarisch war als die Tepeschs, und Andrej spürte sofort, wie gefährlich dieser Mann war.

»Ich wusste, dass du kommst, Vampyr«, sagte Vlad.

»Ich habe schon eher mit dir gerechnet.«

»Ich wurde aufgehalten«, antwortete Andrej.

»Aber nun bin ich da.« Er hob das Schwert, das er einem der Toten oben in der Halle abgenommen hatte.

»Gibst du den Weg frei, oder muss ich dich töten?«

»Kannst du es denn?«, fragte Vlad ruhig, »oder brauchst du die Hilfe deines heidnischen Freundes? Ihr seid zu zweit.« Andrej machte eine Handbewegung.

»Abu Dun wird sich nicht einmischen. Wenn du mich besiegst, kannst du gehen.«

»Oh ja«, sagte Vlad höhnisch.

»Einen Mann, der nicht verletzt werden kann. Ihn zu besiegen ist schier unmöglich. Es ist kein sehr gutes Angebot, das du mir machst, Hexer.«

»Dann gib den Weg frei«, sagte Andrej.

»Und du lässt mich gehen?«, fragte Vlad zweifelnd. Sein Blick irrte unstet zwischen Andrej und Abu Dun hin und her. Andrej konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Hinter der Tür schrie Frederic gellend und so gepeinigt auf, dass Andrej fast das Blut in den Adern gefror.

»Gib den Weg frei und du lebst. Oder bleib stehen und stirb für deinen Herrn.«

»Für Tepesch?« Vlad machte ein abfälliges Geräusch.

»Bestimmt nicht.« Er steckte sein Schwert ein, lachte noch einmal kurz und bitter und ging dann hoch aufgerichtet an Andrej vorbei. Andrej wartete, bis er zwei Schritte hinter ihm war, dann drehte er sich herum, hob sein Schwert und stieß es Vlad ins Herz. Der dunkelhaarige Riese kippte wie vom Blitz getroffen zur Seite, prallte gegen die Wand und sackte kraftlos zusammen. Abu Dun keuchte. »Warum hast du das getan?«