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»Und ich weiß, was ich sehe.« Andrej riss sich los.

»Du irrst dich, wenn du glaubst, das ich dir dazu verhelfen könnte«, sagte er.

»Ebenso gut könnte ich von dir erwarten, mich so schwarz zu machen, wie du es bist.«

»Das glaube ich dir sogar, Deläny«, sagte Abu Dun.

»Also, hier mein Vorschlag: Ich setzte deine Leute im nächsten Hafen ab, von dem aus sie sicher in ihr Heimatdorf zurückkehren können. Sie bleiben unter Deck, und sie bekommen zu essen und zu trinken. Ich lasse ihre Ketten lösen, wenn du es wünschst, aber ich will sie nicht an Deck sehen. Die Reise wird vier oder fünf Tage dauern, allerhöchstens sechs. Sie sind dort unten besser aufgehoben als oben an Deck.«

»Und was verlangst du dafür?«, fragte Andrej misstrauisch.

»Ich hatte erhebliche Unkosten«, sagte Abu Dun.

»Ich habe für deine Leute bezahlt, Deläny. Sie essen und trinken und ich werde nichts für sie bekommen. Meine Mannschaft verlangt den Anteil an einem Gewinn, den ich nicht haben werde, und der Schwarze Engel weiß, was uns auf dem Weg die Donau hinauf erwartet. Du hast es selbst gesagt: Dein Freund Domenicus wird nicht begeistert sein, wenn er erfährt, das ich deine Familie nach Hause gebracht habe, statt sie auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen.«

»Anscheinend ist alles wahr, was man sich über arabische Markthändler erzählt«, stellte Andrej fest.

»Was willst du?«. Abu Dun lächelte.

»Dich«, sagte er. »Für ein Jahr. Du wirst bei mir bleiben, als mein Sklave und Leibwächter.«

»Ich bin kein Pirat«, sagte Andrej entschieden.

»Das bin ich auch nicht«, antwortete Abu Dun. »Jedenfalls nicht immer. Ich werde nicht von dir verlangen, das du gegen deine Landsleute kämpfst. Du wirst mein Leibwächter, mehr nicht. Ich werde dich ein Jahr lang beobachten und versuchen, hinter dein Geheimnis zu kommen. Nach einem Jahr kannst du gehen.«

»Und wenn ich ablehne?«, fragte Andrej.

»Dann machen wir weiter, wo wir gerade aufgehört haben«, antwortete Abu Dun ungerührt. »Wir werden kämpfen. Vielleicht wirst du mich töten, aber dann werden meine Männer dich töten, den Jungen und wahrscheinlich alle deine Leute. Vielleicht werde ich auch gewinnen und dann werden meine Krieger ausprobieren, wie unverwundbar du wirklich bist.« Er sprach ganz ruhig. In seiner Stimme war keinerlei Drohung. Aber er meinte die Worte auch ganz genau so, wie er sie sagte.

»Wenigstens bist du ehrlich«, sagte Andrej und stand auf. »Ein Jahr, nicht länger?«

»Von heute an gerechnet,« sagte Abu Dun.

»Dann haben wie einen Handel.« Der Himmel begann sich grau zu färben, als Frederic aus den Gefangenenquartieren zurückkehrte. Er war ungewöhnlich still und so weit Andrej das in dem blassen Licht erkennen konnte, hatte sich seine Gesichtsfarbe der des verhangenen Himmels über ihnen angepasst.

»Nun?«, fragte Andrej. Er hatte sich im Bug des Schiffes niedergelassen und die Beine an den Körper gezogen. Seine Kleider waren mittlerweile getrocknet und Abu Dun hatte ihm eine Decke gebracht, aber er zitterte trotzdem vor Kälte. Er würde nicht krank werden, das wußte er, aber seine Fähigkeit zu leiden war so groß wie die jedes anderen Menschen. In seiner Stimme war ein leises Zittern, von dem er sich einredete, das es hauptsächlich an der Kälte lag, die in Wellen von der Wasseroberfläche hochstieg. Frederic warf einen sehnsüchtigen Blick nach achtern, bevor er sich neben ihm niederließ. Keiner der Piraten hatte in dieser Nacht geschlafen. Die Männer hatten sich um ein Becken mit glühender Kohle geschart und Andrej konnte sich gut vorstellen, was j etzt in Frederic vorging. Auch er hätte eine Menge dafür gegeben, dort hinten in der Wärme zu sitzen. Die Vorstellung, das diese Männer für das nächste Jahr seine Kameraden sein würden, erschien ihm absurd. »Es ist schrecklich«, murmelte Frederic.

»Viele sind krank. Ich glaube, einige werden sterben.«

»Die Delänys sind zäh«, sagte Andrej.

»Du«, antwortete Frederic.

»Ich. Die meisten anderen nicht. Warum bist du nicht nach unten gekommen?« Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem er so viele Jahre gezögert hatte, nach Hause zu gehen, dachte Andrej. Diese Leute waren seine Familie. Manche von ihnen waren mit ihm verwandt; hätte er sich die Mühe gemacht, die Geschichte des Dorfes weit genug zurückzuverfolgen, hätte er vermutlich festgestellt: alle. Sie waren die einzige Familie, die er hatte. Und doch hatte er fast Angst vor dem Moment, in dem er sie wiedersehen würde.

»Es gibt einen Grund, aus dem ich damals weggegangen bin«, sagte er nach einer Weile.

»Ich weiß.« Frederic setzte sich neben ihn.

»Woher?«

»Weil ich ihnen gesagt habe, das du hier bist«, sagte Frederic.

»Sie sollen wissen, das du dein Leben riskiert hast, um sie zu retten. Obwohl sie dich damals davongejagt haben.«

»Sie wussten es nicht besser«, sagte Andrej.

»Vielleicht hätte ich nicht anders gehandelt, an ihrer Stelle.«.

»Sie sind Dummköpfe«, beharrte Frederic.

»Sie haben Angst vor uns, weil wir anders sind als sie.«

»Wir?«, fragte Andrej.

»Wir«, beharrte Frederic.

»Ich bin wie du, nicht wie diese undankbaren Narren. Ich habe ihnen gesagt was du getan hast, damit sie ihre Freiheit zurückbekommen. Man sollte meinen, das sie dankbar sind, aber ich habe nicht viel davon gespürt.«

»Menschen fürchten die Dinge, die sie nicht verstehen«, sagte Andrej.

»Das ist nun einmal so.«

»Abu Dun scheint das nicht so zu sehen.«

»Abu Dun ist Abu Dun«, sagte Andrej ausweichend.

»Er ist ... anders als die meisten Männer.«

»Und du bist ganz sicher, das du wirklich mit ihm gehen willst?«, erkundigte sich Frederic nachdem Andrej ihm von dem Handel erzählt hatte. Sicher? Nein, das war er ganz gewiss nicht. Ihm fielen auf Anhieb zahlreiche Dinge ein, die er lieber getan hätte. Trotzdem nickte er.

»Es ist am besten so. Du wirst sie nach Hause begleiten und ich werde nachkommen. Etwas später.«

»Nach einem Jahr!«

»Ein Jahr ist kurz«, sagte Andrej.

»Es bedeutet nicht viel. Für mich noch weniger als für die meisten anderen.«

»Du glaubst tatsächlich, das Abu Dun Wort hält«, sagte Frederic. »Er wird warten, bis er hat, was er von dir will, und dich dann töten.«

»Es ist nicht so leicht, mich zu töten.«

»Kann man dich ...« Frederic verbesserte sich.

»Kann man uns überhaupt töten?«

»Oh ja«, antwortete Andrej. Es war nicht das erste Mal, das Frederic versuchte, das Gespräch auf dieses Thema zu lenken. Bisher hatte Andrej es stets unterbunden. Frederic war viel zu jung. Er konnte einfach nicht mit allem fertig werden, was auf ihn einstürmte. Und da war noch etwas: Manchmal glaubte er, etwas Dunkles an dem Jungen zu spüren, das ihn erschreckte. Aber sie würden nicht mehr lange zusammen sein und es gab ein paar Dinge, die er Frederic sagen mußte.

»Es gibt viele Methoden, uns zu töten, Frederic. Wenn man dich enthauptet, bist du tot. Wenn man dir das Herz aus dem Leib reißt, bist du tot. Wenn man dich verbrennt, bist du tot ... Wir sind nicht unverwundbar, Frederic, und schon gar nicht unsterblich. Unsere Körper sind nur ...« Er suchte nach Worten.

»Erheblich widerstandsfähiger als die der meisten anderen. Unsere Wunden heilen schneller.«

»Wie bei einem Salamander, dem ein Schwanz oder ein Bein nachwächst, wenn man es ihm abschneidet«, sagte Frederic.