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«Danke, liebe Mrs. Banks, aber ich rauche nicht. Sicher fragen Sie sich, warum ich gekommen bin. Um ehrlich zu sein, ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich hatte Cora vor einigen Wochen versprochen, sie zu besuchen. Meistens habe ich sie einmal im Jahr gesehen, und in letzter Zeit hatte sie ja angefangen, auf Flohmärkten Bilder zu kaufen, und sie wollte, dass ich sie mir ansehe. Ich bin von Beruf Kunstkritiker, müssen Sie wissen. Die meisten Bilder, die Cora gekauft hat, waren natürlich schauerlich, aber im Grunde ist es gar kein so schlechtes Geschäft. Auf diesen Flohmärkten kann man Bilder ja für einen Appel und ein Ei bekommen, und oft sind die Rahmen allein schon mehr wert, als man dafür bezahlt. Zu den großen Auktionen gehen natürlich immer Kunsthändler hin, und Meisterwerke findet man kaum. Aber gerade neulich wurde beim Verkauf eines Bauernhofs ein kleiner Cuyp für ein paar Pfund versteigert. Die Geschichte dahinter war sehr interessant. Eine Kinderfrau hatte das Bild von der Familie geschenkt bekommen, bei der sie jahrelang gearbeitet hatte; niemand hatte eine Ahnung, wie wertvoll es in Wirklichkeit war. Die Kinderfrau gab es einem Neffen, der Bauer war und dem das Pferd darauf so gut gefiel, aber sonst hielt er es einfach für ein etwas ver-drecktes altes Bild. Doch, solche Sachen kommen manchmal wirklich vor, und Cora war überzeugt, dass sie einen Blick für Gemälde hatte. Leider stimmte das nicht. Letztes Jahr bat sie mich zu kommen, um mir einen Rembrandt anzusehen. Einen Rembrandt! Es war nicht mal eine halbwegs anständige Kopie von einem! Aber einmal hat sie einen ganz schönen Stich von Bartolozzi ergattert - leider hatte er ein paar Stockflecken. Ich habe es für dreißig Pfund für sie verkauft, und das hat sie natürlich noch mehr angespornt. Als Letztes schrieb sie mir ganz euphorisch von einem italienischen Primitiven, den sie auf einem Trödelmarkt gekauft hätte, und sie hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich ihn mir ansehe.»

«Wahrscheinlich meinte sie das da drüben», sagte Susan und deutete auf die Wand hinter sich.

Mr. Guthrie erhob sich, setzte sich die Brille auf und betrachtete den Stich.

«Die arme Cora», urteilte er nach einer Weile.

«Da sind noch viele andere», meinte Susan.

Mr. Guthrie begann eine eingehende Untersuchung der Kunstschätze, die Mrs. Lansquenet so hoffnungsvoll erworben hatte. Gelegentlich machte er ein verwundertes Geräusch, manchmal stöhnte er.

Schließlich nahm er die Brille wieder ab.

«Schmutz ist etwas Wunderbares, Mrs. Banks», erklärte er. «Es verleiht auch den schauderhaftesten Beispielen der Malerei eine romantische Patina. Ich fürchte, der Bartolozzi war reines Anfängerglück. Die arme Cora. Aber immerhin ist ihr Leben dadurch interessant geworden. Ich bin wirklich froh, dass ich ihr nicht ihre Illusionen rauben musste.»

«Im Esszimmer hängen auch ein paar Bilder», sagte Susan. «Aber ich glaube, die sind alle von ihrem Mann.»

Mr. Guthrie schauderte ein wenig und machte eine abwehrende Geste.

«Bitte zwingen Sie mich nicht, mir die noch einmal anzusehen. Aktklassen sind vieler Scheußlichkeiten Anfang! Ich habe mich aber immer bemüht, Coras Gefühle nicht zu verletzen. Sie war eine aufopferungsvolle Ehefrau - eine sehr aufopferungsvolle. Nun, meine liebe Mrs. Banks, ich darf Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.»

«Ach, bleiben Sie doch noch zum Tee! Ich glaube, er wird bald fertig sein.»

«Das ist sehr freundlich von Ihnen.» Ohne Umschweife nahm Mr. Guthrie wieder Platz.

«Ich schaue nur kurz nach.»

In der Küche holte Miss Gilchrist gerade ein letztes Backblech mit süßen Brötchen aus dem Ofen. Das Tablett mit den Teesachen war bereits gedeckt, der Deckel des Kessels klapperte leise.

«Ein Mr. Guthrie ist gekommen und ich habe ihn eingeladen, mit uns Tee zu trinken.»

«Mr. Guthrie? Ja, er war gut mit Mrs. Lansquenet befreundet, der lieben Seele. Er ist der berühmte Kunstkritiker. Was für ein Glück - ich habe reichlich süße Brötchen gebacken, und es gibt auch noch ein bisschen selbst gemachte Erdbeermarmelade, und dann habe ich noch schnell ein paar Buttertörtchen zusammengerührt. Ich gieße nur noch den Tee auf - die Kanne ist schon vorgewärmt. Aber bitte, Mrs. Banks, tragen Sie doch nicht das schwere Tablett. Ich komme gut allein mit allem zurecht.»

Ihrem Protest zum Trotz brachte Susan das Tablett ins Wohnzimmer, Miss Gilchrist folgte mit der Teekanne und dem Kessel. Nachdem sie Mr. Guthrie begrüßt hatte, bedienten sich alle von den aufgetischten Köstlichkeiten.

«Heiße süße Brötchen, was für ein Luxus!», schwärmte Mr. Guthrie. «Und so köstliche Marmelade. Kein Vergleich zu dem Zeug, das man heute zu kaufen bekommt.»

Miss Gilchrist errötete vor Freude. Die Buttertörtchen waren exzellent, ebenso wie die süßen Brötchen, und alle griffen herzhaft zu. Der Geist des Willow Tree hing in der Luft. Es war nicht zu übersehen, dass Miss Gilchrist hier in ihrem Element war.

«Ach, danke, vielleicht nehme ich es doch», sagte Mr. Guthrie, als Miss Gilchrist ihm das letzte Törtchen aufdrängte. «Obwohl ich ein etwas schlechtes Gewissen habe - so eine schöne Teestunde hier zu verbringen, wo die arme Cora so grausam ermordet wurde.»

Auf diese Bemerkung reagierte Miss Gilchrist mit unerwarteter viktorianischer Fortitüde.

«Aber Mrs. Lansquenet hätte gewollt, dass Sie einen guten Tee serviert bekommen. Sie müssen sich doch stärken!»

«Ja, ja, vielleicht haben Sie Recht. Aber wissen Sie, man kann einfach nicht glauben, dass jemand, den man kannte -persönlich kannte - ermordet worden ist!»

«Das ist wahr», stimmte Susan zu. «Es kommt einem - unglaublich vor.»

«Und noch dazu von einem Landstreicher, der einfach ins Haus eingebrochen ist und sie überfallen hat. Denn wissen Sie, ich könnte mir durchaus Gründe vorstellen, weswegen Cora hätte ermordet werden können .»

«Wirklich?» Susans Neugier erwachte sofort. «Welche Gründe sind das?»

«Nun, Diskretion war nicht gerade ihre Stärke», erklärte Mr. Guthrie. «Cora war nie diskret. Und es hat ihr Spaß gemacht -wie soll ich sagen? - zu zeigen, wie schlau sie war. Wie ein Kind, das ein Geheimnis kennt. Wenn Cora von einem Geheimnis erfuhr, dann wollte sie darüber reden. Selbst wenn sie versprochen hatte, wie ein Grab zu schweigen, hat sie es trotzdem ausgeplaudert. Sie konnte einfach nicht anders.»

Susan antwortete nicht, und auch Miss Gilchrist schwieg; sie wirkte ein wenig besorgt.

«Ja, eine kleine Dosis Arsen in ihren Tee - das hätte mich nicht gewundert», fuhr Mr. Guthrie fort, «oder eine vergiftete Schachtel Konfekt, die ihr zugeschickt wurde. Aber ein grausamer Raubüberfall - das passt so gar nicht. Ich mag mich täuschen, aber ich vermute, dass sie kaum etwas besaß, was einen Dieb hätte interessieren können. Sie hatte doch nicht viel Geld im Haus, oder?»

«Sehr wenig», sagte Miss Gilchrist.

Seufzend stand Mr. Guthrie auf.

«Ach, seit dem Krieg gibt es immer mehr Verbrecher. Die Zeiten sind anders geworden.»

Dann bedankte er sich für den Tee und verabschiedete sich höflich von den beiden Frauen. Miss Gilchrist brachte ihn zur Tür und half ihm in den Mantel. Durchs Wohnzimmerfenster sah Susan ihm nach, wie er mit flotten Schritten zum Gartentor ging.

Miss Gilchrist kehrte mit einem Päckchen in der Hand ins Zimmer zurück.

«Der Postbote muss hier gewesen sein, während wir bei der gerichtlichen Untersuchung waren. Er hat es durch den Briefschlitz gesteckt und es ist in die Ecke gefallen. Ich würde ja gerne wissen ... ach, das muss wohl ein Stück Hochzeitskuchen sein.»

Beglückt riss Miss Gilchrist das Papier auf, und eine weiße Schachtel mit einer silbernen Schleife kam zum Vorschein.

«Stimmt!» Sie löste das Band. In der Schachtel lag ein kleines Stück Früchtekuchen mit Marzipan und dickem weißem Zuckerguss. «Wie nett! Aber wer ...?» Sie schaute auf die beiliegende Karte. «John und Mary. Wer soll das denn sein? Wie dumm, dass sie nicht den Nachnamen hingeschrieben haben.»