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Seltsam, dass Cora am Tag vor ihrer Ermordung der Gedanke an Mord durch den Kopf gegangen sein sollte.

«Aber er ist doch ermordet worden, oder nicht?»

Es war Unsinn, so etwas zu behaupten. Absoluter Unsinn! Viel zu unsinnig, um Inspector Morton davon zu erzählen.

Natürlich, wenn er erst einmal mit Miss Gilchrist gesprochen hatte ...

Angenommen, Miss Gilchrist könnte etwas Licht darauf werfen, was Richard zu Cora gesagt hatte ... aber das war unwahrscheinlich.

«Ich dachte, nach dem, was er mir sagte ...» Was hatte Richard denn gesagt?

«Ich muss sofort zu Miss Gilchrist fahren», beschloss Mr. Entwhistle.

III

Miss Gilchrist war eine magere, verwelkte Frau mit kurzen, eisengrauen Haaren. Ihr Gesicht war von der unscheinbaren Art, wie man sie bei Frauen um die fünfzig oft sieht.

Sie begrüßte Mr. Entwhistle aufs Herzlichste.

«Ich bin ja so froh, dass Sie gekommen sind, Mr. Entwhistle. Ich weiß so wenig über Mrs. Lansquenets Familie, und natürlich habe ich noch nie im Leben etwas mit einem Mord zu tun gehabt. Es ist einfach entsetzlich!»

Mr. Entwhistle glaubte gern, dass Miss Gilchrist noch nie im Leben etwas mit einem Mord zu tun gehabt hatte. Ihre Reaktion war der seines Partners ganz ähnlich.

«Natürlich liest man über solche Sachen», fuhr Miss Gil-christ fort und verwies Verbrechen damit in die Welt, in die sie gehörten. «Aber selbst das tue ich nicht gerne. Die meisten sind doch so abscheulich.»

Während Mr. Entwhistle ihr ins Wohnzimmer folgte, sah er sich um. Im Haus hing unverkennbar der Geruch von Ölfarbe.

Das Cottage war überladen, weniger mit Möbeln - die ziemlich genau der Beschreibung Inspector Mortons entsprachen - als vielmehr mit Bildern. Die Wände wirkten wie tapeziert mit Gemälden, vorwiegend sehr dunklen und schmutzigen Ölbildern. Aber es gab auch Aquarell skizzen und ein oder zwei Stillleben. Auf der Fensterbank lagen Stapel kleinerer Gemälde.

«Mrs. Lansquenet hat sie auf Flohmärkten gekauft», erklärte Miss Gilchrist. «Das war ihr Steckenpferd. Die arme Seele. Sie hat alle Flohmärkte in der Umgebung abgegrast. Heutzutage sind Bilder billig zu haben, für ein Butterbrot. Sie hat nie mehr als ein Pfund bezahlt, manchmal nur ein paar Shilling, und sie meinte immer, vielleicht würde sie einmal was wirklich Wertvolles finden. Bei dem hier sagte sie, es wäre ein italienischer Primitiver, der sehr viel wert sein könnte.»

Skeptisch betrachtete Mr. Entwhistle den italienischen Primitiven, den Miss Gilchrist ihm zeigte. Im Grunde hatte Cora von Malerei überhaupt nichts verstanden, dachte er sich. Er würde einen Besen fressen, wenn irgendeine dieser Klecksereien mehr als fünf Pfund wert wäre!

«Ich persönlich kenne mich damit nicht aus», plauderte Miss Gilchrist weiter. Sie hatte seinen zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkt. «Obwohl mein Vater Maler war - kein sehr erfolgreicher, wie ich leider sagen muss. Aber als junges Mädchen habe ich selbst Aquarelle gemalt, und ich habe viele Leute über Malerei reden hören. Für Mrs. Lansquenet war es schön, jemanden zu haben, mit dem sie sich über Kunst unterhalten konnte und der etwas davon verstand. Die Arme, sie hat sich für alles interessiert, was mit Kunst zusammenhing.»

«Sie mochten sie gerne?»

Eine dumme Frage, schalt er sich. Undenkbar, dass sie mit Nein antworten würde! Es war sicher nicht leicht gewesen, mit Cora zusammenzuleben.

«Aber ja», beteuerte Miss Gilchrist. «Wir haben uns großartig verstanden. Wissen Sie, in mancher Hinsicht war Mrs. Lansquenet wie ein Kind. Sie sagte alles, was ihr in den Kopf kam. Ihr Urteil war vielleicht nicht immer das sicherste ...»

Man sagt nicht von einer Toten: «Sie war eine durch und durch törichte Frau.» Mr. Entwhistle begnügte sich mit: «Sie war bestimmt keine Intellektuelle.»

«Nein, vielleicht nicht. Aber sie war sehr schlau, Mr. Entwhistle. Wirklich sehr schlau. Manchmal hat sie mich regelrecht überrascht - wie sie oft den Nagel auf den Kopf getroffen hat.»

Mr. Entwhistle betrachtete Miss Gilchrist aufmerksam. Sie war auch nicht auf den Kopf gefallen, dachte er sich.

«Sie waren schon seit einigen Jahren bei Mrs. Lansquenet, nicht wahr?»

«Dreieinhalb Jahre.»

«Sie ... äh ... Sie waren ihre Hausdame und haben sich auch ... äh ... um den Haushalt gekümmert?»

Es war unverkennbar, dass er damit ein heikles Thema angesprochen hatte. Miss Gilchrist errötete ein wenig.

«Aber ja. Ich habe meistens gekocht - ich koche sehr gerne -, gelegentlich Staub gewischt und leichte Hausarbeiten gemacht. Nichts Grobes, verstehen Sie.» Miss Gilchrists Tonfall war zu entnehmen, dass es ihr dabei um ein Prinzip ging. Mr. Entwhistle wusste zwar nicht, was sie mit «Grobem» meinte, murmelte aber begütigend.

«Dafür ist Mrs. Panter aus dem Dorf gekommen, regelmäßig zweimal die Woche. Wissen Sie, Mr. Entwhistle, ich hätte mir nie vorstellen können, eine Dienststelle anzunehmen. Als ich meinen kleinen Teesalon aufgeben musste ... das war eine Katastrophe. Der Krieg, wissen Sie. Ein reizender Salon. Er hieß Willow Tree, so habe ich ihn genannt, und das ganze Geschirr hatte ein blaues Weiden-Muster - wirklich entzückend -, und die Kuchen waren einfach köstlich. Kuchen backen, das konnte ich immer schon gut. Doch, der Salon lief sehr gut, aber dann ist der Krieg gekommen, die Lebensmittel wurden knapp und der Salon ging Bankrott - ein Kriegsopfer, sage ich immer und versuche auch, es als Kriegsopfer zu sehen. Ich hatte das bisschen Geld, die Erbschaft von meinem Vater, in den Salon gesteckt, und das war dann natürlich alles weg, und so musste ich mich nach etwas anderem umsehen. Ich habe keine Ausbildung bekommen. Also bin ich zu einer Dame ins Haus gegangen, aber das sagte mir überhaupt nicht zu - sie war ausgesprochen unhöflich und anmaßend -, und dann habe ich eine Zeit lang im Büro gearbeitet, aber das gefiel mir nicht. Und dann bin ich zu Mrs. Lansquenet gekommen, und wir haben uns auf Anhieb verstanden - ihr Mann war ja auch Maler gewesen.» Miss Gilchrist brach atemlos ab und fügte dann traurig hinzu: «Aber mein schöner kleiner Teesalon, ach, ich habe ihn geliebt. Und die Gäste waren immer so fein!»

Während Mr. Entwhistle Miss Gilchrist betrachtete, sah er plötzlich eine ganze Welt vor sich auferstehen - eine Welt von Hunderten damenhafter Gestalten, die ihn in unzähligen Teesalons mit Namen wie Bay Tree, Ginger Cat, Blue Parrot, Willow Tree und Cosy Corner bedienten, alle adrett in blaue, rosaoder orangefarbene Kittel gekleidet, und Bestellungen für ein Kännchen grünen Tee und Gebäck entgegennahmen. Miss Gilchrist hatte ein spirituelles Zuhause gehabt - einen damenhaften Teesalon mit altmodischem Charme und entsprechend kultivierten Gästen. Es musste in England eine große Zahl von Miss Gilchrists geben, überlegte er, die sich alle ähnlich sahen, mit geduldigem, langmütigem Gesicht, unbeugsamer Oberlippe und etwas dünnem grauem Haar.

«Aber ich sollte nicht so viel über mich reden», fuhr Miss Gilchrist fort. «Die Polizei ist sehr freundlich und rücksichtsvoll gewesen. Wirklich sehr freundlich. Ein Inspector Morton vom Hauptrevier war hier und war überaus verständnisvoll. Er wollte sogar, dass ich die Nacht bei Mrs. Lake hier in der Straße verbringe, aber das habe ich abgelehnt. Ich empfand es als meine Pflicht, hier im Haus zu bleiben, bei all den hübschen Sachen von Mrs. Lansquenet. Sie haben die ... die ...», Miss Gilchrist schluckte ein wenig, «die Leiche weggeholt und das Zimmer versiegelt, und der Inspector sagte mir, dass ein Polizeibeamter die ganze Nacht in der Küche Wache stehen würde - wegen des eingeschlagenen Fensters ... heute Morgen ist es ersetzt worden, Gott sei Dank! ... Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, also sagte ich, ich wäre in meinem Zimmer gut aufgehoben, obwohl ich gestehen muss, ich habe die Kommode vor die Tür geschoben und einen großen Krug Wasser aufs Fensterbrett gestellt. Man weiß ja nie ... und wenn es wirklich ein Verrückter war . man hört ja immer wieder von solchen Sachen .»