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„…und als Dessert – Kaffee nach Warschauer Art und ein Oktober-Eis…“

„Ist das Eis mit Nüssen?“ Plötzlich lebte Polja auf.

„Ja, mit Nüssen, Himbeer-Erdbeer-Sirup und Ananas-Scheiben“, antwortete der Oberkellner, während er der Fragenden in die grünen Augen sah und in Gedanken ihren guten Geschmack bewunderte – das smaragdgrüne Kleid passte unglaublich gut zu ihren Augen.

„Ist alles so in Ordnung?“ Mit Mühe wandte der Oberkellner seinen Blick wieder dem Mann mit dem interessanten Muttermal auf der Wange zu.

„Ja“, antwortete Siljin bestimmt.

Der Oberkellner nickte höflich und entfernte sich vom Tisch. Das Restaurant war noch recht leer, das ließ sich jedoch leicht erklären – noch war es nicht Zeit für die üblicherweise eher späten Mahlzeiten. Siljin sah auf die Uhr und blickte erwartungsvoll zur Tür, die ins Restaurant führte, und da belebte sich auch schon sein Gesicht: Er hatte diejenigen erblickt, die er ungeduldig erwartet hatte: seinen langjährigen Bekannten, den Direktor der Möbelfabrik „Rotes Holz“, mit dessen Frau Schenetschka sowie Poliwanow, den Parteisekretär seiner Fabrik, mit dessen „ewiger“ Verlobten Sonja. Sie standen im weitläufigen Eingangsbereich und suchten ihn mit ihren Blicken, konnten ihn aber im von Palmen umsäumten Versteck nicht sehen. Siljin erhob sich und eilte auf sie zu. Da endlich bemerkten sie ihn, lächelten erfreut und kamen ihm entgegen.

Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, atmete Siljin erleichtert auf.

„Also…“, Grigorij Markelowitsch wollte ein Gespräch beginnen, aber irgendwie fiel ihm nicht ein, wie er anfangen sollte. „Und wir dachten, dass wir uns verspäten… Dabei waren wir die ersten…“

„Ja, entschuldige, du weißt selbst, wie das bei uns ist“, sagte der Direktor des „Roten Holzes“, Eduard Beketow, mit seiner Bassstimme. „Ich selbst war schon fertig, dann hat Schenetschka irgendetwas verloren und“, er blickte sich nach seiner Frau um, „da hieß es dann warten.“

Siljin lächelte und warf seiner Gattin einen leicht boshaften Blick zu.

Der Oberkellner eilte an den Tisch.

„Oh, verzeihen Sie, ich habe Sie nicht bemerkt!“ Sein Gesicht drückte aufrichtige Betroffenheit aus. „Sofort, nur eine Sekunde“, aufmerksam musterte er noch einmal das Tischgedeck und schlug die Hände zusammen, während er sich betreten fragte: „Wo sind denn die Madeiragläser?!“

Und dabei sah er Siljin an.

„Die Damen werden doch Madeira trinken, und Sie – einen Wodka vielleicht? Zwei ‚Kubaner‘ und zwei ‚Perzowka‘? Ja?“

„Ja!“ Parteisekretär Poliwanow tat erfreut einen tiefen Atemzug. „Es gehört sich doch, mit Wodka zu beginnen…“

Der Oberkellner verschwand, erschien sogleich wieder mit einem Tablett und stellte offene Karaffen auf den Tisch – eine aus blauem Glas, die andere aus Kristall.

„In der blauen ist ‚Kubaner‘, und hier der ‚Perzowka‘“, erklärte er und stellte, ohne einen Blick darauf zu verwenden, das leere Tablett auf dem seitlich stehenden Beistelltischchen ab. Schon erschien in seinen Händen eine Flasche Madeira und mit geschmeidiger Geste, in einer ausgeklügelten Verrenkung des Arms mitsamt der Flasche, füllte er die Aperitifgläser der Damen, dann schenkte er den Herren Wodka ein – jedem das, was er wünschte. Hierauf verschwand er wieder.

„Also, Kandidat“, begann Beketow und erhob sein Glas. „Auf deinen Wahlsieg! Mögest du uns im Obersten Sowjet vertreten!“

Sie stießen freundschaftlich miteinander an, tranken aus und sahen sich suchend nach der Vorspeise um.

„Hier, es ist schon alles da…“, geschwätzig beantwortete der Oberkellner die stumme Frage in den Augen seiner Gäste und stellte ein Tablett mit kleinen Tellern, Salaten sowie kleinen Schälchen mit Oliven auf den Tisch.

Ohne eine Atempause nach dem Wodka einzulegen, machten sich die Gäste über die Vorspeisen her, verschlangen mit Appetit den Kartoffelsalat und freuten sich besonders, wenn sie darin ein Stückchen Krabbe erwischten.

Es entspann sich ein Gespräch, das von Zeit zu Zeit zu dem Kandidaten Siljin zurückkehrte, wonach jedes Mal die Gläser aufs Neue gefüllt wurden. Aber die Toasts berührten inzwischen nicht mehr das eigentliche Thema, sondern wurden immer abwechslungsreicher.

„Kürzlich habe ich daran gedacht, wie wir zusammengearbeitet haben“, begann Beketow und sah ernst in die Augen von Grigorij Markelowitsch. „Du erinnerst dich doch, Grischa… Weißt du noch, jener Unfall?“

Siljin wurde bekümmert. An diesem ruhmreichen Tag wollte er nicht an die schwierigen Arbeitstage in der Vergangenheit denken. Natürlich erinnerte er sich an jenen Unfall. Damals brannte in einer Kammer ein Pfosten durch, aus dem heiße Luft entwich. Danach gab es einen Einsturz. Wie viel Mühe und Nerven hatte das gekostet, nur Siljins richtige Entscheidung und die Unterstützung durch den Werksleiter Korolew hatten die Lage gerettet. Beketow war damals der Parteisekretär des Werks gewesen und hatte die volle Unterstützung des Parteikomitees versprochen – er vertraute ebenfalls Siljins Idee, die Kammer voll heißer Luft abzusperren und sie für einige Stunden mit Wasser zu füllen, um sie, sobald sie abgekühlt war, im laufenden Betrieb, wie man sagte, zu reparieren. Ja, dachte Siljin, das waren schwierige Zeiten…

Die Suppen wurden gebracht. Das Gespräch verstummte. Auf der Bühne erschien ein kleines Orchester – fünf Personen. Das Restaurant füllte sich allmählich mit Besuchern. Gesprächsfetzen hingen in der Luft und bereicherten die Atmosphäre des Abends mit Freude und Leid von irgendwelchen Menschen. Gleich hinter den Palmen feierte eine Gruppe von Konditormeistern mit ihren Familien das Jubiläum ihrer Fabrik. Immerzu erwähnten sie Fachbegriffe, und Polja, die mit dem Rücken zu ihnen saß, schien es, als schmeckte sowohl die Luft, die sie atmete, als auch die Kartoffelsuppe mit Stör, die sie aß, ein wenig süßlich, so als ob ringsum alles unmerklich von einer Schicht feinster Vanille überzogen wäre.

Die ewige Verlobte Poliwanowa, die Lehrerin an einer Abendschule war, drehte, während sie Suppe aß, ihren Kopf einmal nach links, einmal nach rechts ins Halbprofil, da sie auf diese Art ihren Tischnachbarn die neuen Goldohrringe mit den tropfenförmigen Rubinen zeigen wollte. Das ärgerte Polja ein wenig, aber sie ließ sich nichts anmerken und tat sogar so, als ob sie Sonjetschkas Ohrringe gar nicht bemerken würde.

Wieder erschien der Oberkellner, füllte höchstpersönlich die Gläser, beugte sich dann zu Siljin hinunter und flüsterte:

„Entschuldigen Sie vielmals, war das Ihr Bild, das gestern in der ‚Prawda‘ abgedruckt war? Eine Kellnerin hatte die Zeitung in der Arbeit mit…“

„Ja, das war meines“, antwortete Grigorij Markelowitsch zwar nicht flüsternd, aber doch leise.

Der Oberkellner, der seitlich vom Kandidaten stand, fuhr sich über die Lippen, als ob er über die nächste Frage nachdenken würde. Aber da erschien ein etwas klein geratener Mann in Lackschuhen und schwarzem Smoking auf der Bühne.

„Ich bitte Sie um eine Minute Aufmerksamkeit!“, sagte er laut und mit ein wenig dünner Stimme, reckte dabei das Kinn höher als üblich empor und überblickte den Saal.

Es wurde still. Der Mann, der die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, klatschte in die Hände und eine mädchenhafte Frau in einem Zirkuskostüm, offenbar seine Assistentin, brachte einen Käfig mit einem großen blaugrünen Papagei auf die Bühne.

„Bitte sehr!“, rief der Mann laut aus und öffnete die Käfigtür.

Der Papagei kletterte heraus, hielt sich mit seinen Krallen am Arm des Mannes fest und drehte den Schnabel nach allen Seiten.

„Bitte sehr!“, wiederholte der Mann. „Sie werden staunen über diesen hochgebildeten Vogel, den ich hier für Sie habe… Also, Kusma, trag vor, was du für uns gelernt hast!“