Выбрать главу

„Schön ist es hier“, lobte er die Einrichtung.

„Ja, ich liebe Ordnung in allem“, nickte der Hausherr. Der Sekretär ließ Pawel am Tisch Platz nehmen und weckte seine Frau, die, wie sich herausstellte, ein Schläfchen im anderen Zimmer gehalten hatte. Sie begrüßte den Gast und huschte in den Hof, um frisches Gemüse zu holen.

„Sie ist eben erst von der Arbeit heimgekommen“, entschuldigte sich der Sekretär für sie. „Sie ist Melkerin, sie steht in aller Herrgottsfrüh auf; da ist sie natürlich müde.“

Der Abend kam schnell. Es verstand sich von selbst, dass Pawel und der Sekretär tranken, aber nicht schweigsam und griesgrämig, so wie die Leute früher vor der Revolution getrunken hatten, sondern lebhaft und im Gespräch, damit es der menschlichen Weiterentwicklung zugute käme. Kowalenkows Frau zeichnete sich durch ein gutes Wesen und durch Gehorsam aus, aber als das Gespräch auf die Viehwirtschaft kam, brachte sie dennoch ihre Meinung ein, was Pawel sehr gefiel. Sie sagte, dass er als Kontrolleur bei der Überprüfung der Viehbetriebe unbedingt auf die Sauberkeit der Arbeitsplätze der Melkerinnen achten müsse und besonders auf die Reinheit ihrer Hände, da einige von ihnen ihre Hände erst nach der Arbeit waschen, die Euter der Kühe aber mit schmutzigen Händen anfassen würden; da Kühe jedoch ebenfalls Sauberkeit liebten, würden sie sich weigern, bei diesen Melkerinnen Milch zu geben.

Da Pawel nicht zu trinken gewohnt war, brummte ihm am Morgen etwas der Schädel, aber der fürsorgliche Sekretär brachte ihm ein Glas mit starkem Salzwasser, und die Sinne seines Gastes wurden wieder klarer.

Er zog sich an und blickte auf die Straße hinaus, wo die Sonne strahlte und die Natur noch immer in ihrer Kraft geblieben war, obwohl die kalte Zeit bevorstand. Gleich hinter dem Tor stand ein blitzsauberes, schwarzes Automobil. Der Fahrer, der eine braune Lederjacke trug, döste hinter dem Steuer.

„Das ist für Sie!“, ertönte hinter seinem Rücken die Stimme Kowalenkows. „In aller Früh schon holt man Sie ab. Der arme Chauffeur konnte sich gar nicht ausschlafen.“

„Na, dann soll er noch eine Weile schlafen…“, sagte Pawel, der das gastfreundliche Haus nicht so recht verlassen wollte; außerdem war er besorgt darüber, dass er seinen Heimatort und seine Familie auf unbestimmte Zeit nicht wiedersehen würde. Obgleich er die Notwendigkeit dessen, was geschah, einsah, gab es in seinem Inneren doch einen kleinen Mann, für den das Gefühl von Verantwortung fremd war, der seine Frau Manjascha mehr als die Heimat liebte, weswegen dieser von Pawel in Gedanken sehr oft, um nicht zu sagen beinahe täglich, gescholten wurde. Und auch jetzt beschimpfte Pawel dieses Männchen in ihm mit einem Wort, das er noch nie laut ausgesprochen hatte. Und das Männchen verstummte und verkroch sich beleidigt.

Auf der Straße strahlte die Sonne. Das Wetter war grenzenlos optimistisch, ganz im Einklang mit der Zeit. Dobrynin ging hinaus in den Hof, direkt auf den Wagen zu.

„Viel Glück!“, rief ihm der Sekretär hinterher, der auf der Schwelle seines Hauses stand.

Pawel blickte zurück und winkte zum Abschied. Der Fahrer selbst öffnete den Wagenschlag und nachdem sein Passagier Platz genommen hatte, startete er den Motor.

Kapitel 4

Der Deserteur Sergunkow stolperte durch den nächtlichen Wald und verhedderte sich dabei häufig in seinem merkwürdigen, neuen Gewand. Innerlich war er ruhig, er kannte die Trägheit seiner ehemaligen Kollegen aus dem RotarmistenSondertrupp zur Ergreifung entflohener Kolchosbauern. Als jedoch eine Windstille das vertraute Rauschen des Waldes verstummen ließ, war die Stille, die nun stattdessen herrschte, zum Zerreißen gespannt. Besonders unangenehm war für Sergunkow das Geräusch der Zweige, die unter seinen Füßen knackten. Bei jedem Knacken blieb der ehemalige Rotarmist erschrocken stehen und wandte sich unaufhörlich nach allen Richtungen um. Aber ringsum standen nur die vom Mond beleuchteten Baumstämme bewegungslos im Halbdunkel, und auch sie erschreckten ihn immer wieder, da sie ihm wie Feinde erschienen, die sich verbargen.

So ging Sergunkow also dahin, und es tat ihm leid um den Laib Brot, den er ganz offenbar aus Dummheit bei dem offensichtlich ungleichen Tausch zu seiner Uniform dazugegeben hatte. An allem war die Nacht schuld, denn wenn es heller gewesen wäre, dann hätte er niemals seine gute Rotarmistenuniform gegen diesen Stoff mit Halsausschnitt getauscht. Aber was geschehen war, war geschehen, und wenn der Magen nicht gar so unangenehm leer gewesen wäre, dann hätte er vielleicht auch an etwas anderes denken können.

Wieder knackte ein Zweig unter seinem Fuß, und wieder erstarrte Sergunkow und wartete ab. Da hörte er das Echo eines fernen Schusses, was ihn Gänsehaut bekommen ließ. Seine Ruhe war dahin. Zu allem Überfluss blieb, nachdem das Echo in der Nacht verhallt war, ein kaum vernehmbares Summen zurück, das, wie es schien, lauter und lauter wurde und sich plötzlich in das Pfeifen einer Kugel verwandelte, weshalb sich Sergunkow augenblicklich auf die Erde warf und sich zu Boden presste.

Das Pfeifen hielt an, war aber nicht mehr so scharf wie üblicherweise bei einem Schuss, sondern eher verhalten. Als der Deserteur den Kopf hob, sah er über sich eine Kugel fliegen. Sie flog so langsam, dass der erschrockene Sergunkow sie mit seinem Blick verfolgen konnte und zuletzt noch wahrnahm, wie sie plötzlich ein wenig nach links schwenkte und nach oben strebte, in die Kronen der Kiefern.

Was er gesehen hatte, verstörte Sergunkow zutiefst. Er sank zu Boden und konnte nicht mehr aufstehen. Die Stille, die nun wieder eingekehrt war, vermochte ihn nicht zu beruhigen und seine aufgewühlten und wirren Gedanken nicht von dieser seltsamen Kugel abzulenken. Er saß also da und wartete darauf, dass die Nacht zu Ende ging. Während er so dasaß, fiel er immer wieder in einen leichten Schlaf, um dann von einem plötzlichen Frösteln wieder geweckt zu werden, das von der Kälte der Nacht herrührte. Als er zum wiederholten Mal aufgewacht war und sich alles in ihm vor Kälte zusammengezogen hatte, hörte er deutlich das Knacken von Zweigen, und er hielt den Atem an. Das Knacken verstummte, dafür aber drang ein anderes Geräusch an seine Ohren. Angespannt starrte Sergunkow in die Dunkelheit und sah, wie sich drei weiße Flecken näherten. Eigentlich wollte er nur auf und davon, aber seine Kräfte hatten ihn verlassen. Vor lauter Verdruss über sein glückloses Schicksal fing er an zu weinen. Während er weinte, bemerkte er, wie vor ihm auf der Erde zwei nackte Füße auftauchten. Er hob den Kopf und sein Blick kreuzte den eines hochgewachsenen, breitschultrigen, weiß gekleideten Mannes, der ihn scharf und feindselig ansah. Hinter dem Rücken dieses Mannes standen noch zwei andere.

„Steh auf!“, sagte der Mann mit kalter Stimme, die ihn frösteln ließ. Sergunkow erhob sich langsam. „Kennst du dein Vergehen?“, fragte der Mann in Weiß und sah Sergunkow geradewegs in die Augen.

Der Deserteur nickte. Das Gefühl des nahen Todes verschaffte ihm kalte Füße. Ein Schauer durchfuhr ihn. Und wieder kam ihm der in diesem Moment so dumme Gedanke an den Laib Brot, den er in fremde Hände gegeben hatte.

„Na gut“, sagte der Mann müde. „Wir besprechen es dort!“ Und er nickte zum Himmel, wo noch immer der Mond hing, der langsam seine Farbe wechselte – zum blassen Gelb kam eine blutige Färbung hinzu.

Auch Sergunkow blickte zum Himmel und auf den Mond. Und dachte an seine Mutter, die in Pskow lebte.

„Folge mir“, befahl der Mann in Weiß, und der Deserteur folgte gehorsam. Die beiden anderen Männer gingen links und rechts von ihm, und auf diese Weise begriff Sergunkow, dass er nicht an die Roten geraten war, sondern an andere, da die Eskortierenden bei der Roten Armee immer hinter dem Gefangenen gingen. Aber diese Entdeckung bereitete ihm keine Freude.

„Warum hast du das getan, Bruder?“, fragte einer der Eskortierenden in Weiß flüsternd; es war derjenige, der rechts von ihm ging.