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Und während er noch über die Axt nachsann, kam schon der Bahnhof in Sicht. Der Zug fuhr langsam ein. Pawel saß geduldig und ergeben auf der unteren Liege seines Abteils, in dem er die ganze Fahrt ohne Reisegefährten verbracht hatte.

Endlich hielt der Zug an.

Nachdem Pawel der Schaffnerin zum Abschied zugenickt hatte, stieg er aus dem Zug und sah um sich, wovon ihm sogleich schwindlig wurde. Schließlich war das etwas ganz anderes, als im Dorf oder auf einem Feld um sich zu blicken: ringsum mehrstöckige Häuser, Laternenmasten, die doppelt so hoch waren wie die im Dorf, Geräusche, Farben, ein Schwirren von Menschen und Autos. Das war es, wovon ihm schwindelte.

„Das ist er! Das ist er!“, erklang in der Nähe ein freudiger Aufschrei.

Pawel drehte sich um und erblickte einen atemlosen jungen Mann in einem graufarbenen Anzug mit Schirmmütze und einem Fotoapparat in der Hand. Während er ihn noch betrachtete, kamen drei weitere dazu. Und hinter ihnen am Bahnsteig entlang rollte lautlos ein schwarzes Automobil heran, das glänzte wie blank geputzte Stiefel.

„Erzählen Sie von sich! Das ist für die ‚Iswestija‘!“ Einer der Herankommenden hielt ein Notizbuch und einen Stift in der Hand.

„Ich wurde im Dorf Kroschkino in einer armen Familie geboren…“, sagte Dobrynin und beobachtete dabei aufmerksam das näher kommende Automobil. „Und jetzt bin ich verheiratet und habe zwei Kinder: Darjuschka und Petka…“

„Sagen Sie für die ‚Stalnaja Magistral‘“, bat der Bursche im grauen Anzug und der Schirmmütze, „wie hat man das Ihnen erwiesene Vertrauen in Ihrer Kolchose aufgenommen?“

„Gut hat man es aufgenommen…“ Pawel nickte und sah, wie aus dem Auto, das hinter den Korrespondenten stehen geblieben war, zwei würdevolle Männer ausstiegen. Einer von ihnen rückte seine bordeauxrote Krawatte zurecht, die verrutscht war, und der zweite beugte sich zum Wagenfenster hinunter und holte einen Strauß roter Nelken heraus. Hierauf blieben sie hinter den Korrespondenten stehen und warteten offensichtlich das Ende des Interviews ab.

„Wie hat Ihnen die Zugreise in die Hauptstadt gefallen?“, fragte der dritte Korrespondent.

„Gut…“, räumte Dobrynin ein.

„Sind Sie schon vorher einmal mit einem Zug gefahren?“

„Nein“, antwortete Dobrynin.

„Kommen Sie zu einem Ende, Genossen Journalisten!“, sagte da plötzlich einer der Männer, die mit dem Wagen gekommen waren, streng, aber respektvoll. „Genosse Dobrynin muss sich von der Reise erholen. Er hat noch viel zu tun. Ich bitte um Ihr Verständnis!“

Die Korrespondenten hatten offensichtlich sofort verstanden, und sie entfernten sich, nachdem sie sich verabschiedet und alles Gute gewünscht hatten.

„Im Namen der Führung unseres großen Vaterlandes begrüßen wir Sie in der Hauptstadt“, sagte der Mann und überreichte Pawel den Strauß Nelken. „Wir bringen Sie jetzt zu Ihrer Dienstwohnung. Dort können Sie sich ein wenig ausruhen, und später holen wir Sie ab und dann – auf zum Kreml.“

Das glänzende schwarze Auto war innen so geräumig wie die Diele einer ordentlichen Hütte. Pawel drückte sich an die Scheibe des hinteren Wagenschlags und verfolgte immer noch die vorbeihuschenden Gebäude und Szenen des städtischen Lebens. Er sah träge zu, und sein Blick belebte sich nur dann, wenn das Auto an einer Kreuzung anhielt und Pawel die Möglichkeit bekam, ein Stück der Hauptstadt im stolzen Zustand des Stillstandes zu sehen. Dieser Stillstand war gleichwohl relativ, denn auf demTrottoir vor den Gebäuden gingen freie sowjetische Menschen ungerührt ihren Angelegenheiten nach und hegten keinerlei Verdacht, dass sie durch ihre Bewegung dem Eindruck, den ein Besucher von der Hauptstadt bekam, einen besonderen Akzent verliehen.

Das Auto hielt sich freilich nicht lange an Kreuzungen auf, sondern bog sehr bald in eine enge Gasse ein, fuhr an einem salutierenden Milizionär vorbei und hielt im Hof eines stattlichen Gebäudes aus Stein, dessen Haupteingang zwei Statuen von Arbeitern zierten.

„Da sind Sie auch schon zu Hause!“, sagte der würdevolle Mann in süßlichem Tonfall und rückte die zur Seite gerutschte bordeauxrote Krawatte wieder zurecht.

„Viktor Stepanowitsch“, wandte sich der zweite würdevolle Mann an den ersten. „Diese Krawatte ist bei Gott keine Dose Heringe wert! Petrenko hat dich übers Ohr gehauen! Gib sie besser zurück.“

Der erste, eben dieser Viktor Stepanowitsch, schaute seinen Kollegen streng an und schüttelte den Kopf.

„Petrenko hat mich nicht übers Ohr hauen können“, sagte er. „Steigen Sie aus, Genosse Dobrynin.“

Pawel und Viktor Stepanowitsch stiegen in den zweiten Stock hinauf. Der diensthabende Hausmeister folgte ihnen, und nachdem er die Wohnung Nummer drei aufgeschlossen hatte, überreichte er Dobrynin den Schlüssel.

„Also, treten Sie ein, sehen Sie sich um…“, sagte Viktor Stepanowitsch. „Und ich binde inzwischen diese dumme Krawatte neu.“

Pawel stellte seinen Reisesack auf den Fußboden, zog im Vorzimmer die Stiefel mitsamt den Fußlappen aus und wollte schon barfuß gehen, aber da bemerkte er drei Paar Pantoffeln in verschiedenen Größen, die in einer Reihe standen. Er schlüpfte in das nächstbeste Paar und trat ein.

Die Wohnung war riesig. Bei jedem Blick zur Decke wurde ihm schwindlig, und Pawel beschloss, nicht mehr nach oben zu schauen. In der Mitte des größten Zimmers stand ein Tisch, vor einer Wand ein Sofa sowie zwei Sessel, vor einer anderen eine spiegelblank geputzte Anrichte mit gemustertem Glas, die drei Jubiläumsvasen mit irgendwelchen Daten und Aufschriften enthielt.

„Nun, wie gefällt es Ihnen hier?“, fragte Viktor Stepanowitsch, als er ins Zimmer kam.

„Ja, es ist fein…“ Pawel wandte sich um.

„Und jetzt kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Arbeitszimmer.“

Sie gingen über einen kurzen Flur und traten durch eine niedrige Tür. Das Zimmer, das sich vor Pawels Augen auftat, war kleiner als das erste, aber bei weitem attraktiver als jenes, da drei seiner Wände mit Bücherschränken verstellt waren und vor dem breiten, hellen Fenster ein wuchtiger Schreibtisch stand, und seine Augen durften sich an einer Schreibtischlampe mit grünem Lampenschirm, an Schreibgeräten und einem respekteinflößenden Telefonapparat erfreuen.

„Hier gibt es eine Sammlung unserer Klassiker“, setzte Viktor Stepanowitsch seine Erläuterungen fort. „Das ist für die Arbeit und zum Nachschlagen. Merken Sie sich, dass Sie über alle Werke von Lenin, Marx und Engels verfügen, alle übrigen Autoren können Sie über das Telefon mittels Direktverbindung bestellen, sollte das nötig sein. Nun, ich denke, es ist alles klar…“

Plötzlich wurde Viktor Stepanowitsch vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Er eilte zum Telefon und nahm den Hörer ab.

„Ja… ja, ich bin’s…“, sagte er zu jemandem, sah daraufhin Dobrynin an und machte mit der linken Hand eine nicht ganz verständliche Geste. „Ja… ich denke, nicht lange…“, fuhr er fort.