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Sie senkte ihre Stimme fast zu einem Flüstern und fuhr fort. »Rand al'Thor scheint zu glauben, er habe in der Weißen Burg Unterstützung irgendwelcher Art, Beldeine. Das ist natürlich ein Geheimnis. Die Helfer müssen im verborgenen bleiben.« Selbst ein Lauscher hätte nur hören können, daß sie sich unterhielten. »Sagt mir alles, was Ihr über sie wißt.«

»Unterstützung?« murmelte Beldeine und runzelte die Stirn. Sie regte sich schwach, obwohl man es kaum als Bewegung bezeichnen konnte. »Für ihn? Unter den Schwestern? Das kann nicht sein. Bis auf jene von Euch, die... Wie konntet Ihr, Verin? Warum habt Ihr nicht dagegen angekämpft?«

Verin schnalzte verärgert mit der Zunge. Aber nicht wegen des törichten Vorschlags, gegen einen Ta'veren anzukämpfen. Der Junge schien so siegesgewiß. Warum? Sie flüsterte weiterhin. »Habt Ihr keinen Verdacht, Beldeine? Habt Ihr keine Gerüchte gehört, bevor Ihr Tar Valon verließt? Kein Tuscheln? Niemand, der andeutete, sich ihm anders nähern zu wollen? Erzählt es mir.«

»Niemand. Wie konntet...? Niemand würde... Ich habe Kiruna so bewundert.« Beldeines schläfrige Stimme zeugte von Verlust, und die über ihre Wangen strömenden Tränen hinterließen Spuren im Schmutz. Nur Verins Hände hielten sie noch aufrecht.

Verin fuhr fort, die Stränge ihres Gewebes anzuordnen, wobei ihr Blick immer wieder zum Zelteingang huschte. Sie hatte das Gefühl, auch selbst ein wenig zu schwitzen. Sorilea könnte beschließen, daß sie bei der Befragung Hilfe benötigte. Sie könnte eine der Schwestern aus dem Sonnenpalast mit hierherbringen. Sollte irgendeine Schwester hiervon erfahren, war es sehr gut möglich, daß Verin gedämpft wurde. »Also wolltet Ihr ihn sauber gewaschen und wohlbehalten Elaida übergeben«, sagte sie mit etwas lauterer Stimme. Das Schweigen hatte zu lange gedauert. Sie wollte nicht, daß die beiden dort draußen berichteten, sie flüstere mit den Gefangenen.

»Ich konnte nichts ... gegen ... Galinas Entscheidung einwenden. Sie führte ... auf Befehl der Amyrlin.« Beldeine regte sich erneut schwach. Ihre Stimme klang noch immer verschwommen, wurde dann aber erregter. Ihre Augenlider flatterten. »Er mußte ... gezwungen werden ... zu gehorchen! Es mußte sein! Er hätte nicht so ... grob behandelt werden dürfen. Wie ihn ... zu foltern. Das war falsch.«

Verin schnaubte. Falsch? Unheilvoll traf eher zu. Vom ersten Augenblick an ein Unheil. Jetzt betrachtete der Mann jede Aes Sedai fast so, wie Aeron es tat. Und wenn es ihnen gelungen wäre, ihn nach Tar Valon zu bringen? Ein Ta'veren wie Rand al'Thor leibhaftig in der Weißen Burg? Ein Gedanke, der einen Stein erzittern lassen konnte. Was auch immer sich herausstellen mochte — Unheil wäre gewiß eine zu milde Bezeichnung. Der Preis, der bei den Brunnen von Dumai bezahlt wurde, um das zu verhindern, war nur allzu gering.

Sie stellte ihre Fragen weiterhin so, daß sie von jedem Lauscher deutlich verstanden werden konnten. Sie stellte Fragen, auf die sie bereits Antworten bekommen hatte, um jene zu vermeiden, die zu gefährlich waren, um beantwortet zu werden. Sie kümmerte sich kaum um die aus Beldeines Mund strömenden Worte. Sie konzentrierte sich hauptsächlich auf ihr Gewebe.

Im Laufe der Jahre hatten sehr viele Dinge ihr Interesse erweckt, die nicht alle von der Burg gutgeheißen wurden. Fast jede Wilde, die zur Ausbildung in die Weiße Burg kam — sowohl wahre Wilde, die bereits selbst zu lernen begonnen hatten, als auch Mädchen, die kaum begonnen hatten, die Quelle zu berühren, weil der in ihnen geborene Funke von allein belebt worden war; einige Schwestern sahen darin keinen wirklichen Unterschied —, fast jede dieser Wilden hatte zumindest eine Fertigkeit selbst gestaltet, und jene Fertigkeiten waren nahezu unwandelbar: entweder die Gabe, Unterhaltungen von Menschen zu belauschen, oder das Talent, Menschen dazu zu bringen, daß sie taten, was man wollte.

Um ersteres kümmerte sich die Burg kaum. Selbst eine Wilde, die allein beachtliche Kontrolle erlangt hatte, lernte schnell, daß sie, solange sie NovizinnenWeiß trug, Saidar nicht einmal berühren durfte, ohne daß eine Schwester oder eine der Aufgenommenen sie beaufsichtigten. Was die Gelegenheiten zum Lauschen zumeist erheblich beschnitt. Die andere Fertigkeit ähnelte jedoch zu sehr verbotenem Zwang. Oh, es war nur eine Möglichkeit, Vater dazu zu bringen, ihr Kleider und Schmuck zu schenken, die er nicht kaufen wollte, oder Mutter dazu zu bewegen, junge Männer gutzuheißen, die sie für gewöhnlich aus dem Haus jagte, Dinge dieser Art, aber die Burg machte diese Fertigkeit höchst wirkungsvoll ausfindig. Viele der Mädchen und Frauen, mit denen Verin im Laufe der Jahre gesprochen hatte, konnten sich nicht dazu überwinden, die Gewebe zu gestalten, und noch viel weniger, sie zu benutzen, und einige wollten sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie man es tat. Aus Bruchstücken und Überresten halb erinnerter Gewebe, die von unausgebildeten Mädchen für sehr beschränkte Zwecke gestaltet wurden, hatte Verin etwas rekonstruiert, das die Burg seit ihrer Gründung verboten hatte. Zu Anfang war es von ihrer Seite reine Neugier gewesen. Die Neugier, dachte sie verzerrt, während sie an dem Gewebe um Beldeine arbeitete, hat mich in mehr als ein Fettnäpfchen geführt. Die Nützlichkeit zeigte sich erst später.

»Ich vermute, daß Elaida ihn unten in den offenen Zellen belassen wollte«, sagte sie im Plauderton. Die mit Gitterwänden versehenen Zellen waren für Männer gedacht, welche die Macht lenken konnten, wie auch für streng bewachte Neulinge in der Burg und Wilde, die Aes Sedai zu sein behauptet hatten, sowie für jedermann sonst, der sowohl eingesperrt als auch von der Quelle abgeschnitten werden mußte. »Kein behaglicher Ort für den Wiedergeborenen Drachen. Ohne Ungestörtheit. Glaubt Ihr, daß er der Wiedergeborene Drache ist, Beldeine?« Dieses Mal hielt sie inne, um der Antwort zu lauschen.

»Ja«, stieß Beldeine mühsam hervor und sah Verin mit erschreckt rollenden Augen an. »Ja ... aber er muß ... sicher ... verwahrt werden. Die Welt ... muß ... vor ihm ... beschützt werden.«

Interessant. Sie hatten alle gesagt, daß die Welt vor ihm beschützt werden müsse. Aber bemerkenswert waren auch jene, die glaubten, er brauche auch Schutz. Einige, die dies äußerten, hatten sie damit überrascht.

Für Verin ähnelte das Gewebe, das sie gestaltet hatte, nichts so sehr wie einem zufälligen Gewirr schwach leuchtender, durchscheinender Fäden, die sich um Beldeines Kopf bündelten, wobei sich vier Fäden Geist aus der Masse erhoben. Sie zog an zweien jener Fäden, die einander gegenüber lagen, und das Gewirr brach leicht ein, fiel nach innen, wurde zu etwas nur vage Geordnetem. Beldeine öffnete ruckartig die Augen und starrte in weite Ferne.

Verin gab mit fester, leiser Stimme ihre Anweisungen. Eigentlich waren es eher Vorschläge, obwohl sie diese wie Befehle äußerte. Beldeine würde in sich selbst Gründe finden müssen zu gehorchen. Tat sie es nicht dann war all dies vergebliche Mühe gewesen.

Bei ihren letzten Worten zog Verin auch an den beiden anderen Fäden Geist, und das Gewirr brach noch weiter ein. Dieses Mal wurde es jedoch zu etwas anscheinend perfekt Geordnetem, ein genaueres und verschlungeneres Gewebe als die komplizierteste Spitze und mit derselben Bewegung abgebunden, mit der es zu schrumpfen begann. Dieses Mal fiel es ganz in sich zusammen, in Beldeines Kopf hinein. Jene schwach leuchtenden Fäden versanken in ihr, bis sie gänzlich verschwanden. Sie rollte erneut die Augen und schlug mit zitternden Gliedern um sich. Verin hielt sie so sanft wie möglich fest, aber Beldeines Kopf zuckte dennoch hin und her, und ihre bloßen Fersen trommelten auf die Teppiche. Bald würde nur noch das sorgfältigste Schürfen zeigen, daß etwas getan worden war, und nicht einmal das würde die Beschaffenheit des Gewebes erkennen lassen. Verin hatte es sorgfältig überprüft, und niemand war besser im Schürfen als sie.