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Flint grunzte zufrieden, als er das Klicken hörte, auf das er gewartet hatte. Er stieß die Nähnadel nach oben. Die Tür ging einen winzigen Spalt auf. »Ganz zu schweigen von dem Umstand, daß Tolpan der Grund ist, warum wir uns überhaupt in diesem Räum verfrachtet haben!« fügte Flint selbstgerecht hinzu.

Raistlin stand auf. Er hatte sich erholt. »Vorsicht«, warnte der junge Zauberer, bevor er die Tür aufmachte und hinausschlüpfte.

Tanis folgte ihm rasch.

»Wartet auf mich!!« schrie Flint, der eilig sein Werkzeug einsteckte und hinterherlief.

Das Licht in dem verschlossenen Raum war schwach gewesen, doch der Gang tauchte sie beinahe in totale Schwärze. Von einem Ende des Gangs winkte ein helles Viereck – ein Fenster. Raistlin lief hin, um hinauszusehen.

Tanis und Flint drängten sich gleich hinter den jungen Zauberer, um ihm über die Schulter zu schauen.

Was sie sahen, war eine grenzenlose, blauschwarze See mit aufgewühltem Wasser. Die Küstenlinie war unregelmäßig, stellenweise mit Sandstränden. An anderen Stellen brach das Wasser gegen scharfgezackte Felsen und eindrucksvolle Klippen.

Ihr Aussichtspunkt lag im höchsten Turm einer Burg auf der Spitze eines steilen Hügels. Eine staubige Straße schlängelte sich zum Horizont. Es war nicht zu übersehen, daß die Straße von Körpern und Skeletten gesäumt war, die auf Piken aufgespießt waren. Auf der aufgerissenen, ausgedörrten Erde daneben wuchsen struppige Büsche und ein paar verkrüppelte Bäume.

Direkt unter dem Turm hütete ein Wachhäuschen mit einem Fallgitter die eine Seite einer Brücke, die sich über einem tiefen Graben spannte. Tanis und die anderen sahen, daß Riesenbären durch den Graben wanderten. Auf den Toren standen Wachen. Allerdings keine menschlichen Wachen, wie Tanis feststellte.

Die großen, tierähnlichen Geschöpfe mit ihren harten Muskeln hatten platte Nasen, spitze Ohren und perlenartige, runde Augen. Lange, ungepflegte Haare fielen ihnen von den Schultern. Sie trugen Tierhäute und Pelzumhänge, dazu Krummsäbel und Speere.

Oger.

Eine der Ogerwachen drehte sich müßig um und blickte in ihre Richtung.

Schnell duckten sie sich vom Fenster weg.

»Das Orakel hatte recht«, zischte Raistlin seinen Gefährten mit gedämpfter Stimme zu, obwohl sie sich gut außer Hörweite der Ogerwachen befanden. »Das ist die Küste des Blutmeers. Wir sind in Ogerstadt, in einem Turm oben in der Burg. Irgendwie müssen wir hier rauskommen, aber das bedeutet, daß wir kämpfen oder eine kleine Armee von Ogern, ihren Sklaven und bösen Geistern umgehen müssen.«

»Großartig«, murmelte Flint.

»Laß mich vorgehen«, sagte Tanis schnell, der aufstand und wieder den Gang hinunter schritt. Er drehte sich um und winkte. »Kommt, wir suchen einen Weg nach unten.«

»Ich geh’ als zweiter«, sagte Raistlin, der ihm folgte.

»Da mach’ ich doch gern die Nachhut«, grummelte Flint.

Als Raistlin an dem Raum vorbeikam, aus dem sie gekommen waren, nahm er sich die Zeit, die Tür fest zuzumachen und die Klinke zu überprüfen.

Vor ihnen führte eine schmale Wendeltreppe nach unten. Mit der einen Hand an der kalten, modrigen Wand entlanggleitend – die andere lag für alle Fälle am Griff seines Dolches –, ging Tanis langsam die Stufen hinunter. Raistlin legte Tanis die Hand auf die Schulter und folgte ihm. Flint tat dasselbe bei Raistlin.

Mehrere Minuten liefen sie treppab, bis sie einen großen Absatz erreichten, von dem drei Gänge abzweigten, jeder offenbar zu einigen Räumen oder zumindest mehreren Türen. Gedämpfte Geräusche und Stimmen drangen von weiter unten zu den Gefährten herauf. Tageslicht erhellte die Gänge, die zur Zeit unbelebt erschienen.

Flint stieß vorsichtig eine Tür auf, hinter der ein großer, schmuckloser Raum lag. Der Raum enthielt ein einfaches Bett, einen Tisch, eine Truhe und einen Schrank. In dem Bett hatte offenbar kürzlich jemand geschlafen – wahrscheinlich letzte Nacht –, doch das Zimmer war leer. Nach der Stille zu urteilen, die überall vorherrschte, war das mit den anderen Räumen genauso.

»Ich vermute«, sagte Raistlin, der sie zurück in den Gang führte, »daß das hier Gästezimmer sind. Es dürfte später Nachmittag sein. Wenn es zur Zeit Besucher gibt, sind die anderweitig beschäftigt; wir sind also sicher, bis sie zurückkommen.«

»Großartig«, murrte Flint. »Wir müssen also nur auf den Abend warten und uns dann den Oger aussuchen, dessen Bett wir teilen wollen.«

»Oder uns hier rauskämpfen«, sagte Tanis vorschnell.

Im gleichen Moment hörten alle drei ein Schlurfen am anderen Ende des Gangs. Bevor einer von ihnen reagieren konnte, sahen sie aus einem der Zimmer jemanden kommen, der etwas auf den Boden stellte. Sie purzelten fast übereinander, als sie sich in das leere Gästezimmer zurückdrängten.

»Pst!« sagte Tanis zu Flint, als sie gegeneinander liefen. Raistlin zog hinter ihnen die Tür zu.

»Was nun?« flüsterte Flint.

Raistlin schlich zum Fenster, achtete aber darauf, nicht gesehen zu werden. Im Westen sah er trockenes Land, das von welkem Gras und absterbenden Blumen gesprenkelt war. Weit hinten erhoben sich steile Hügel, die von dunklem Wald bedeckt waren.

Die Burg hing an der Seite eines zerklüfteten, felsigen Abhangs. Ogerwachen patroullierten die inneren und äußeren Mauern.

»Diese Gestalt am Ende des Gangs war bloß eine Putzfrau«, sagte Tanis reumütig zu Flint. Er massierte seinen Fuß, auf den Flint in der Eile versehentlich getreten war.

»Woher weißt du das?« fauchte Flint. Er setzte sich auf das Bett.

Tanis deutete auf seine Augen und sagte mit der Andeutung eines Lächeln: »Elfenaugen.«

Flint stieß einen Schwall von Verwünschungen aus.

Bevor er damit fertig war, ging die Tür weit auf. Eine kleine gedrungene Gestalt stand auf der Schwelle. Von hinten wurde sie von hellem Tageslicht beschienen. Augenblicklich warf sich Tanis auf die Gestalt, nur um von einem Mopgriff fest gegen das Kinn gestoßen zu werden. Flint, der einen Schritt hinter dem Halbelfen war, schlang seine Arme um den Kopf des Eindringlings. Er wurde in die Hand gebissen und zurückgeschleudert. Raistlin ging vom Fenster weg und trat in die Mitte des Raums.

Die Gestalt kam ins Zimmer. Sie schwenkte einen Mop und sah sie finster an.

Sowohl Tanis als auch Flint wichen noch ein paar Schritte weiter zurück. Flint sank aufs Bett. Weil Raistlin plötzlich das Absurde dieser Situation aufging, begann er zu kichern. Der Eindringling war wirklich eine Putzfrau – mit dicken Muskelsträngen, einer schweineähnlichen Schnauze und langen, strähnigen, braunen Haaren. Doch ihre Stimme klang scharf und klug.

»Jetzt sagt mir, wer ihr seid und was ihr hier macht, und zwar schnell. Wenn eure Geschichte mich nicht überzeugt, ziert ihr morgen früh schon einen Ogerspeer!«

Tanis tastete nach seinem Schwert. Flint rieb sich die Hand. Beide waren entsetzt, einer Halbogerin zu begegnen, einer gemischtrassigen Frau, wie sie keiner von ihnen auf all ihren langen Reisen je gesehen hatte. Obwohl sie zweifellos gefährlich aussah, funkelte in den Augen der Frau dennoch ein fröhliches Licht. Nach zivilisiertem Maßstab war sie häßlich und tierhaft, doch sie trug einen ordentlichen Lederrock und wirkte einigermaßen gepflegt.

Als Tanis über die Schulter zu Raistlin schaute, konnte die Halbogerin einen besseren Blick auf Flint werfen. Sie quietschte vor Freude und stieß den erstaunten Halbelfen zur Seite.

Die Halbogerin brachte ihr Gesicht direkt vor Flints. Er lehnte sich verblüfft und – um die Wahrheit zu sagen – etwas eingeschüchtert zurück. Ihr Atem traf ihn wie ein heißer Wind. »Hach! Ein Zwerg! Ich hab’ noch nie einen gesehen – lebend, meine ich! Klar, ich sehe jede Menge Zwergenskelette und Knochen, aber das ist ja nicht dasselbe wie ein lebender.«