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Die Halbogerin griff mit ihren breiten Händen nach vorn und berührte den langen Vollbart des Zwergs. »Hach, was für ein hübscher Bart!«

Flint machte ein finsteres Gesicht. Hilfesuchend verdrehten sich seine Augen in Richtung Tanis und Raistlin.

Die Halbogerin fuhr herum und sah die beiden anderen Gefährten an, worauf sie einen dicken Finger an ihre fleischigen Lippen legte. »Der Häuptling sollte nichts davon erfahren. Er würde den Zwerg auf der Stelle töten, und dann müßte ich dieses Zimmer zehnmal oder zwanzigmal saubermachen, bis der Gestank raus ist.« Höflich nickte sie Flint zu.

»Entschuldige bitte, wenn ich das sage. Und dann würde er sein Herz zum Frühstück verspeisen.«

Sie dachte einen Augenblick nach. »Wahrscheinlich würde er die Innereien den anderen geben, aber das Herz wäre für ihn, ganz sicher. Der Kopf würde natürlich an einer weithin sichtbaren Stelle auf einem Speer stecken.« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge.

Flint erbleichte.

»So ein hübscher Zwerg.« Wieder blickte sie ihn augenklimpernd an. »Ich weiß nicht, aber ich finde ihn einfach hinreißend.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. Verschwörerisch sah sie Tanis und Raistlin an. »Aber wir müssen aufpassen, daß er nicht gesehen wird, sonst ist er auf jeden Fall tot.«

Flint machte den Mund auf, aber Raistlin trat vor und legte der Putzfrau den Arm um die Schultern. »Dann kannst du ihm – uns – helfen, aus Ogerstadt zu entkommen?«

Die Halbogerin kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, ich könnte… und ich glaube, ich würde. Ich mag diese Oger nämlich nicht besonders, wißt ihr. Ich bin ihre Sklavin, seit sie damals meinen Vater umgebracht haben, einen armen Bauern. Mich haben sie nur verschont, damit ich für sie putzen kann. Und eins will ich euch sagen, für so einen Haufen Rüpel sind diese Oger erstaunlich eigen, was die Sauberkeit angeht. Ich gehöre natürlich nicht zu ihnen. Ich bin nur zur Hälfte Oger. Mein Name ist Kirsig. Wie heißt ihr?«

Raistlin stellte alle der Reihe nach vor, obwohl sich Kirsig hauptsächlich für Flint zu interessieren schien. »Flint Feuerschmied«, sann sie mit leuchtenden Augen.

Es war eines der wenigen Male in seinem Leben, daß Flint sich hilflos vorkam. Verzweifelt sah er zu Tanis, aber der Halbelf zuckte nur mit den Schultern.

»Und könntest du uns helfen, ein Boot zu finden, das uns über das Blutmeer bringt?« fragte Raistlin.

Wie ein kleines Mädchen klatschte Kirsig in die Hände. »Das Blutmeer! Hach, ihr seid aber eine wagemutige Truppe, ich seh’ schon! Warum wollt ihr denn über das Blutmeer? Das ist eine furchtbar riskante Reise. Ihr müßt am Mahlstrom entlang und wirklich seefest sein. Ihr braucht einen kühnen, erfahrenen Kapitän, und der wird ganz sicher einiges dafür verlangen.«

»Wir zahlen soviel, wie wir können«, antwortete Tanis vorsichtig. »Kennst du so einen Kapitän?«

»Wenn ich ihn finde«, erwiderte Kirsig bescheiden. Ihr Gesicht war voller Geheimnistuerei. »Aber«, sie hielt inne, »ich kann die Burg erst nach Mitternacht verlassen, wenn ich meine Arbeit gemacht habe. Ihr könnt hierbleiben, aber ihr müßt vorsichtig sein. Der Häuptling, seine Leute, die Legion, die die Burg bewacht… jeder von ihnen kann hier aufkreuzen. Sie kommen leicht durcheinander, wißt ihr«, sagte sie mit verschwörerischem Zwinkern, »und wandern manchmal durch die Burg, weil sie ihre Waffen oder ihre Schuhe suchen.

Heute nacht empfängt der Häuptling einige Gesandte aus dem Viperntal. Ihr dürft keinen Mucks machen, bis jeder in der Burg schläft. Wenn ihr entkommt«, sie berichtigte sich, »sobald ihr entkommt, müßt ihr euch verstecken, bis ich den Kapitän gefunden und alles ausgemacht habe.«

»Bist du sicher…?« fragte Raistlin zögernd.

Kirsig lachte herzlich. »Oh, keine Bange. Der ist fähig, mehr als fähig.«

»Wie – wie sollen wir entkommen?« stammelte Flint. Er wollte ihre Aufmerksamkeit eigentlich lieber nicht auf sich ziehen, doch die Frage lastete auf seiner Seele. Kirsig drehte sich um und blickte ihn verzückt an. Als Flint zurückstarrte, streckte sie die Hand aus und streichelte seinen Bart.

»Ja, entkommen!« sagte sie aufgeregt. »Das ist das Problem, und wir werden es lösen. Wir werden diesen dummen Ogern eine Lektion erteilen.« Sie senkte die Stimme und winkte Raistlin und Tanis heran. »Aber es gibt nur zwei Wege aus Ogerstadt. Entweder ihr seid tot – das ist der sicherste Weg – oder – « Sie zögerte.

Die schwätzt mehr als Tolpan, dachte Flint.

»Ja?« drängte Tanis.

»Der andere«, flüsterte Kirsig, »ist noch schlimmer.«Sie mußten sich schnell beratschlagen, denn die Zeit drängte, und Kirsig würde vermißt werden, wenn sie ihrer Arbeit allzulang fern blieb.

Raistlin erzählte Kirsig von ihrer Aufgabe. Der junge Magier erklärte, daß sein Bruder, Sturm und Tolpan vermißt waren, und erzählte ihr sogar von dem Portal, durch das sie hierher gelangt waren. Kirsig machte große Augen, als er die Minotaurischen Inseln erwähnte. Sie war noch nie über das Blutmeer gefahren, das sie nur aus vielen Sagen kannte, und war noch nie woanders gewesen als im Ogerland. Aber vor kurzem waren, wie sie Raistlin berichtete, ein paar Stiermenschen in Ogerstadt gewesen und hatten mit dem Häuptling verhandelt.

»Worüber?« wollte Raistlin wissen, der sichtlich neugierig war.

»Was weiß ich?« meinte Kirsig. »Ich bin nicht der Hüter aller Geheimnisse hier. Ich kann euch bloß sagen, daß diese Minotauren furchtbar stinken und ihre Zimmer in einem abscheulichen Zustand hinterlassen. Dreckige Kühe!« Sie spuckte aus. Der Speichel landete neben Tanis’ Füßen. Der Halbelf machte diplomatisch einen Schritt nach hinten.

Wenn sie sich nicht durch das Haupttor nach draußen kämpfen wollten, gab es Kirsig zufolge nur einen einzigen Ausweg aus Ogerstadt: den Abwasserkanal. Wenn sie Glück hatten, sagte Kirsig, würden ihr Auftauchen und ihre Flucht geheim bleiben. Keiner würde auch nur vermuten, daß Fremde in der Burg gewesen waren.

Tanis verzog das Gesicht beim Gedanken an den Abwasserkanal.

»Weiter«, drängte Raistlin, der spürte, daß Kirsig noch mehr zu sagen hatte.

»Ich kippe alles Wischwasser und den Abfall und Schlimmeres da rein, wenn ihr wißt, was ich meine. Ich weiß, wo der Tunnel herauskommt, unten an der Bucht, wo die Wachen euch nicht sehen können. Das einzige ist – « wieder zögerte sie.

»Was?« forderte Tanis.

»Im Kanal spukt es. Geister und Ghule. Sagt jeder. Es ist gefährlich, dort hindurch zu gehen. Ihr könntet umkommen.«

»Das Risiko nehmen wir in Kauf«, sagte Raistlin schnell.

»Dann bleibt hier im Zimmer und verhaltet euch still«, sagte Kirsig, die ihrerseits jeden von ihnen streng anblickte. »Ich bin gleich nach Mitternacht zurück. Bis dahin sind die meisten innerhalb der Burg sternhagelvoll oder schon im Land der Träume. Hier seid ihr sicher, aber steckt eure Nasen nicht aus der Tür.«

Sie warf einen letzten, wohlwollenden Blick auf Flint, während sie langsam und zurückhaltend ihre Finger von seinem graugefleckten Bart nahm. »So ein hübscher Zwerg«, sagte Kirsig, ehe sie ihren Eimer und den Mop nahm. Sie machte die Tür einen Spaltbreit auf, spähte nach draußen und schlüpfte dann ohne weitere Worte hinaus.

Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, wartete Tanis noch etwas, bis er Raistlin zuflüsterte: »Glaubst du, wir können ihr trauen?«

Der junge Magier ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. Er nickte.

Tanis schien zufrieden.

»Aber – «, begann Flint zaghaft.

Die beiden Gefährten warfen ihm einen amüsierten Blick zu. »Ganz sicher würde sie ihren besonderen, neuen Freund nicht verraten«, sagte Tanis.

Flint runzelte die Stirn, lief knallrot an und sagte nichts mehr. Als es dunkel wurde, hörten die drei Gefährten laute Geräusche von den unteren Stockwerken, rauhe Stimmen, die sich lachend und rufend erhoben, einen Schwall Flüche, der in Tumult überging und dann in einem Ogergesang mündete: