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Tanner ging zu einem Landschaftsgemälde an der Wand, griff dahinter und drückte auf einen versteckten Knopf. Ein Teil der Wand glitt auf, und dahinter kam ein Bildschirm mit einem digitalisierten Stadtplan von Manhattan zum Vorschein.

»Weißt du noch, was das ist, Andrew? Du hast diese Apparatur mal bedient. Du hast das sogar so gut beherrscht, dass ich regelrecht eifersüchtig auf dich war. Das ist ein Global Positioning System. Damit können wir jedermann auf der Welt orten. Kannst du dich noch erinnern?«

Andrew nickte und bemühte sich, wach zu bleiben.

»Als die beiden Damen mein Büro verließen, habe ich jeder von ihnen meine Visitenkarte gegeben. Die Karten sind mit einem Computerchip versehen, der nicht größer als ein Sandkorn ist. Das Signal, das er aussendet, wird per Satellit erfasst, und wenn das Global Positioning System aktiviert wird, ermittelt es ihren genauen Aufenthaltsort.« Er wandte sich an seinen Bruder. »Begreifst du das?«

Andrew schluckte. »Ich ... ich ... Ja, Tanner.«

Tanner wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Er drückte auf einen zweiten Knopf. Ein roter Lichtpunkt blinkte auf dem Stadtplan auf und bewegte sich nach unten. In einem dicht bebauten Gebiet verharrte er, wanderte dann weiter, eine Straße entlang und bewegte sich so langsam, dass die Namen der Geschäfte deutlich zu sehen waren.

Tanner deutete darauf. »Das ist die Westliche Vierzehnte Straße.« Das rote Licht wanderte weiter. »Das ist das Tequila Restaurant, eine Apotheke, das Saint Vincent’s Hospital, Banana Republic, eine Kirche, Our Lady of Guadalupe.« Das Licht blieb stehen. »Und das ist das Wilton Hotel for Women«, sagte Tanner mit triumphierendem Unterton. »Was wiederum meine Überlegungen bestätigt. Ich hatte Recht, siehst du?«

Andrew leckte sich die Lippen. »Ja. Du hattest Recht .«

Tanner schaute Andrew an. »Du darfst jetzt wieder gehen.« Er griff zu seinem Handy und wählte eine Nummer.

»Mr. Flint, sie sind im Wilton Hotel an der Westlichen Vierunddreißigsten Straße.« Er stellte das Telefon ab, blickte auf und sah Andrew in der Tür stehen. »Was gibt’s?«, fragte Tanner unwirsch.

»Darf ich nach, du weißt schon, nach Schweden fahren und den Nobelpreis in Empfang nehmen, den man mir verliehen hat?«

»Nein, Andrew. Das war vor sieben Jahren.«

»Oh.« Andrew drehte sich um und schlurfte in sein Büro.

Tanner dachte an die dringende Reise nach Europa, die er vor drei Jahren unternommen hatte ...

Er war gerade mit einem schwierigen logistischen Problem beschäftigt, als sich seine Sekretärin über die Gegensprechanlage bei ihm meldete. »Zürich ist für Sie am Apparat, Mr. Kingsley.«

»Ich habe gerade alle Hände voll zu tun ... Schon gut, ich rede mit ihnen.« Er nahm den Hörer ab. »Ja?« Tanners Miene wurde immer grimmiger, während er zuhörte. »Ich verstehe«, sagte er unwirsch. »Sind Sie sicher? Nein, schon gut. Ich kümmere mich persönlich darum.«

Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Kathy, sagen Sie dem Piloten, er soll die Challenger klar machen. Wir fliegen nach Zürich. Zwei Personen.«

Madeleine Schmider saß in einer Nische im La Rotonde, einem der besten Restaurants von Zürich. Sie war Anfang dreißig, hatte ein bezauberndes ovales Gesicht, einen wunderschönen Teint und einen Bubikopf. Offensichtlich war sie schwanger.

Als Tanner an ihren Tisch kam, stand Madeleine Schmider auf und streckte ihm die Hand hin. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Er ließ sich gegenüber von ihr nieder.

»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.« Sie sprach mit einem melodiösen Schweizer Akzent. »Als ich Ihren Anruf erhielt, dachte ich zuerst, es sei ein Scherz.«

»Warum?«

»Na ja, Sie sind so ein bedeutender Mann, und als man mir mitteilte, dass Sie eigens nach Zürich kommen würden, um mit mir zu sprechen, konnte ich mir nicht vorstellen .«

Tanner lächelte. »Ich will Ihnen erklären, weshalb ich hier bin. Weil ich gehört habe, dass Sie eine hervorragende Wissenschaftlerin sind, Madeleine. Ich darf Sie doch Madeleine nennen?«

»Oh, bitte sehr, Mr. Kingsley.«

»Wir beim KIG schätzen Menschen, die etwas können. Sie sind jemand, der für uns arbeiten sollte, Madeleine. Wie lange sind Sie schon bei der Tokyo First National Group?«

»Sieben Jahre.«

»Nun ja, die Sieben ist Ihre Glückszahl, denn ich biete Ihnen eine Stelle bei der KIG an. Sie verdienen doppelt so viel wie jetzt, leiten Ihre eigene Abteilung und .«

»Oh, Mr. Kingsley!« Sie strahlte ihn an.

»Haben Sie Interesse, Madeleine?«

»O ja! Sehr sogar. Natürlich kann ich nicht gleich anfangen.«

Tanner verzog das Gesicht. »Was meinen Sie damit?«

»Na ja, ich bekomme ein Kind und will demnächst heiraten .«

Tanner lächelte wieder. »Das ist doch kein Problem. Wir kümmern uns um alles.«

»Aber ich kann aus noch einem weiteren Grund nicht sofort kündigen«, sagte Madeleine Schmider. »Ich bin zurzeit mit einem Projekt befasst, und wir sind gerade dabei . Wir sind fast fertig damit.« »Madeleine, ich weiß nicht, um welches Projekt es geht, und es interessiert mich auch nicht. Tatsache aber ist, dass Sie das Angebot, das ich Ihnen gemacht habe, sofort annehmen müssen. Genau genommen hatte ich sogar gehofft, dass Sie und Ihr Verlobter« - er lächelte - »oder sollte ich sagen, Ihr künftiger Mann, mit mir nach Amerika fliegen würden.«

»Ich könnte kommen, sobald das Projekt abgeschlossen ist. In sechs Monaten, spätestens in einem Jahr.«

Tanner schwieg einen Moment. »Sind Sie sicher, dass Sie nicht sofort bei uns anfangen können?«

»Ja. Ich leite dieses Projekt. Es wäre unfair, wenn ich einfach aussteigen würde.« Sie strahlte wieder. »Nächstes Jahr?«

Tanner lächelte. »Auf jeden Fall.«

»Tut mir Leid, dass Sie die Reise umsonst auf sich genommen haben.«

»Sie war nicht umsonst, Madeleine«, sagte Tanner freundlich. »Ich habe Sie kennen gelernt.«

Sie errötete. »Sie sind sehr freundlich.«

»Ach, ich habe Ihnen übrigens ein Geschenk mitgebracht. Mein Mitarbeiter bringt es heute Abend um sechs bei Ihnen zu Hause vorbei. Er heißt Harry Flint.«

Am nächsten Morgen wurde Madeleine Schmider tot in ihrer Küche aufgefunden. Sie lag am Boden vor dem Herd, dessen Gashahn aufgedreht war.

Tanner widmete sich wieder dem gegenwärtigen Problem. Flint hatte ihn noch nie enttäuscht. Er würde Diane Stevens und Kelly Harris bald beseitigen, und wenn die beiden aus dem Weg geräumt waren, konnte das Projekt fortgesetzt werden.

26

Harry Flint ging zur Rezeption des Wilton Hotel. »Hallo.« »Hallo.« Die Frau am Empfang bemerkte sein Lächeln.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Ja. Meine Frau und ihre Freundin, eine Afroamerikanerin, sind vor kurzem hier abgestiegen. Ich möchte sie überraschen. Welche Zimmernummer haben sie?«

»Tut mir Leid«, erwiderte die Rezeptionistin. »Dies ist ein Hotel für Frauen, Sir. Männer haben keinen Zugang zu den Zimmern. Wenn Sie anrufen möchten .«

Flint blickt sich im Foyer um. Leider war ziemlich viel los.

»Ist schon gut«, sagte er. »Sie kommen bestimmt bald runter.« Flint ging hinaus und zückte sein Handy. »Sie sind auf ihrem Zimmer, Mr. Kingsley. Ich darf nicht rauf.«

Tanner stand einen Moment lang reglos da und dachte nach. »Mr. Flint, mein Verstand sagt mir, dass sie sich demnächst trennen werden. Ich schicke Ihnen Carballo zur Unterstützung vorbei.«

Kelly stellte droben in ihrer Suite das Radio an und suchte einen Popsender. Kurz darauf hallte laute Rapmusik durch das Zimmer.