Fassungslos und ungläubig starrte Diane auf die andere Straßenseite. »Das ... das war eine Bombe. In unserem Zimmer.« Voller Entsetzen wandte sie sich an Kelly. »Woher . woher haben Sie das gewusst?«
»Das Zimmermädchen.«
Diane blickte sie verständnislos an. »Was ist mit ihr?«
»Zimmermädchen tragen keine Manolo-Blahnik-Schuhe für dreihundert Dollar.«
Diane bekam kaum Luft. »Wie . wie haben sie uns gefunden?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Kelly. »Aber bedenken Sie, mit wem wir es zu tun haben.«
Voller Furcht saßen sie beide da.
»Hat Tanner Kingsley Ihnen irgendwas gegeben, als Sie in seinem Büro waren?«, fragte Diane.
Kelly schüttelte den Kopf. »Nein. Hat er Ihnen was gegeben?«
»Nein.«
Dann fiel es ihnen mit einem Mal ein.
»Seine Karte!«
Sie öffneten ihre Handtaschen und holten die Visitenkarten heraus, die Tanner Kingsley ihnen gegeben hatte.
Diane versuchte, ihre zu zerreißen, aber sie ließ sich nicht einmal knicken. »Da ist irgendein Chip drin«, sagte sie aufgebracht.
Kelly versuchte, ihre durchzubiegen. »In meiner ebenfalls. Damit hat uns der Mistkerl aufspüren können.«
Diane nahm Kellys Karte und sagte wütend: »Jetzt nicht mehr.«
Kelly sah, wie Diane auf die Straße trat und die Karten auf den Boden warf. Binnen kürzester Zeit fuhren ein Dutzend Pkw und Lastwagen darüber.
In der Ferne waren Sirenen zu hören, die rasch näher kamen.
Kelly stand auf. »Wir sollten lieber von hier weg, Diane. Da sie uns jetzt nicht mehr aufspüren können, sind wir in Sicherheit. Ich kehre nach Paris zurück. Was haben Sie vor?«
»Ich versuche herauszufinden, warum das alles passiert.«
»Seien Sie vorsichtig.«
»Sie auch.«
Diane zögerte einen Moment. »Kelly - danke. Sie haben mir das Leben gerettet.«
»Ich habe ein schlechtes Gewissen«, erwiderte Kelly betreten. »Ich habe Sie angelogen.«
»Aha?«
»Wissen Sie noch, was ich über Ihre Bilder gesagt habe?«
»Ja.« »Eigentlich mochte ich sie - sehr sogar. Sie sind gut.«
Diane lächelte. »Danke. Ich fürchte, ich war Ihnen gegenüber ziemlich unverschämt.«
»Diane?«
»Ja?«
»Ich hatte keine Hausmädchen, als ich klein war.«
Diane lachte, dann umarmten sie einander.
»Ich bin froh, dass wir uns begegnet sind«, sagte Diane.
»Ich auch.«
Sie standen da, blickten einander an, und mit einem Mal fiel es ihnen schwer, sich voneinander zu verabschieden.
»Ich habe eine Idee«, sagte Diane. »Hier ist meine Handynummer, falls Sie mich brauchen.« Sie schrieb sie auf einen Zettel.
»Hier ist meine«, erwiderte Kelly und gab sie Diane.
»Tja, dann auf Wiedersehen.«
»Ja«, sagte Diane zögernd. »Ich ... Auf Wiedersehen, Kelly.«
Diane blickte Kelly hinterher. An der Ecke drehte sie sich noch einmal um und winkte. Diane winkte zurück. Als Kelly verschwunden war, blickte Diane zu dem schwarzen Loch empor, in dem sie beinahe den Tod gefunden hätten, und mit einem Mal lief es ihr eiskalt über den Rücken.
29
Kathy Ordonez ging in Tanner Kingsleys Büro und brachte ihm die Morgenzeitungen. »Es ist schon wieder so weit.« Er warf einen Blick auf die Schlagzeilen, als sie ihm die Zeitungen reichte.
»NEBEL LEGT DEUTSCHE GROßSTÄDTE LAHM« »ALLE SCHWEIZER FLUGHÄFEN WEGEN NEBEL GESPERRT«
»NEBEL IN ITALIEN FORDERT ZAHLREICHE TODESOPFER«
»Soll ich das Senatorin van Luven schicken?«, fragte Kathy.
»Ja. Sofort«, sagte Tanner grimmig.
Kathy verließ eilends sein Büro.
Tanner warf einen Blick auf seine Armbanduhr und lächelte. Inzwischen müsste die Bombe hochgegangen sein. Die beiden Weiber sind endlich beseitigt.
Seine Sekretärin meldete sich über die Gegensprechanlage. »Mr. Kingsley, Senatorin van Luven ist für Sie am Apparat. Nehmen Sie das Gespräch entgegen?«
»Ja.« Tanner griff zum Telefon. »Tanner Kingsley.«
»Hallo, Mr. Kingsley. Hier ist Senatorin van Luven.«
»Guten Tag, Senatorin.«
»Meine Assistentinnen und ich sind zufällig in der Nähe Ihrer Firma. Wäre es Ihnen recht, wenn wir zu einem kurzen Besuch bei Ihnen vorbeikommen.«
»Jederzeit«, erwiderte Tanner aufgeräumt. »Ich führe Sie gerne herum, Senatorin.«
»Gut. Wir sind in Kürze da.«
Tanner drückte auf die Taste der Gegensprechanlage. »Ich erwarte in ein paar Minuten Gäste. Stellen Sie keine Anrufe durch.«
Er dachte an den Nachruf, den er vor ein paar Wochen in der Zeitung gelesen hatte. Senatorin van Luvens Mann war an einem Herzanfall gestorben. Ich werde ihr mein Beileid aussprechen.
Fünfzehn Minuten später trafen Senatorin van Luven und ihre beiden attraktiven Assistentinnen ein.
Tanner stand auf und begrüßte sie. »Freut mich sehr, dass Sie vorbeigekommen sind.«
Senatorin van Luven nickte. »Corinne Murphy und Karolee Trost kennen Sie ja bereits.«
Tanner lächelte. »Ja. Schön, Sie beide wiederzusehen.« Er wandte sich an die Senatorin. »Ich habe gehört, dass Ihr Mann verstorben ist. Mein herzliches Beileid.«
Senatorin van Luven nickte. »Danke. Er war seit langem krank, und vor ein paar Wochen ist er dann .« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Übrigens, die Hinweise auf die globale Erwärmung, die Sie mir zukommen ließen, sind sehr eindrucksvoll.«
»Danke.«
»Könnten Sie uns vielleicht zeigen, was Sie hier machen?«
»Natürlich. Wie lange darf ich Sie herumführen? Ich kann Ihnen eine fünftägige Besichtigungstour anbieten, eine viertägige und einen Rundgang, der etwa anderthalb Stunden dauert.«
Corinne Murphy grinste. »Die fünftägige Tour wäre doch .«
Senatorin van Luven fiel ihr ins Wort. »Wir begnügen uns mit der anderthalbstündigen Führung.«
»Mit Vergnügen.« »Wie viele Menschen arbeiten bei der KIG?«, fragte Senatorin van Luven.
»Ungefähr zweitausend. Wir haben Niederlassungen in einem Dutzend Länder in aller Welt.«
Corinne Murphy und Karolee Trost waren sichtlich beeindruckt.
»In der hiesigen Zentrale sind fünfhundert Mitarbeiter tätig. Das Verwaltungspersonal und die Kollegen von der Forschung sind in separaten Quartieren untergebracht. Jeder wissenschaftliche Mitarbeiter verfügt über einen IQ von mindestens einhundertsechzig.«
»Das sind ja die reinsten Genies«, stieß Corinne Murphy aus.
Senatorin van Luven sah sie missbilligend an.
»Folgen Sie mir bitte«, sagte Tanner.
Die Senatorin und ihre beiden Assistentinnen folgten Tanner durch eine Seitentür in ein angrenzendes Gebäude. Er führte sie in einen Raum, der voller geheimnisvoll aussehender Geräte stand.
Senatorin van Luven ging zu einem der sonderbaren Apparate und fragte: »Wozu dient das?«
»Das ist ein so genannter Sonograph, Senatorin. Er wandelt den Klang der menschlichen Stimme in ein Schallspektrogramm um. Damit kann man tausende verschiedener Stimmen erkennen.«
Karolee Trost runzelte die Stirn. »Und wie funktioniert das?«
»Stellen Sie es sich einmal folgendermaßen vor: Wenn Sie von einem Freund oder einer Freundin angerufen werden, erkennen Sie sofort die Stimme, weil Sie sich das typische Klangmuster eingeprägt haben. Auf die gleiche Weise programmieren wir diesen Prozessor. Wir verwenden einen elektronischen Filter, der nur einen bestimmten Frequenzbereich zum Aufzeichnungsgerät durchlässt, sodass wir nur die sprecherspezifischen Merkmale der betreffenden Person erfassen.«
Im weiteren Verlauf der Besichtigungstour bekamen sie eine Reihe faszinierender Apparaturen, teils riesengroß, teils im Westentaschenformat, zu sehen, dazu Elektronenmikroskope, Chemielabors, in denen ein Dutzend Wissenschaftler gemeinsam arbeiteten, Tafeln voller geheimnisvoller Zeichen und Symbole sowie Büros, in denen jeweils nur ein Forscher mit der Lösung eines vertrackten Problems beschäftigt war.