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Es war ein Restaurant - eher eine Bar, von der zweitklassigen Sorte, die Burckhardt nicht zu frequentieren pflegte.

»Geradeaus!« raunte Swanson. »Quer durchs Lokal!« Und Burckhardt wandte sich wie ein gehorsamer kleiner Junge zwischen den Tischen hindurch, zum anderen Ende des Raumes.

Das Restaurant war L-förmig. Beide Fronten lagen an zwei Straßen, die im rechten Winkel zueinanderführten. Sie traten auf die Seitenstraße, und Swanson warf einen kühlen Blick zum Kassierer zurück, der fragend die Brauen hob, dann lief er zum gegenüberliegenden Gehsteig.

Als sie unter der Markise eines Kinos standen, begann sich das Gesicht des kleinen Mannes zu entkrampfen.

»Wir haben sie abgeschüttelt«, frohlockte er. »Und wir sind schon fast da.«

Er ging an den Schalter und kaufte zwei Eintrittskarten. Burckhardt folgte ihm in das Kino, wo gerade eine WochenendMatinee ablief. Der Zuschauerraum war fast leer. Von irgendwo kamen die Geräusche von Pferdehufen und Revolverschüssen. Ein einsamer Platzanweiser lehnte an einem Messinggeländer, sah die beiden kurz an und starrte dann wieder gelangweilt auf die Leinwand, während Swanson seinen Begleiter eine mit Teppichen bedeckte Marmortreppe hinabführte.

Sie betraten ein leeres Foyer. Burckhardt entdeckte eine Tür für Herren und eine für Damen. Und da war noch eine dritte Tür, mit der Aufschrift »Manager«, in goldenen Lettern. Swanson lauschte an dieser Tür, dann machte er sie lautlos auf und spähte hinein.

»Okay«, sagte er und gestikulierte.

Burckhardt folgte ihm durch ein leeres Büro zu einer weiteren Tür. Vermutlich war es eine Schranktür, weil sie keine Aufschrift hatte.

Aber es war kein Schrank. Vorsichtig öffnete Swanson die Tür, blickte hinein, dann bedeutete er Burckhardt, ihm zu folgen.

Es war ein Tunnel mit Metallwänden, hell erleuchtet und leer, und er erstreckte sich in beide Richtungen.

Burckhardt blickte sich verwundert um. Eines wußte er jedenfalls ganz genau.

Unter Tylerton gab es keinen solchen Tunnel.

Auf der anderen Seite des Tunnels lag ein Raum mit Stühlen und einem Schreibtisch und seltsamen Gebilden, die wie Fernsehschirme aussahen. Swanson ließ sich keuchend in einen Sessel fallen.

»Wir können ruhig eine Weile hierbleiben«, sagte er ächzend. »Sie kommen nicht mehr oft her. Und wenn sie kommen, werden wir sie rechtzeitig hören und können uns verstecken.«

»Wer sollte denn kommen?« fragte Burckhardt.

»Die Marsmenschen«, sagte der kleine Mann. Seine Stimme schien an diesen beiden Worten zu zerbrechen, alles Leben schien aus ihm zu weichen. In düsterem Ton fuhr er fort: »Zumindest glaube ich, daß es Marsmenschen sind. Obwohl Sie natürlich auch recht haben könnten. In diesen letzten paar Wochen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken - nachdem diese Leute Sie erwischt hatten - und es ist immerhin möglich, daß es trotz allem die Russen sind.«

»Fangen Sie doch mal von Anfang an! Wer hat mich erwischt?«

Swanson seufzte. »Also müssen wir das ganze noch einmal durchkauen. Okay. Vor etwa zwei Monaten klopften Sie spät abends an meine Tür. Sie waren ganz zerschlagen und hatten schreckliche Angst. Sie baten mich um Hilfe und.«

»Ich!«

»Natürlich können Sie sich nicht daran erinnern. Hören Sie mir zu, dann werden Sie alles verstehen. Sie redeten wirres Zeug und behaupteten, man hätte Sie gefangengehalten und bedroht, und Ihre Frau wäre tot und wieder zum Leben erwacht - lauter solchen Quatsch. Ich dachte, Sie wären verrückt. Aber - nun, ich hatte immer großen Respekt vor Ihnen. Sie baten mich, Sie zu verstecken, und ich habe ja diese Dunkelkammer. Man kann die Tür nur von innen zusperren. Ich habe das Schloß selbst angebracht. Ich ging also mit Ihnen hinein, um Ihnen den Gefallen zu tun, und um Mitternacht, nur fünfzehn oder zwanzig Minuten später, verloren wir die Besinnung.«

»Wir wurden bewußtlos?«

Swanson nickte. »Alle beide. Es war, als hätte man uns mit einem Sandsack niedergeschlagen. Hören Sie mal - ist Ihnen das gestern abend nicht auch passiert?«

Burckhardt zuckte unsicher mit den Schultern. »Ich nehme es an. Natürlich ist es passiert. Danach waren wir plötzlich wieder wach, und Sie sagten, daß Sie mir was Komisches zeigen müßten. Wir gingen hinaus, kauften eine Zeitung und schauten uns das Datum an. Es war der 15. Juni.«

»Der 15. Juni? Aber das ist doch heute! Ich meine.«

»Sie haben es erfaßt, mein Freund. Es ist immer der 15. Juni.« Es dauerte eine Weile, bis Burckhardt diese Information verdaut hatte.

Dann fragte er verwundert: »Wie lange haben Sie sich denn in der Dunkelkammer versteckt? Wie viele Wochen haben Sie da drin gesessen?«

»Wie kann ich das wissen? Vielleicht vier oder fünf. Ich habe jedes Gefühl für die Zeit verloren. Jeden Tag passierte das gleiche - es war immer der 15. Juni, und Mrs. Keefer, meine Zimmerwirtin, fegte immer die Eingangsstufen, und auf der Zeitung stand immer die gleiche Schlagzeile. Das wird allmählich langweilig, mein Freund.«

Es war Burckhardts Idee, und Swanson hielt nichts davon, aber er war bereit, mitzumachen. Er war der Typ, der immer mitmachte.

»Aber es ist gefahrlich«, murmelte er besorgt. »Wenn nun jemand vorbeikommt? Sie könnten uns sehen und.«

»Was haben wir denn zu verlieren?«

Swanson hob die Schultern. »Es ist gefährlich«, sagte er noch einmal. Aber er machte mit.

Burckhardts Plan war ganz einfach. Er konnte sich nur auf eine einzige Tatsache stützen - der Tunnel führte irgendwohin. Ob es nun Marsmenschen oder Russen waren, phantastische Verschwörungen oder verrückte Halluzinationen - was immer mit Tylerton los war, es mußte eine Erkläruno dafür geben. Und nach dieser Erklärung mußte man am Ende des Tunnels suchen.

Sie stapften dahin, und sie hatten schon über eine Meile zurückgelegt, als sie das Ende sahen. Sie hatten Glück -zumindest war ihnen niemand begegnet. Aber Swanson hatte gesagt, daß der Tunnel zu gewissen Zeiten benutzt wurde.

Immer der 15. Juni. Warum, fragte sich Burckhardt. Um das Wie kümmerte er sich nicht. Er interessierte sich nur ür das Warum.

Und alle schliefen ein, ohne es zu wollen, anscheinend immer um die gleiche Zeit. Und danach konnten sie sich an nichts erinnern. Swanson hatte erzählt, wie sehnsüchtig er auf Burckhardt gewartet hatte - an jenem Morgen, als sich Burckhardt unvorsichtigerweise um fünf Minuten verspätet hatte, bevor er in die Dunkelkammer zurückgekehrt war. Und als Swanson das Bewußtsein wiedererlangt hatte, war Burckhardt verschwunden. Swanson hatte ihn erst an jenem Nachmittag auf der Straße wiedergesehen, aber da hatte sich Burckhardt an nichts mehr erinnern können.

Und Swanson hatte wochenlang seine Mäuse-Existenz fortgesetzt, hatte sich nachts in der Dunkelkammer versteckt, hatte sich tagsüber hinausgeschlichen, um in bemitleidenswerter Hoffnung nach Burckhardt zu suchen, war am Rand des Lebens dahinvegetiert, um »ihren« tödlichen Augen zu entkommen.

Wer waren »sie«? Eine von »ihnen« war das Mädchen namens April Horn. Nachdem Swanson beobachtet hatte, wie sie sorglos in eine Telefonzelle gegangen und nicht mehr herausgekommen war, hatte er den Tunnel gefunden. Der Mann am Zigarettenkiosk im Bürogebäude der Contro Chemical gehörte auch dazu. Es gab noch mehr - mindestens ein Dutzend, wie Swanson vermutete.

Sie waren leicht zu erkennen, wenn man nur wußte, wo a:h man Ausschau halten mußte, denn sie waren die einzigen in Tylerton, die täglich ihre Rollen wechselten. Burckhardt sah immer gleich aus, wenn er jeden Morgen an jedem 15 Juni im 8-Uhr-51-Bus saß. Aber April Horn trug manchmal ein neckisches Zellophanröckchen und verkaufte Süßigkeiten und Zigaretten, oder sie war schlicht gekleidet, und manchmal konnte Swanson sie nirgends entdecken.

Russen? Marsmenschen? Was auch immer sie waren - was wollten sie mit dieser verrückten Maskerade erreichen?