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Ich war der Ansicht, daß Canka damit die Aufmerksamkeit auf seinen Bruder hatte lenken wollen, damit er befreit würde; vielleicht wollte er auch selbst später zurückkommen, um seinen Bruder loszubinden, obwohl das auch für ihn ein Leben als Geächteter bedeutet hätte. Wie es sich ergab, waren Grunt und ich, die durch das Ödland reisten, auf den Jungen gestoßen und hatten ihn befreit. Kurze Zeit später wurden wir von einer seltsamen Gruppe von Verbündeten gefangengenommen – Angehörige der Sleen, Gelbmesser und Kaiila, die sich im Angedenken an die Große Erinnerung, wie sie genannt wurde, zum Angriff auf den Wagenzug und die Soldaten zusammengetan hatten.

Grunt hatte eine Kette weißer Sklavinnen als Packtiere und Tauschware ins Ödland gebracht. Er hatte außerdem zwei Gefangene gemacht, zwei frühere Feinde, Max und Kyle Hobart, eigentlich Geschenke von Kriegern des Staubfuß-Stammes. Die Sleen nahmen neben den Hobarts zwei seiner Mädchen als Beute, Ginger und Evelyn, ehemalige Tavernenmädchen aus der Ihankenstadt Kailiauk. Vier weitere Mädchen wurden von einem Krieger der Gelben Messer fortgeführt, zwei Amerikanerinnen, Lois und Inez, eine Engländerin namens Priscilla und Corinna, eine kleine dunkelhaarige Französin.

Die Kaiila-Krieger hatten vorwiegend der Kriegergemeinschaft der Kampfgefährten angehört, vergleichbar den Sleensoldaten der Isbu-Kaiila. Sie standen unter dem Befehl Cankas, der Cuwignakas Bruder war. Zu der Gruppe hatte ein weiterer Mann gehört, ein älterer Krieger mit Namen Kahintokapa, Mann-der-vorausgeht, ein Angehöriger der berühmten Kaiila-Reiter. Er gehörte zu den Casmu, der Sand-Bande.

Grunts wertvollstes Gut an der Kette, eine wunderschöne Rothaarige, eine ehemalige Debütantin aus Pennsylvanien mit dem Erdennamen Millicent Aubrey-Welles, wurde von Canka als persönliche Sklavin erwählt. Seine letzte Sklavin durfte Grunt behalten, die dunkelhaarige Schönheit Wasnapohdi oder Pickel, die er gegen drei Beile von Staubfuß-Kriegern eingetauscht hatte. Daraus schloß ich, daß Canka uns im Grunde nichts Böses wollte. So wie ich die Lage heute beurteilte, freute er sich wahrscheinlich, daß wir Cuwignaka befreit hatten. Vielleicht hatte er Wasnapohdi auch bei Grunt gelassen, weil sie den Kaiila-Dialekt fließend beherrschte. Das hatte ihn sicher beeindruckt.

»Sklave«, sagte Hci und musterte mich verächtlich.

Ich begegnete seinem Blick nicht. Natürlich hatte ich Cuwignaka losgebunden. Mein Messer hatte die Fesseln durchtrennt, ein Umstand, den Canka als Blotanhunka, als Führer dieser Kriegergruppe, nicht hatte übersehen können. Unabhängig von seiner eigenen Einstellung in dieser Sache konnte er diese Tat nicht durchgehen lassen. Ein Gefangener der Kaiila war befreit worden. Dafür mußte jemand büßen. Ich hatte diesen Preis bezahlt, indem ich mich in die Sklaverei der roten Krieger begab.

»Weiße Männer!« rief Hci verächtlich und deutete auf mich und Grunt.

»Ja«, sagte Grunt freundlich.

»Wie kommt es«, wandte sich Hci an Cuwignaka, »daß ein Sklave Mokassins trägt und eine Kaiila reitet?«

»Canka hat das erlaubt«, sagte Cuwignaka.

»Steig ab!« forderte mich Hci auf. »Zieh deine Mokassins aus, entledige dich deiner Kleidung.«

»Er ist nicht dein Sklave!« rief Cuwignaka.

»Auch nicht deiner«, erwiderte Hci.

Ich stieg ab, entkleidete mich und zog auch die Mokassins aus, die Canka mir gegeben hatte. So stand ich vor Hcis Kaiila und trug nichts anderes als den perlenbesetzten Lederkragen, der mir vor etwa zwei Wochen umgelegt worden war. Das Muster der Perlen wies mich als Cankas Eigentum aus; in den letzten Tagen hatte ich erfahren müssen, daß dies alles in allem von Vorteil war. Canka war ein angesehener, bedeutender junger Krieger; bei der kürzlichen Aktion im Westen hatte er sogar als Blotanhunka der Kampfgefährten gewirkt. Dies verlieh mir ein gewisses Prestige, zumal mich Canka selbst offenkundig mit Respekt behandelte. Er nannte mich Tantankasa, Roter Bulle, aus Sicht der Kaiila ein ehrenvoller Name. Er gab mir Mokassins und ließ mich bekleidet gehen. Er hatte mir sogar den Gebrauch meiner ehemaligen Kaiila zugestanden. Ich brauchte nicht in seinem Bau zu wohnen, sondern blieb bei Cuwignaka in einem heruntergekommenen Lederzelt. In gewisser Weise konnte ich mich im Dorf frei bewegen.

»Knie nieder!« befahl Hci verächtlich.

Ich gehorchte.

»Neig den Kopf zur Erde!«

»Das ist wirklich nicht nötig«, sagte Cuwignaka.

»Halt den Mund, Siptopto!« sagte Hci. »Sonst befehle ich dir, Männern zu Gefallen zu sein.«

»Ich habe keine Angst vor dir!« rief Cuwignaka.

»Du sprichst kühn für eine Frau«, sagte Hci.

»Ich bin ein Mann«, gab Cuwignaka zurück. »Und was ihn betrifft, da werde ich Canka Bescheid sagen.«

»Ja, sorg dafür!« sagte Hci ärgerlich und wendete seine Kaiila. Der von den Hufen aufwirbelnde Staub stieg mir in Mund und Nase. »Und jetzt verschwindet von hier, zurück ins Lager!« Anscheinend herrschte keine große Sympathie zwischen Hci und Canka. Wahrscheinlich sah Hci in Canka den Verantwortlichen dafür, daß Cuwignaka frei war und sich dem Stamm angeschlossen hatte, was viele Isbu, so auch Hci, ärgerlich und beschämend fanden. Indem er mich erniedrigte, einen Sklaven, den Canka respektvoll behandelte, rächte er sich gewissermaßen an Canka. Canka seinerseits mochte Hci nicht sehr, vor allem wegen dessen Feindseligkeit gegenüber seinem Bruder Cuwignaka. In Cankas Augen war Hcis Verachtung gegenüber Cuwignaka extremer und starrer, als angebracht schien. Cuwignaka lebte und kleidete sich wie eine Frau, er mußte Frauenarbeit tun und durfte keine Kinder zeugen. Was wollte Hci darüber hinaus?

Ich vermutete, daß es um mehr ging als um Hcis Stammesstolz und Sinn für das Angemessene. Canka war ein schnell aufsteigender junger Krieger im Stamm. Schon hatte er als Blotanhunka einer Kriegergruppe gewirkt. Obwohl Hci geschickt und mutig war, hatte er diese Ehre noch nicht empfangen. Dies mochte Hci um so mehr gekränkt haben, als er der Sohn Mahpiyasapas war, des Zivilhäuptlings der Isbu. Einem Mann seiner Position hätte ein solcher Auftrag eher zufallen müssen – statt dessen wurde er ihm verwehrt. Der Grund, warum Hci noch keine Kriegergruppe hatte befehligen dürfen, sah ich nicht darin, daß man ihn bei den Isbu nicht bewunderte oder mochte oder daß seine Fähigkeiten bei der Spurensuche und im Kampf nicht angesehen waren, sondern in dem Umstand, daß man seinem Urteil nicht traute. Die Unbesonnenheit, mit der er auftrat, und seine Mißachtung persönlicher Gefahr sprachen nicht gerade für seine Fähigkeit, als Anführer verantwortungsvoll zu handeln.

Übrigens hatte ich nicht das Gefühl, daß Hcis Feindseligkeit gegenüber Canka mit der hübschen weißhäutigen, rothaarigen Sklavin Winyela zu tun hatte, die Canka als Beute für sich beansprucht hatte, der ehemaligen Millicent Aubrey-Welles, die Grunt für Hcis Vater Mahpiyasapa ins Ödland gebracht hatte. Hci brauchte solche Sklavinnen nicht; er versorgte sich anderweitig. Mahpiyasapa dagegen war sehr erzürnt gewesen, daß Canka seine Kriegsrechte gegenüber dem Mädchen durchgesetzt hatte, obwohl er von ihrer vorgesehenen Bestimmung unterrichtet worden war. Mahpiyasapa war, wie erwähnt, Zivilhäuptling der Isbu.

Bei den roten Wilden gibt es verschiedene Häuptlinge, vor allem den Kriegshäuptling, den Medizinhäuptling und den Zivilhäuptling. Interessanterweise kann man niemals mehr als ein Häuptling gleichzeitig sein. Diese Bestimmung gehört wie der regelmäßige Wechsel der Polizeimacht zwischen Kriegergruppen zu den Sicherungsventilen der Stammesregierung. Ausgleichend wirkten auch andere Dinge wie Traditionen und Gebräuche, die Nähe zwischen Regierenden und Regierten, die vielschichtigen Beziehungen zwischen Familien, die Häuptlingswahlen, die Abhängigkeit von Ratsbeschlüssen bei wichtigen Angelegenheiten und schließlich die Möglichkeit, den Stamm in größeren oder kleineren Zahlen verlassen zu können. Wegen aller dieser Institutionen ist Despotismus bei den roten Wilden nicht zu finden; er ist unpraktisch, und dieser Umstand ist eine viel sicherere Garantie gegen sein Auftreten als jede noch so laute negative Rhetorik.