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»Auf zehn, vielleicht auch fünfzehn Minuten. Hier gehen Sie weiter und halten Sie den Arm hoch, damit ich meinen Aktenkoffer darauf stützen und das verdammte Ding aufmachen kann.«

»Wo gehen Sie denn hin?« fragte der Staatssekretär, während der Aktenkoffer etwas unsicher auf seinem linken Arm ruhte. Jason klappte ihn auf, holte ein Messer mit langer Klinge heraus und schloß den Koffer wieder. »Sie dürfen mich jetzt nicht allein lassen!«

»Keine Sorge, niemand will Sie aufhalten - uns aufhalten. Wenn die das wollten, hätten sie es schon getan.«

»Sie meinen, das hätte ein Überfall sein können.«

»Ich habe mich auf Ihren analytischen Verstand verlassen und darauf, daß das keiner sein würde. Nehmen Sie den Koffer.«

»Aber was haben Sie -«

»Ich muß sehen, was dort hinten ist. Gehen Sie ruhig weiter.«

Der Mann von Medusa bog nach links ab und betrat an einer Straßenbiegung das Waldstück. Im schnellen Lauf, lautlos und instinktiv dem dichten Unterholz ausweichend, bewegte er sich in einem weiten Halbkreis nach rechts. Minuten später sah er das Glühen von Zigaretten und kroch jetzt wie eine große Katze auf die Gruppe von Männern zu, bis er nur noch drei Meter von ihnen entfernt war. Das schwache Mondlicht, das durch die Zweige über ihm gefiltert wurde, reichte aus, sie zählen zu können. Es waren sechs, und jeder war mit einer leichten Maschinenpistole bewaffnet, die er am Schulterriemen trug...

Und da war noch etwas, etwas, das ihn verblüffte. Jeder der Männer trug die gut geschnittene Uniform mit den vier Taschen, wie sie hohe Offiziere in der Armee der Volksrepublik trugen. Und nach den Gesprächsfetzen zu schließen, die er hören konnte, sprachen sie Mandarin, nicht Kantonesisch, wie es normalerweise Soldaten, ja selbst Offiziere der Garnison von Guangdong sprachen. Diese Männer waren nicht aus Guangdong. Sheng hatte seine Elitegarde eingeflogen.

Plötzlich schnippte einer der Offiziere sein Feuerzeug an und sah auf die Uhr. Borowski studierte das Gesicht über der Flamme. Er kannte es, und sein Anblick bestätigte seine Vermutung. Es war das Gesicht des Mannes, der versucht hatte, Echo auszuhorchen, indem er sich in jener schrecklichen Nacht als Gefangener auf dem Lastwagen ausgegeben hatte, der Offizier, den Sheng mit einem gewissen Maß von Achtung behandelt hatte. Ein cleverer Killer, mit weicher Stimme.

»Xian zai«, sagte der Mann und verkündete damit, daß der Augenblick gekommen sei. Er hob ein Funkgerät auf und sprach. »Da U shi, da U shi!« Er bellte es förmlich und rief seinen Verbindungsmann mit dem Codezeichen Marmor. »Sie sind allein, da ist sonst niemand. Wir werden jetzt weisungsgemäß handeln. Warten Sie das Signal ab.«

Die sechs Offiziere standen gleichzeitig auf, schoben sich die Waffen zurecht und traten ihre Zigaretten aus. Dann eilten sie auf den Weg zu.

Borowski entfernte sich auf Händen und Knien, sprang dann auf und rannte durch den Wald. Er mußte McAllister erreichen, ehe Shengs Leute ihn einholten und im Mondlicht sahen, daß er allein war. Wenn die Wachen unruhig wurden, könnten sie sonst ein anderes Signal aussenden - Konferenz geplatzt. Er erreichte die Straßenbiegung und rannte noch schneller, sprang über heruntergefallene Zweige, die andere gar nicht gesehen hätten, glitt zwischen Lianen und Sträuchern durch, mit denen andere nicht gerechnet hätten. In weniger als zwei Minuten sprang er lautlos dicht neben McAllister aus dem Wald.

»Du lieber Gott!« stöhnte der Staatssekretär.

»Seien Sie still!«

»Sie sind wahnsinnig!«

»Das sagen ausgerechnet Sie.«

McAllister reichte Jason stumm und mit zitternden Händen seinen Aktenkoffer. Nach ein paar Augenblicken fügte er hinzu: »Wenigstens ist das hier nicht explodiert.«

»Ich hätte Ihnen sagen sollen, daß Sie ihn nicht fallen lassen dürfen.«

»O Gott!... Sollten wir nicht von der Straße verschwinden? Wong hat gesagt -«

»Das können Sie vergessen. Wir bleiben jetzt deutlich sichtbar, bis wir das Feld auf dem zweiten Hügel erreichen, und dann werden Sie besser zu sehen sein als ich. Schnell. Jetzt wird dann irgendein Signal gegeben werden, und das bedeutet, daß Sie wieder recht hatten. Ein Pilot wird Landefreigabe erhalten -aber nicht über Funk, nur durch ein Lichtsignal.«

»Wir sollen uns doch irgendwo mit Wong treffen. Am Fuß des ersten Hügels hat er, glaube ich, gesagt.«

»Wir werden ihm ein paar Minuten Zeit lassen, aber ich glaube, ihn können wir auch vergessen. Er wird das sehen, was ich gesehen habe, und ich würde dann an seiner Stelle so schnell wie möglich nach Macao zurückrennen, zu den zwanzigtausend Dollar, die dort auf mich warten, und behaupten, ich hätte mich verlaufen.«

»Was haben Sie denn gesehen?«

»Sechs Männer mit so viel Munition, daß sie einen ganzen Berg entlauben könnten.«

»Mein Gott, da kommen wir nie raus!«

»Sie sollten noch nicht aufgeben. Ich hatte mir das auch überlegt.« Borowski wandte sich McAllister zu und beschleunigte das Tempo. »Andererseits«, fügte er hinzu, und in seiner Stimme klang jetzt tödlicher Ernst, »das Risiko war immer da - wenn wir nach Ihrem Plan handeln.«

»Ja, ich weiß. Ich werde auch nicht durchdrehen. Ganz bestimmt nicht.« Jetzt war der Wald plötzlich zu Ende; der Weg führte quer durch hohe Wiesen. »Weshalb meinen Sie, daß diese Leute hier sind?« fragte der Analytiker.

»Zur Sicherheit, falls es eine Falle geben sollte, und das würde jeder in diesem Geschäft annehmen. Das habe ich Ihnen gesagt, und Sie wollten mir nicht glauben. Aber wenn einiges von dem stimmt, was Sie gesagt haben, und ich glaube, daß das der Fall ist, dann werden die sich nicht blicken lassen - um sicherzugehen, daß Sie nicht in Panik geraten und wegrennen. Wenn das der Fall ist, dann ist das unser Fluchtweg.«

»Wie denn?«

»Sie gehen nach rechts, quer über die Wiese«, erwiderte Jason, ohne damit die Frage zu beantworten. »Ich lasse Wong fünf Minuten Zeit, es sei denn, wir entdecken irgendwo ein Signal oder hören ein Flugzeug, aber keine Sekunde länger. Und auch nur deshalb so lange, weil ich wirklich das Augenpaar haben möchte, für das ich bezahlt habe.«

»Könnte er um diese Männer herumkommen, ohne gesehen zu werden?«

»Ja, falls er nicht schon nach Macao unterwegs ist.«

Sie erreichten das Ende der Wiese und damit den Ansatz des ersten Hügels, der mit Bäumen bestanden war. Borowski sah auf die Uhr und blickte dann zu McAllister hinüber. »Gehen wir dort hinauf, damit man uns nicht mehr sieht«, sagte er und wies auf die Bäume über ihnen. »Ich bleibe hier; Sie gehen weiter hinauf, aber nicht auf die Wiese, lassen Sie sich nicht sehen, halten Sie sich am Rand. Wenn Sie irgendwelche Lichter sehen oder ein Flugzeug hören, dann pfeifen Sie. Sie können doch pfeifen, oder?«

»Eigentlich nicht besonders gut. Als die Kinder noch klein waren und wir einen Hund hatten, einen Cockerspaniel -«

»Ach du meine Güte! Dann werfen Sie Steine, das werde ich hören. Los jetzt!«

»Ja, ich verstehe. Los.«

Delta - denn jetzt war er Delta - begann seine Wache. Immer wieder schoben sich tiefliegende Wolken vor die Mondsichel, und er mußte die Augen zusammenkneifen, damit ihm nichts entging, damit er bemerkte, wenn sich irgend etwas vor die monotone Silhouette der Wiese schob, wenn sich Grashalme bogen und sich auf den Hügel zu bewegten, auf ihn zu. Drei Minuten verstrichen, und er glaubte schon, das Ganze sei Zeitvergeudung, als plötzlich ein Mann zu seiner Rechten aus dem Gras heraustaumelte und auf das Unterholz zustrebte. Borowski ließ den Aktenkoffer los und zog das lange Messer aus dem Gürtel.

»Kam Pek!« flüsterte der Mann.

»Wong?«

»Ja, Sir«, sagte der V-Mann und ging um die Baumstämme herum, näherte sich Jason. »Sie begrüßen mich mit einem Messer?«