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»Das können Sie auch nicht verstehen.« Havilland sah zu Reilly hinüber und wandte den Blick dann wieder McAllister zu. »Wie Jack gerade sagte, sind wir jetzt am kritischen Punkt. Webb begab sich, von Zorn und Wut erfüllt, nach Saigon und schloß sich - mit Unterstützung des CIA-Beamten Conklin, der ihn Jahre später zu töten versuchte - einer Geheimorganisation an, die Medusa hieß. Die Leute von Medusa benützten nie Namen, nur die griechischen Buchstaben des Alphabets - Webb wurde Delta Eins.«

»Medusa? Davon habe ich nie gehört.«

»Wir sind jetzt am Punkt«, sagte Reilly. »Die Medusa-Akte ist immer noch geheim, aber wir haben im vorliegenden Fall die Genehmigung für eine beschränkte Freigabe. Bei den MedusaEinheiten handelte es sich um Leute aus aller Welt, die sowohl den Norden als auch den Süden Vietnams wie ihre Hosentasche kannten. Offen gesagt, handelte es sich bei den meisten um

Verbrecher - Schmuggel, Rauschgift, Gold, Waffen, Juwelen, alle Arten von Konterbande. Außerdem um verurteilte Mörder, Flüchtlinge, die man in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte ... Und ein paar Kolonisten, deren Geschäfte man konfisziert hatte - wieder von beiden Seiten. Sie verließen sich auf uns -Onkel Sam - und erwarteten, daß wir alle ihre Probleme lösen würden, wenn sie dafür feindliche Gebiete infiltrierten, Leute töteten, die unter dem Verdacht standen, Kollaborateure des Vietcong zu sein, oder ebensolche Dorfhäuptlinge. Es handelte sich um Hinrichtungsteams - Todesschwadronen, wenn Sie so wollen -, und das sagt es so gut, wie man es überhaupt sagen kann, aber wir werden es natürlich nie sagen. Es wurden Fehler gemacht, Millionen gestohlen, und die meisten dieser Leute hätte keine Kulturnation in ihre Armee aufgenommen. Webb auch nicht.«

»Und mit seiner Herkunft, seiner akademischen Ausbildung hat er sich freiwillig einer solchen Gruppe angeschlossen?«

»Sein Motiv war eindeutig«, sagte Havilland. »Für ihn war dieses Flugzeug in Phnom Penh nordvietnamesisch.«

»Einige haben gesagt, er sei ein Irrer gewesen«, fuhr Reilly fort. »Andere behaupteten, er sei ein außergewöhnlicher Taktiker gewesen, der beste Guerilla, den man sich vorstellen konnte, ein Weißer, der wie ein Asiate denken konnte und das aggressivste Team von ganz Medusa führte. Das Kommando in Saigon fürchtete ihn ebensosehr wie der Feind. Er war unberechenbar; die einzigen Regeln, die er befolgte, waren seine eigenen. Es war, als hätte er seinen ganz persönlichen Rachefeldzug auf die Beine gestellt, um den Mann zu jagen, der jenes Flugzeug gesteuert und sein Leben zerstört hatte. Es wurde sein Krieg; und je gewalttätiger er wurde, desto mehr befriedigte er ihn - oder vielleicht sollte ich sagen, desto näher brachte er ihn seinem eigenen Todeswunsch.«

»Todes...?« Der Staatssekretär ließ das Wort in der Luft hängen.

»Das war die Theorie der meisten damals«, unterbrach der Botschafter.

»Der Krieg endete«, sagte Reilly, »und zwar für Webb - oder Delta - ebenso katastrophal wie für uns alle anderen auch. Vielleicht sogar schlimmer; für ihn blieb nichts. Es gab keinen Sinn mehr in seinem Leben - nichts mehr, das er töten konnte. Bis wir an ihn herantraten und ihm etwas gaben, für das es sich lohnte weiterzuleben. Oder vielleicht auch, für das es sich lohnte, weiter den Tod zu suchen.«

»Indem er Borowski wurde und die Jagd auf Carlos, den Schakal, begann«, führte McAllister den Gedanken zu Ende.

»Ja«, nickte der Mann vom Nachrichtendienst. Dann folgte ein kurzes Schweigen.

»Wir müssen ihn wiederhaben«, sagte Havilland. Die leisen Worte fielen wie eine Axt auf Hartholz.

»Carlos ist aufgetaucht?«

Der Diplomat schüttelte den Kopf. »Nicht in Europa. Wir brauchen ihn wieder in Asien und können uns nicht leisten, auch nur eine Minute zu vergeuden.«

»Jemand anders? Ein anderes ... Ziel?« McAllister schluckte unwillkürlich. »Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Wir können nicht an ihn herantreten. Nicht direkt.«

»Warum nicht?«

»Er würde uns nicht durch die Tür lassen. Er vertraut niemandem, der aus Washington kommt, und es fällt schwer, ihm das zu verübeln. Tage-, wochenlang hat er um Hilfe gerufen, und wir haben nicht auf ihn gehört. Statt dessen haben wir versucht, ihn umzulegen.«

»Ich muß noch einmal Einspruch erheben«, unterbrach ihn Reilly. »Das waren nicht wir; das war ein Individuum, das nach irrtümlichen Informationen gehandelt hat. Und im Augenblick wendet die Regierung mehr als vierhunderttausend Dollar im Jahr auf, um Webb zu schützen.«

»Wofür er nur Spott übrig hat. Er glaubt, es handle sich um eine Falle für Carlos, falls der Schakal ihn ausfindig machen sollte. Er ist überzeugt, daß er Ihnen völlig egal ist, und ich bin gar nicht so sicher, daß er damit so unrecht hat. Er hat Carlos gesehen, und daß er sich bis jetzt noch nicht an das Gesicht erinnern kann, weiß Carlos nicht. Der Schakal hat allen Grund, Jagd auf Webb zu machen. Und wenn er das tut, bekommen Sie Ihre zweite Chance.«

»Die Chance, daß Carlos ihn findet, ist so gering, daß man sie praktisch vergessen kann. Die Akten von Treadstone sind begraben; und selbst wenn sie das nicht wären, so enthalten sie keinerlei Informationen über Webbs Aufenthaltsort oder das, was er tut.«

»Aber Mr. Reilly!« sagte Havilland spöttisch. »Nur sein Hintergrund und seine Qualifikationen. Wäre das denn so schwierig? Er ist doch ein typischer Akademiker.«

»Ich will mich ja gar nicht mit Ihnen streiten, Herr Botschafter«, meinte Reilly etwas gedämpft. »Ich will ja nur, daß alles klar und eindeutig ist. Wollen wir doch offen sein -man muß sehr vorsichtig mit Webb umgehen. Er hat einen großen Teil seines Gedächtnisses zirückgewonnen, aber ganz sicher erinnert er sich nicht an alles. Aber er weiß genug über Medusa, um eine beträchtliche Gefahr für die Interessen unseres Landes darzustellen.«

»In welcher Weise?« fragte McAllister. »Wir haben sicher keinen Grund, sehr stolz zu sein; aber im wesentlichen handelte es sich doch um eine Strategie zu Kriegszeiten.«

»Eine Strategie, die offiziell nicht sanktioniert war. Es gibt keinerlei amtliche Aufzeichnungen darüber.«

»Wie ist das möglich? Es müssen doch Mittel zur Verfügung gestellt worden sein. Und wenn Geld ausgegeben wird -«

»Jetzt halten Sie mir bloß keinen Vortrag«, unterbrach ihn der beleibte Geheimdienstler. »Wir sind jetzt zwar nicht auf Band, aber ich habe Ihre Erklärung.«

»Ist das Ihre Antwort?«

»Nein - aber das: Es gibt keine Ausnahmegesetze für Kriegsverbrechen und Mord, Herr Staatssekretär. Und Mord und andere Gewaltverbrechen sind gegen unsere eigenen Streitkräfte ebenso wie gegen unsere Verbündeten begangen worden. Im wesentlichen wurden diese Verbrechen von Mördern und Dieben in Tateinheit mit Diebstahl, Plünderung, Vergewaltigung und Mord begangen. Bei den meisten der Täter handelte es sich um pathologische Kriminelle. So wirksam Medusa auch in vieler Hinsicht war, so war es doch ein tragischer Fehler aus Zorn und Enttäuschung, damals in einer Situation, in der keiner gewinnen konnte. Welchen Nutzen könnte es denn haben, jetzt all die alten Wunden aufzureißen? Ganz abgesehen von all den Ansprüchen, die gegen uns gestellt würden, würden wir in den Augen des größten Teils der zivilisierten Welt zum Paria werden.«

»Wie ich schon sagte«, meinte McAllister leise und etwas zögernd, »wir halten im Außenministerium nicht viel davon, alte Wunden aufzureißen.« Er wandte sich dem Botschafter zu. »Ich fange an zu begreifen. Sie wollen, daß ich Verbindung mit diesem David Webb aufnehme und ihn dazu überrede, nach Asien zurückzukehren. Ein anderes Projekt, ein anderes Ziel -obwohl ich vor heute abend dieses Wort nie in diesem Zusammenhang benutzt habe. Wahrscheinlich weil es für uns von früher einige ganz deutliche Parallelen gibt - wir sind Asien-Männer. Wir haben, was den Fernen Osten angeht, ähnliche Ansichten, und deshalb glauben Sie, daß er auf mich hören wird.«