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Skar stand lange am Rande des Plateaus, unfähig, sich zu rühren oder etwas anderes zu empfinden als Staunen und ein Gefühl ungläubigen Entsetzens. Er wußte nicht einmal genau, was er erwartet hatte - eine Art Scheiterhaufen vielleicht, eine gewaltige, glühende Ruine, die Flammen und Asche und glühendes Magma in den Himmel spie -, aber der Anblick lahmte ihn. Die Stadt war unter einer gewaltigen Glocke aus Flammen und Hitze begraben, eine Halbkugel aus Feuer, aus der die Spitzen der Türme wie brennende Finger herausstachen. Aber sie war unbeschädigt. Hinter dem Vorhang aus Glut, den der Atem der Götter über sie gebreitet hatte, war sie unbeschädigt, schimmernd und glänzend wie am ersten Tag, gewaltig, erschreckend und gleichzeitig schön wie unbeschreiblich häßlich, ein Monument der Macht, dem nicht einmal die seit Jahrtausenden brennenden Flammen des Götterfeuers etwas hatten anhaben können. Die Erbauer Combats hatten sich gegen die Götter aufgelehnt und waren vernichtet worden, aber ihr Werk hatte sie überdauert. Der Atem der Götter hatte ihre Stadt mit Flammen überzogen, die so lange brennen würden, wie die Sonne am Himmel stand und die Welt sich drehte, aber nicht einmal sie hatten ihre Kraft brechen können. Combats Macht war gebändigt, aber sie war noch da, spottete selbst den Gewalten, welche die Berge in ihrem Rücken aufgefaltet und die Ebenen von Tuan zu brüchigem Glas verschmolzen hatten, und wartete auf den Tag, an dem irgend jemand kam, sie wieder zu erwecken. Skar begriff plötzlich, warum Vela vor nichts zurückgeschreckt war, sie herherzubringen. Wer immer die Gewalt über dieses Fanal der Macht hatte, beherrschte die Welt.

Schließlich war es Gowenna, die das Schweigen brach.

»Wir sollten weitergehen«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte. »Der Abstieg wird noch den ganzen Tag dauern. Wir ... haben Zeit genug, die Stadt zu betrachten.«

Skar löste sich nur mit Mühe von dem Anblick. Er wandte sich um, ging langsam zu seinem Pferd zurück und zog sich mit sichtlicher Anstrengung in den Sattel. Der Wind war stärker geworden und trug jetzt Brandgeruch mit sich, und die Felsen in ihrem Rücken spiegelten das flackernde Rot des Feuers wider. Er zwang sein Tier herum, deutete mit einer befehlenden Geste auf den südlichen Rand des Plateaus und ritt los, ohne auf die anderen zu warten. Es gab nur diesen einen Weg hinunter, einen schmalen, vielfach gewundenen Pfad, gerade breit genug für einen einzelnen Reiter, und es bestand keine Gefahr, daß einer zurückblieb oder sich verirrte. Er ritt schneller, als es angebracht war. Der Pfad war, obwohl glatt und mit erstaunlich wenig Geröll und Schutt übersät, nicht ungefährlich. Der Boden war abschüssig, und die Hufe der Pferde fanden auf dem Fels kaum Halt. Skars Pferd tänzelte mit kleinen, ängstlichen Schritten vorwärts und warf immer wieder den Kopf hoch, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Schließlich gestattete Skar dem Tier, langsamer zu gehen. Der Weg ins Tal hinab war weit. Das Plateau, auf dem der Stollen endete, lag dicht unter der Spitze des Berges, mehr als anderthalb Meilen über den höchsten Türmen der Stadt, und der Weg, der sich in endlosen Kehren und Schleifen talwärts zog, hatte sicherlich die zehnfache Länge. Außerdem mußten sie mit ihren Kräften haushalten. Er hatte nicht die Zeit, die Männer noch tagelang ausruhen zu lassen, bevor sie in die Stadt eindrangen, und die Hitze dort unten verbot ein Übernachten unmittelbar vor Combat von selbst, so daß ihnen auch am nächsten Tag noch ein anstrengender und vermutlich kaum weniger qualvoller Marsch bevorstand.

Es wurde wärmer, je tiefer sie kamen. Die Sonne kletterte rasch zum Zenit hinauf, aber ihr Licht verblaßte gegen die Höllenglut Combats zu einem trüben Schimmer. Das sanfte Grollen, das sie zuerst gehört hatten, steigerte sich allmählich zu einem dumpfen, grollenden Donnern: ein Geräusch wie von einem fernen Wasserfall, das den Fels unter ihren Füßen zum Vibrieren brachte. Trotz der Wärme gab es hier und da noch Schnee - kleine, in Felsspalten und Risse geduckte Nester, aber auch weite, ausgedehnte Flächen, die dem Ansturm des warmen Windes, der aus dem Tal heraufwehte, bisher standgehalten hatten, und der Fels war an vielen Stellen zerfurcht und ausgewaschen, als fließe hier oft und viel Wasser. Skar konnte sich den niemals endenden Kampf gut vorstellen - nachts mußten die Temperaturen selbst hier bis tief, sehr tief unter den Gefrierpunkt fallen, trotz des Windes und des glühenden Hauches, den er mit sich brachte; aber mit dem Erwachen des Tages siegte die Wärme, Schnee und Eis schmolzen und flössen ab. Gegen Mittag rasteten sie im Schutz eines mächtigen, gezackten Felsens. In seinem Schatten lag noch Schnee, und Skar spürte erst jetzt, wie warm es geworden war. Er saß ab, nahm den fellgefütterten Umhang von den Schultern und verstaute ihn nach kurzem Zögern in seinem Gepäck. Er würde ihn nicht mehr brauchen, nicht, bis sie ihren Auftrag erledigt und den Rückweg angetreten hatten. Sie aßen schweigend - Salzfleisch, trockenes Fladenbrot, und tranken abgestandenes Wasser aus ihren Feldflaschen. Keiner von ihnen hatte Lust auf eine Unterhaltung. Wieder fühlte Skar diese seltsame, mit Angst gemischte Beklemmung, die wie eine schleichende Krankheit von der Gruppe Besitz ergriffen hatte.

Er aß langsam und ohne Appetit, wickelte die Reste sorgfältig in ein Tuch und verstaute sie wieder in den Satteltaschen, die dünn geworden waren. Die Vorräte reichten noch für drei Tage, und selbst das nur bei größter Sparsamkeit. Auf dem Rückweg würden nicht nur Kälte und Sturm, sondern auch der Hunger ihr Begleiter sein. Als Skar zu seinem Platz zurückkehrte, erwartete ihn Gowenna. Auch sie hatte ihren Mantel abgelegt, trug darunter aber nicht wie Skar und die anderen ein langes, fellgefüttertes Hemd, sondern nur den glänzenden Brustharnisch und ein seidenes, halb durchsichtiges Etwas, das sicher sehr dekorativ, aber alles andere als den Temperaturen angemessen war. Sie zitterte. Auf ihren nackten Unterarmen war eine Gänsehaut, und als sie sprach, tat sie es in der schnellen, hastigen Art eines Menschen, der verhindern möchte, daß seine Stimme vor Kälte schwankte.

»Wir sollten miteinander reden«, sagte sie.

Skar ging an ihr vorbei, hockte sich auf einen Felsen und zog die Knie an den Körper. Der Stein unter ihm war feucht und kalt, und er drehte sich so, daß der warme Wind aus dem Tal die Breitseite seines Körpers traf. »Du fängst ein wenig spät damit an«, sagte er, ohne Gowenna anzusehen. Der Unterton von Feindseligkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören, und er gab sich auch gar keine Mühe mehr, sich zu verstellen.

Es war nicht Gowenna, der sein Haß gelten sollte. Sie war nur ein Werkzeug wie er, wenn auch vielleicht im Gegensatz zu ihm ein williges. Es war eine andere, die er hassen sollte, mit jeder Faser seiner Seele. Aber er konnte es nicht. Trotz allem, was sie ihm angetan hatte, hatte sie in seinen Gedanken noch immer die Aura des Unantastbaren, Heiligen. Sie war eine Errish, und er hatte gelernt, den Ehrwürdigen Frauen aus Elay mit Achtung und Ehrerbietung zu begegnen, sie - wenn schon nicht als Götter - so doch als Vertreter einer anderen, besseren Menschheit zu betrachten. Er hatte gelernt, daß eine Errish niemals etwas Schlechtes oder Verwerfliches tun würde - tun könnte - und nicht einmal das, was geschehen war, hatte diesen Glauben erschüttern können. Er wußte es besser, aber irgend etwas war in ihm, das den Glauben an das Gute in den Errish noch nicht verloren hatte. Er hätte sie hassen müssen, wollte sie hassen, aber er konnte es eben nicht. Und so entlud sich sein Zorn ganz auf Gowenna. »Wir sind seit mehr als vierzig Tagen unterwegs, aber ich habe bereits bezweifelt, daß du überhaupt meinen Namen weißt.«