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«Möchtest du ihn lesen, Ricky, mein Schöner?«fragte Spicer und reichte Beech den Brief. Der nahm ihn und betrachtete den Umschlag. Er war weiß und ohne Absender und die Adresse war mit der Maschine geschrieben.

«Hast du ihn schon gelesen?«fragte Beech.

«Nein. Nun mach schon.«

Beech zog langsam den Brief aus dem Umschlag. Es war ein einfacher weißer Bogen, der mit einer alten Schreibmaschine eng beschrieben war. Beech räusperte sich und las vor: >»Lieber Ricky! Ich hab's getan. Ich kann's noch gar nicht fassen, aber ich hab's wirklich getan. Ich bin in eine Telefonzelle gegangen und hab das Geld per Postanweisung überwiesen, so dass es nicht zurückverfolgt werden kann — ich glaube, ich habe keine Spuren hinterlassen. Die New Yorker Agentur, die du mir empfohlen hast, war hervorragend — sehr diskret und hilfsbereit. Ich will ehrlich sein, Ricky: Ich hatte eine Heidenangst. Bis vor ein paar Wochen wäre es mir nicht im Traum eingefallen, eine Kreuzfahrt mit lauter Homosexuellen zu buchen. Aber soll ich dir was sagen? Es war aufregend! Ich bin so stolz auf mich! Wir haben eine Luxuskabine für tausend Dollar die Nacht. Ich kann's kaum erwarten.<«

Beech hielt inne und sah seine Kollegen über die tief auf der Nase sitzende Lesebrille hinweg an. Die beiden lächelten verträumt.

Er fuhr fort: >»Wir stechen am zehnten März in See und ich habe eine wunderbare Idee. Ich werde am neunten in Miami ankommen, so dass wir nur wenig Zeit haben werden, uns kennen zu lernen.

Treffen wir uns doch auf dem Schiff, in unserer Kabine. Ich werde als Erster da sein, meine Sachen in die Kabine bringen lassen, den Champagner kalt stellen und auf dich warten. Ach, was werden wir für einen Spaß haben, Ricky! Drei Tage, nur für uns allein! Wenn es nach mir geht, werden wir die ganze Zeit im Bett verbringen.<«

Beech konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, doch irgendwie gelang es ihm, dabei angeekelt den Kopf zu schütteln.

>»Ich bin schon so aufgeregt. Endlich habe ich beschlossen, herauszufinden, wer ich wirklich bin, und du, Ricky, hast mir den Mut gegeben, den ersten Schritt zu tun. Obwohl wir uns bis jetzt nur brieflich kennen, kann ich dir gar nicht genug danken.

Bitte schreib mir so schnell wie möglich und gib auf dich Acht, mein Ricky. In Liebe, Quince.<«

«Ich glaube, ich muss gleich kotzen«, sagte Spicer, aber es klang nicht überzeugend. Es gab zu viel zu tun.

«Wir sollten die Bombe platzen lassen«, sagte Beech. Die anderen stimmten ihm sogleich zu.

«Wie viel?«fragte Yarber.

«Mindestens hunderttausend«, sagte Spicer.»Seine Familie ist seit zwei Generationen im Bankgeschäft. Wir wissen, dass sein Vater sich noch nicht zur Ruhe gesetzt hat, und man kann sich vorstellen, wie der Alte ausrasten wird, wenn er hört, dass sein Sohn ein Schwuler ist. Quince kann es sich nicht leisten, vor die Tür gesetzt zu werden, also wird er zahlen, was wir verlangen. Es ist die ideale Situation.«

Beech machte sich bereits Notizen, ebenso wie Yarber. Spicer ging in dem kleinen Raum auf und ab wie ein Bär. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Strategie diskutiert, Ideen entwickelt und Formulierungen gefunden hatten, doch schließlich nahm ihr Antwortbrief Gestalt an.

Beech las den Entwurf vor. >»Lieber Quince! Über deinen Brief vom vierzehnten Januar habe ich mich sehr gefreut. Wie schön, dass du die Schwulen-Kreuzfahrt gebucht hast. Das klingt wirklich faszinierend. Es gibt nur ein einziges kleines Problem: Ich werde nicht dabei sein können, und das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass ich erst in ein paar Jahren entlassen werde. Ich bin nämlich nicht in einer Drogenklinik, sondern im Gefängnis. Und ich bin alles andere als schwul. Ich habe eine Frau und zwei Kinder und denen geht es finanziell gar nicht gut, weil ich ja im Knast sitze und sie nicht unterstützen kann. Und das ist der Punkt, an dem du ins Spiel kommst, Quince: Ich brauche etwas von deinem Geld. Ich will hunderttausend Dollar. Nennen wir es einfach Schweigegeld. Du schickst es mir und ich vergesse diese ganze Ricky-Geschichte und die Schwulen-Kreuzfahrt und kein Mensch in Bakers, Iowa, wird je etwas davon erfahren, weder deine Frau noch deine Kinder, dein Vater oder der Rest deiner reichen Familie. Wenn du kein Geld schickst, werden viele Leute in deiner kleinen Stadt Kopien deiner Briefe kriegen.

Das Ganze nennt sich Erpressung, Quince, und du bist in die Falle getappt. Es ist grausam, gemein und ein Verbrechen, aber das ist mir egal. Du hast Geld und ich brauche welches.<«

Beech hielt inne und sah die anderen an.

«Wunderbar«, sagte Spicer, der in Gedanken bereits dabei war, seinen Anteil auszugeben.

«Übel«, sagte Yarber.»Was ist, wenn er sich umbringt?«

«Das ist reine Spekulation«, sagte Beech.

Sie lasen den Brief noch einmal und erörterten, ob der Zeitpunkt für diesen Schritt richtig war. Sie sprachen weder über die Gesetzeswidrigkeit dieser Sache noch über die Strafe, die sie erwartete, falls sie aufflogen. Das alles war vor Monaten geklärt worden, als Joe Roy Spicer die anderen beiden überzeugt hatte mitzumachen. Im Verhältnis zum möglichen Ertrag war das Risiko minimal. Die

Männer, die ihnen in die Falle gingen, würden wohl kaum zur Polizei laufen und Anzeige wegen Erpressung erstatten.

Doch bisher hatten sie noch keinen erpresst. Sie standen in Briefkontakt mit rund einem Dutzend potenziellen Opfern — allesamt Männer in mittleren Jahren, die den Fehler begangen hatten, auf diese Kleinanzeige zu antworten:

Attr. Mann, weiß, Mitte 20, sucht Brieffreundschaft mit liebevollem, diskretem Herrn, Anf. 40 bis Ende 50

Eine einzige, klein gedruckte Anzeige auf den letzten Seiten eines Schwulenmagazins hatte sechzig Antworten gebracht. Spicer war die Aufgabe zugefallen, die Briefe durchzusehen und die reichen Opfer herauszusieben. Anfangs war er widerwillig gewesen, doch nach und nach hatte er Gefallen daran gefunden. Und jetzt war es auf einmal ein Geschäft, denn sie waren im Begriff, einen vollkommen unschuldigen Menschen um 100000 Dollar zu erpressen.

Ihr Anwalt würde ein Drittel der Summe einstecken. Das war der übliche Tarif, aber dennoch ein frustrierend hoher Anteil. Doch es blieb ihnen keine andere Wahl. Er war für die Durchführung unerlässlich.

Sie feilten noch eine Stunde lang an dem für Quince bestimmten Brief und beschlossen dann, die Sache noch einmal zu überschlafen, bevor sie die Endfassung schrieben. Es war noch ein weiterer Brief gekommen, und zwar von einem Mann, der das Pseudonym Hoover gebrauchte. Es war sein zweiter Brief an Percy und er ließ sich seitenlang über Vogelbeobachtung aus. Yarber würde sich mit Ornithologie beschäftigen und großes Interesse dafür heucheln müssen. Offenbar war Hoover äußerst vorsichtig. Er verriet nichts Persönliches und erwähnte Geld mit keinem Wort.

Die drei beschlossen, ihm etwas mehr Zeit zu lassen. Sie würden von Vögeln schreiben und versuchen, das Thema körperliche Liebe anzuschneiden. Wenn Hoover den Wink ignorierte und nicht deutlicher wurde, was seine finanzielle Situation betraf, würden sie ihn fallen lassen.

In der Strafvollzugsbehörde des Justizministeriums wurde Trumble als» Camp «geführt, was bedeutete, dass es dort weder Zäune noch Stacheldraht, Wachtürme oder bewaffnete Wachen gab, die nur darauf warteten, Ausbrecher niederzuschießen. In einem Camp gab es nur ein Minimum an Sicherheitsmaßnahmen, so dass jeder Insasse einfach fliehen konnte, wenn er wollte. Es gab 1000 Gefangene in Trumble, aber nur wenige wollten fliehen.