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Wir kamen bei Semjon Jakowlewitsch Punkt ein Uhr an. Das Tor des ziemlich großen Kaufmannshauses stand weit offen, und der Zugang zu dem Nebengebäude war unbehindert. Wir erfuhren sogleich, daß Semjon Jakowlewitsch gerade beim Mittagessen sei, aber trotzdem Besuch empfange. Unsere ganze Schar trat zugleich ein. Das Zimmer, in dem der Gottesmann empfing und speiste, war ziemlich geräumig, dreifenstrig und durch ein halbmannshohes Holzgitter, das querüber von einer Wand zur andern ging, in zwei gleiche Teile geteilt. Die gewöhnlichen Besucher blieben außerhalb des Gitters; die Glückskinder aber wurden auf Anweisung des Gottesmannes durch ein Türchen des Gitters in seine Hälfte hereingelassen, und er ließ sie, wenn er wollte, auf seinen alten Ledersesseln und auf dem Sofa Platz nehmen; er selbst aber saß unveränderlich auf einem alten, abgescheuerten Lehnstuhl. Er war ein ziemlich großer, aufgedunsener Mann mit gelblicher Hautfarbe, etwa fünfundfünfzig Jahre alt, mit dünnem, blondem Haar und einer Glatze, mit rasiertem Gesichte, mit geschwollener rechter Backe und etwas schiefgezogenem Munde, mit einer großen Warze nahe am linken Nasenflügel, mit kleinen, schmalen Augen und einem ruhigen, gesetzten, schläfrigen Gesichtsausdruck. Er trug deutsche Tracht, einen schwarzen Oberrock, aber keine Weste und kein Halstuch. Unter seinem Rocke schaute ein ziemlich grobes, aber weißes Hemd hervor; die anscheinend kranken Füße steckten in Pantoffeln. Ich hörte, daß er einmal Beamter gewesen sei und zu einer der Rangklassen gehört habe. Er hatte soeben eine leichte Fischsuppe gegessen und machte sich nun an sein zweites Gericht: Kartoffeln in der Schale mit Salz. Etwas anderes aß er niemals; er trank nur viel Tee, von dem er ein großer Freund war. Um ihn waren drei Diener, die ihm der Kaufmann hielt, in geschäftiger Bewegung; einer von ihnen trug einen Frack; der zweite sah aus wie ein Arbeiter, der dritte wie ein Kirchendiener. Es war auch ein etwa sechzehnjähriger, sehr munterer Knabe anwesend. Außer der Dienerschaft war da noch ein ehrwürdiger, grauhaariger, nur etwas zu korpulenter Mönch mit einer Sammelbüchse. Auf einem der Tische siedete ein gewaltiger Samowar, und es stand dort auch ein Präsentierbrett mit nahezu zwei Dutzend Gläsern. Auf einem andern, gegenüberstehenden Tische hatten die dargebrachten Gaben ihren Platz gefunden: mehrere Hüte Zucker, sowie einige einzelne Pfunde Zucker, ferner ungefähr zwei Pfund Tee, ein Paar gestickte Pantoffeln, ein seidenes Taschentuch, ein Stück Tuch, ein Stück Leinwand und so weiter. Die Geldspenden wurden fast alle in die Sammelbüchse des Mönchs hineingetan. Im Zimmer waren eine Menge Menschen, schon allein an Besuchern etwa ein Dutzend, von denen zwei bei Semjon Jakowlewitsch innerhalb des Gitters saßen; das waren ein alter, grauhaariger Wallfahrer, ein Mann aus dem Volke, und ein kleiner, magerer Mönch von auswärts, der sehr manierlich mit niedergeschlagenen Augen dasaß. Die übrigen Besucher standen alle außerhalb des Gitters; auch sie gehörten größtenteils dem gewöhnlichen Volke an, nur drei Personen nicht: ein dicker, bärtiger Kaufmann, der aus einer Kreisstadt gekommen war, russische Tracht trug, aber, wie man wußte, hunderttausend Rubel besaß; ferner eine bejahrte, bedürftige adelige Dame und drittens ein Gutsbesitzer. Alle warteten auf ihr Glück, ohne daß sie selbst gewagt hätten zuerst zu reden. Vier von ihnen lagen auf den Knien; am meisten von allen zog der Gutsbesitzer die Aufmerksamkeit auf sich, ein dicker Mann von etwa fünfundvierzig Jahren; er kniete dicht am Gitter an besonders sichtbarer Stelle und wartete andächtig auf einen gnädigen Blick oder ein gnädiges Wort Semjon Jakowlewitschs. Er kniete schon ungefähr eine Stunde lang; der aber beachtete ihn gar nicht.