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»Jage ihn fort, jage ihn fort! Mit dem Besen, mit dem Besen!« rief Semjon Jakowlewitsch, wieder heftig gestikulierend.

Der Gutsbesitzer wartete die Ausführung der Bestrafung nicht ab, sondern sprang auf und lief aus dem Zimmer hinaus.

»Er hat an seinem Platze ein Goldstück zurückgelassen,« meldete der Mönch und hob einen halben Imperial vom Fußboden auf.

»Wer soll das bekommen?« sagte Semjon Jakowlewitsch und zeigte mit dem Finger auf den Kaufmann mit den hunderttausend Rubeln.

Der reiche Mann wagte es nicht, das Geschenk abzulehnen, und nahm das Goldstück hin.

»Gold zu Golde!« konnte sich der Mönch aus dem Kloster nicht enthalten zu bemerken.

»Und diesem mit Zucker darin!« befahl Semjon Jakowlewitsch plötzlich und wies auf Mawriki Nikolajewitsch.

Ein Diener goß Tee ein und wollte ihn versehentlich dem Stutzer mit dem Pincenez bringen.

»Dem Langen, dem Langen!« berichtigte Semjon Jakowlewitsch.

Mawriki Nikolajewitsch nahm das Glas entgegen, machte eine militärische Verbeugung und begann zu trinken. Ich weiß nicht warum; aber die Unsrigen wollten sich ausschütten vor Lachen.

»Mawriki Nikolajewitsch!« wandte sich auf einmal Lisa an ihn. »Der Herr, der da gekniet hat, ist weggegangen; knien Sie an seiner Stelle nieder!«

Mawriki Nikolajewitsch blickte sie erstaunt an.

»Ich bitte Sie darum; Sie werden mir damit das größte Vergnügen machen, hören Sie wohl, Mawriki Nikolajewitsch?« sagte sie hartnäckig, eigensinnig und mit fieberhafter Hast. »Tun Sie es ohne Widerrede; ich will unbedingt sehen, wie Sie da knien. Wenn Sie es nicht tun, dann dürfen Sie nie wieder zu mir kommen. Ich will es unbedingt; unbedingt will ich es!«

Ich weiß nicht, was sie damit beabsichtigte; aber sie stellte ihre Forderung mit einer unerbittlichen Hartnäckigkeit wie in einem Krankheitsanfall. Mawriki Nikolajewitsch erklärte sich, wie wir später sehen werden, bei ihr solche namentlich in der letzten Zeit häufigen launischen Anwandlungen als Ausbrüche eines blinden Hasses gegen ihn, eines Hasses, der nicht etwa auf böser Gesinnung beruhte (vielmehr achtete, liebte und schätzte sie ihn sehr, und er selbst wußte das), sondern ein eigenartiger, unbewußter Haß war, den sie zu gewissen Zeiten schlechterdings nicht zu unterdrücken vermochte.

Er übergab sein Teeglas schweigend einer hinter ihm stehenden alten Frau, öffnete die Tür im Gitter, ging ohne Einladung in Semjon Jakowlewitschs reservierte Hälfte und kniete in der Mitte des Raumes vor aller Augen nieder. Ich glaube, daß er in seiner zartfühlenden, ehrlichen Seele durch den plumpen Scherz, den sich Lisa angesichts der ganzen Gesellschaft erlaubte, sich tief verletzt fühlte. Vielleicht meinte er, sie werde sich ihres Benehmens schämen, wenn sie seine Erniedrigung sähe, auf der sie so eigensinnig bestanden hatte. Allerdings hätte es wohl niemand außer ihm versucht, eine Frau auf eine so naive, gewagte Weise zu bessern. So lag er nun da auf den Knien, mit seinem unerschütterlichen Ernst im Gesichte, mit seiner langen Gestalt, in ungeschickter, lächerlicher Haltung. Aber die Unsrigen lachten nicht; der überraschende Vorgang brachte eine peinliche Wirkung hervor. Alle blickten Lisa an.

»Öl, Öl!« murmelte Semjon Jakowlewitsch.

Lisa wurde auf einmal ganz blaß, schrie auf und eilte nach der andern Seite des Gitters. Hier spielte sich mit großer Geschwindigkeit eine sehr aufgeregte Szene ab: sie bemühte sich mit aller Kraft, Mawriki Nikolajewitsch aus seiner knienden Stellung aufzuheben, indem sie ihn mit beiden Händen an den Ellbogen faßte.

»Stehen Sie auf, stehen Sie auf!« rief sie wie von Sinnen. »Stehen Sie sofort auf, sofort! Wie konnten Sie das nur tun!«

Mawriki Nikolajewitsch erhob sich von den Knien. Sie preßte mit ihren Händen seine Arme oberhalb der Ellbogen zusammen und sah ihm unverwandt ins Gesicht. Eine große Angst lag in ihrem Blicke.

»Liebäugler, Liebäugler!« sagte Semjon Jakowlewitsch noch einmal.

Sie zog endlich Mawriki Nikolajewitsch wieder nach der andern Seite des Gitters; in dem ganzen Schwarm der Unsrigen machte sich eine starke Bewegung bemerklich. Die Dame aus unserem Wagen, die wahrscheinlich diesen Eindruck zu verwischen wünschte, fragte Semjon Jakowlewitsch zum dritten Male mit heller, klagender Stimme und wie früher mit einem affektierten Lächeln:

»Nun, Semjon Jakowlewitsch, werden Sie mir denn wirklich gar nichts sagen? Und ich hatte doch so bestimmt darauf gerechnet!«

»Du kannst ...« sagte auf einmal Semjon Jakowlewitsch, zu ihr gewendet, und bediente sich dabei eines ganz unerlaubten Ausdrucks, den er grimmig und mit erschreckender Deutlichkeit aussprach. Unsere Damen kreischten auf und liefen Hals über Kopf hinaus; die Herren brachen in ein homerisches Gelächter aus. Damit endete unsere Fahrt zu Semjon Jakowlewitsch.

Und doch ereignete sich dabei, wie man sagt, noch ein höchst rätselhafter Vorfall, und um seinetwillen habe ich eigentlich diese Fahrt so ausführlich erzählt.

Man sagt, als alle in dichtem Schwarm herausströmten, sei Lisa, die von Mawriki Nikolajewitsch am Arm geführt wurde, auf einmal in der Tür im Gedränge mit Nikolai Wsewolodowitsch zusammengestoßen. Es muß bemerkt werden, daß die beiden seit jenem Sonntagvormittag und seit jener Ohnmacht einander zwar mehrfach begegnet, aber nie in persönliche Berührung miteinander gekommen waren und kein Wort miteinander gewechselt hatten. Ich sah, wie sie in der Tür zusammentrafen; es kam mir vor, als ob sie beide einen Augenblick stutzten und einander sonderbar ansähen. Aber ich konnte in dem dichten Haufen schlecht sehen. Es wurde aber behauptet, und zwar ganz ernst, daß Lisa Nikolai Wsewolodowitsch angesehen, schnell die Hand bis zur Höhe seines Gesichtes erhoben habe und ihn sicherlich geschlagen haben würde, wenn er sich nicht noch schnell vorher abgewandt hätte. Vielleicht mißfiel ihr der Ausdruck seines Gesichtes oder ein Lächeln auf demselben, besonders jetzt nach dem eigenartigen Vorfall mit Mawriki Nikolajewitsch. Ich muß gestehen, daß ich selbst nichts gesehen habe; dagegen versicherten alle andern, es gesehen zu haben, obgleich alle es in dem Getümmel bestimmt nicht hatten sehen können, sondern höchstens einige. Aber ich glaubte diese Geschichte damals nicht. Ich erinnere mich jedoch, daß Nikolai Wsewolodowitsch auf dem ganzen Rückwege etwas blaß aussah.

III.

An demselben Tage und fast zu derselben Stunde kam nun auch endlich die Wiederbegegnung zwischen Stepan Trofimowitsch und Warwara Petrowna zustande, die diese schon längst beabsichtigt, schon längst ihrem früheren Freunde angekündigt, aber seither aus irgendwelchem Grunde immer wieder verschoben hatte. Sie fand in Skworeschniki statt. Warwara Petrowna war in sorgenvoller Erregung nach ihrem nahe bei der Stadt gelegenen Gute gekommen; denn tags zuvor war endgültig bestimmt worden, daß das bevorstehende Fest bei der Frau Adelsmarschall veranstaltet werden sollte. Aber Warwara Petrowna hatte sich mit der ihr eigenen Schnelligkeit des Denkens sofort gesagt, daß niemand sie hindern könne, nach dem Feste selbst ein besonderes Fest, und zwar dann in Skworeschniki, zu geben und von neuem die ganze Stadt dazu einzuladen. Dann würden alle sich mit eigenen Augen davon überzeugen können, wessen Haus das beste sei, und wo man es am besten verstehe, Gäste zu empfangen und mit Geschmack einen Ball zu geben. Sie schien eine ganz andere geworden zu sein und sich aus der früheren unnahbaren »höchstklassigen Dame« (ein Ausdruck Stepan Trofimowitschs) in eine ganz gewöhnliche, unvernünftige Weltdame verwandelt zu haben. Übrigens schien das möglicherweise auch nur so.

Nachdem sie in dem unbewohnten Hause angekommen war, ging sie in Begleitung des treuen, altmodischen Alexei Jegorowitsch und Fomuschkas, eines Menschen, der sich in der Welt umgesehen hatte und im Dekorationsfache Spezialist war, durch alle Zimmer. Nun begannen die Überlegungen und Beratungen: was an Möbeln aus dem Stadthause herüberzuholen sei; welche Kunstgegenstände und Gemälde; wo sie zu placieren seien; wie sich die Orangerie und die Blumen am passendsten arrangieren ließen; wo man neue Draperien anbringen müsse, wo das Büfett eingerichtet werden solle, und ob eines oder zwei, und so weiter, und so weiter. Und siehe da, mitten in diesem Trubel von Sorgen kam ihr plötzlich der Einfall, einen Wagen zu Stepan Trofimowitsch zu schicken, um ihn abholen zu lassen.