Выбрать главу

Dieser war schon längst benachrichtigt und bereit und erwartete täglich gerade eine solche plötzliche Aufforderung. Als er in den Wagen stieg, bekreuzte er sich: die Entscheidung seines Schicksals stand bevor. Er traf seine Freundin in dem großen Saale, auf einem kleinen, in einer Nische stehenden Sofa, an einem kleinen Marmortischchen, mit Bleistift und Papier in den Händen; Fomuschka maß mit einem Zollstock die Höhe der Galerien und der Fenster, und Warwara Petrowna notierte selbst die Zahlen und machte Randbemerkungen dazu. Ohne sich in ihrer Arbeit zu unterbrechen, nickte sie Stepan Trofimowitsch zu, und als dieser eine Begrüßung murmelte, gab sie ihm schnell die Hand und wies ihm, ohne ihn anzusehen, einen Platz neben sich an.

»Ich saß und wartete wohl fünf Minuten lang, mein Herz zur Ruhe zwingend,« erzählte er mir nachher. »Ich sah nicht die Frau vor mir, die ich zwanzig Jahre lang gekannt hatte. Die feste Überzeugung, daß alles zu Ende sei, verlieh mir eine Kraft, von der selbst sie überrascht war. Ich versichere Sie, sie war erstaunt über meinen Stoizismus in dieser letzten Stunde.«

Warwara Petrowna legte auf einmal den Bleistift auf das Tischchen und wandte sich schnell zu Stepan Trofimowitsch.

»Stepan Trofimowitsch, wir müssen ein sachliches Gespräch führen. Ich bin überzeugt, daß Sie nach Ihrer Art allerlei hochtrabende Worte und Redensarten sich zurechtgelegt haben; aber es wäre doch wohl das Beste, gleich zur Sache zu kommen, nicht wahr?«

Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie beeilte sich so, den Ton für das bevorstehende Gespräch anzugeben; was konnte nun noch Gutes kommen?

»Warten Sie, schweigen Sie, lassen Sie mich reden; nachher können Sie selbst reden, wiewohl ich wirklich nicht weiß, was Sie mir antworten könnten,« fuhr sie in schnellem Tempo fort. »Ich halte es für meine heilige Pflicht, Ihnen Ihre Pension von zwölfhundert Rubeln bis an Ihr Lebensende zu zahlen. Aber warum heilige Pflicht? Nennen wir es ganz einfach eine vertragsmäßige Verpflichtung, das wird weit realistischer sein, nicht wahr? Wenn Sie wollen, können wir es schriftlich machen. Für den Fall meines Todes habe ich besondere Anordnungen getroffen. Aber Sie empfangen von mir jetzt Wohnung und Dienerschaft und den gesamten Unterhalt. Veranschlagen wir das in Geld, so werden etwa fünfzehnhundert Rubel herauskommen, nicht wahr? Ich werde noch einen Extraposten von dreihundert Rubeln hinzufügen, so daß es volle dreitausend Rubel ergibt. Reicht Ihnen das für ein Jahr? Ich möchte meinen, es ist nicht wenig. In ganz besonderen Fällen werde ich übrigens noch etwas zulegen. Also nehmen Sie das Geld, schicken Sie mir meine Leute zurück, und leben Sie für sich, wo Sie wollen: in Petersburg, in Moskau, im Auslande oder hier, nur nicht bei mir! Hören Sie auch zu?«

»Vor kurzem wurde ebenso dringlich und ebenso schnell von demselben Munde eine andere Forderung an mich gestellt,« antwortete Stepan Trofimowitsch traurig, langsam und deutlich. »Ich fügte mich ... und tanzte Ihnen zu Gefallen den Kosakentanz. Oui, la comparaison peut être permise. C'était comme un petit cosaque du Don, qui sautait sur sa propre tombe. Jetzt ...«

»Halt, Stepan Trofimowitsch! Sie machen viele Worte. Sie haben nicht getanzt, sondern sind mit einer neuen Krawatte, weißer Wäsche und Handschuhen, pomadisiert und parfümiert zu mir gekommen. Ich versichere Ihnen, daß Sie selbst die größte Lust hatten zu heiraten; das stand Ihnen auf dem Gesichte geschrieben, und Sie können es glauben: dieser Ausdruck war durchaus ungekünstelt. Wenn ich es Ihnen nicht gleich damals aussprach, so unterließ ich es einzig aus Zartgefühl. Aber Sie wünschten, Sie wünschten zu heiraten, trotz der Schändlichkeiten, die Sie im geheimen über mich und Ihre Braut geschrieben hatten. Jetzt liegt die Sache ganz anders. Und was soll hier der cosaque du Don, der auf Ihrem Grabe tanzt? Ich verstehe nicht, was das für ein Vergleich ist. Vielmehr: sterben Sie nicht, sondern leben Sie; leben Sie, so lange wie möglich, und ich werde mich sehr darüber freuen.«

»Im Armenhause?«

»Im Armenhause? Mit dreitausend Rubeln Jahreseinnahme geht man nicht ins Armenhaus. Ach so, ich erinnere mich,« fügte sie lächelnd hinzu, »Peter Stepanowitsch hat wirklich einmal im Scherz etwas vom Armenhause gesagt. Aber da handelte es sich in der Tat um ein besonderes ›Armenhaus‹, das in Erwägung zu ziehen sich der Mühe lohnt. Es ist für die achtenswertesten Personen bestimmt; es wohnen Obersten darin; sogar ein General will jetzt hinziehen. Wenn Sie mit Ihrem ganzen Gelde da eintreten, so finden Sie da Ruhe, Behaglichkeit, Bedienung. Sie werden sich da mit den Wissenschaften beschäftigen können und immer die Möglichkeit haben, eine Partie Préférence zu spielen.«

»Passons!«

»Passons?« wiederholte Warwara Petrowna, sich verletzt fühlend. »In diesem Falle sind wir zu Ende; Sie sind benachrichtigt, daß wir von jetzt an vollständig getrennt leben werden.«

»Und das ist alles? Alles, was von zwanzig Jahren übriggeblieben ist? Ihr letztes Abschiedswort?«

»Sie sind ein großer Liebhaber von pathetischen Ausrufen, Stepan Trofimowitsch. Heutzutage ist das gar nicht mehr Mode. Man redet jetzt einfach und geradezu. Bleiben Sie mir vom Leibe mit Ihren zwanzig Jahren! Zwanzig Jahren eines beiderseitigen Egoismus, weiter nichts! Jeder Brief, den Sie mir schrieben, war nicht für mich bestimmt, sondern für die Nachwelt. Sie sind ein Stilist, aber kein Freund, und unsere Freundschaft war nur ein großartig klingendes Wort, in Wirklichkeit aber ein wechselseitiges Begießen mit Spülicht ...«

»O Gott, wie viele entlehnte Ausdrücke! Auswendig gelernte Pensen! Auch Ihnen haben diese Menschen schon ihre Uniform angezogen! Auch Sie sind vergnügt und sonnen sich; chère, chère, für welches Linsengericht haben Sie diesen Menschen Ihre Freiheit verkauft!«

»Ich bin kein Papagei, daß ich die Worte anderer nachsprechen sollte,« ereiferte sich Warwara Petrowna. »Seien Sie überzeugt, daß ich einen genügenden Vorrat eigener Worte besitze! Was haben Sie diese zwanzig Jahre her für mich getan? Sie haben mir sogar die Bücher vorenthalten, die ich Ihnen kommen ließ, und die ohne den Buchbinder unaufgeschnitten geblieben wären. Was haben Sie mir zu lesen gegeben, wenn ich Sie in den ersten Jahren bat, mich zu führen und zu leiten? Immer Capefigue und Capefigue.1 Sie sahen sogar meine geistige Entwicklung ungern und ergriffen Maßregeln dagegen. Und dabei machen über Sie selbst sich alle Leute lustig. Ich gestehe, ich habe Sie immer nur für einen Kritiker gehalten; Sie sind ein literarischer Kritiker, weiter nichts. Als ich Ihnen auf der Reise nach Petersburg auseinandersetzte, daß ich die Absicht hätte, ein Journal herauszugeben und ihm mein ganzes Leben zu weihen, da begannen Sie sogleich, mich mit ironischen Blicken zu betrachten, und wurden auf einmal furchtbar hochmütig.«

»Das verhielt sich nicht so, das verhielt sich nicht so ... wir fürchteten damals Verfolgungen ...«

»Genau so verhielt es sich, und Verfolgungen hatten Sie in Petersburg keine zu befürchten. Erinnern Sie sich dann wohl später im Februar, als jene Nachricht kam, wie Sie da auf einmal erschrocken zu mir gelaufen kamen und von mir verlangten, ich solle Ihnen sofort eine Bestätigung geben, in Form eines Briefes, daß das geplante Journal Sie gar nichts angehe, daß die jungen Männer zu mir kämen und nicht zu Ihnen, und daß Sie nur ein Hauslehrer seien, der im Hause wohnen geblieben sei, weil er noch nicht sein ganzes Gehalt ausgezahlt bekommen habe, nicht wahr? Erinnern Sie sich wohl noch daran? Sie haben sich Ihr ganzes Leben lang herrlich benommen, Stepan Trofimowitsch!«