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Stumm trat er zu ihr und lächelte.

»Du siehst wieder wie ein ganzer Mensch aus«, bemerkte sie leichthin.

Er nickte. »Das habe ich dir zu verdanken. Du hast mir wieder auf die Beine geholfen.«

Ihr Lächeln vertiefte sich bei dem Kompliment. Jeden Tag in der vergangenen Woche war sie bei ihm gewesen — hatte ihm zu essen gegeben, seine Wunden frisch verbunden, ihm Gesellschaft geleistet, wenn er Ansprache brauchte, ihn allein gelassen, wenn sie gemerkt hatte, daß er das Alleinsein brauchte. Seine Genesung, sowohl körperlich als auch seelisch, war zum großen Teil ihrer Fürsorge zu danken.

»Man hat mir gesagt, du seist ausgegangen.« Sie warf rasch einen Blick zum Garten des Lebens. »Ich hatte keine Mühe, mir zu denken, wohin du gegangen warst. Da hab’ ich mir gedacht, daß ich dir nachgehen und auf dich warten könnte.« Mit einem fröhlichen Lächeln sah sie ihn an. »Nun, hast du jetzt alle Geister zur Ruhe gelegt?«

Wil sah die Sorge in ihren Augen. Sie verstand besser als jeder andere, was ihm durch den Verlust Amberles angetan worden war. Sie hatten in den Stunden, die sie bei ihm zugebracht hatte, unablässig darüber gesprochen. Geister hatte sie all die sinnlosen Schuldgefühle genannt, die ihn gequält hatten.

»Ja, ich glaube, sie ruhen jetzt«, antwortete er. »Es war gut, daß ich hierher gekommen bin. Mit der Zeit wird es vielleicht…«

Er zuckte lächelnd die Schultern.

»Amberle war der Überzeugung, daß man der Erde etwas schuldet für das Leben, das sie einem gegeben hat. Sie hat mir einmal erklärt, dieseÜberzeugung sei ein Teil ihres Elfenerbes. Und auch mein Erbe wollte sie, glaube ich, damit sagen. Weißt du, sie hat in mir immer mehr den Heiler als den Beschützer gesehen. Ein Heiler sollte ich sein. Denn der Heiler begleicht einen Teil seiner Schuld an die Erde dadurch, daß er jenen hilft, die sie hegen und pflegen. Das ist also meine Gabe an die Erde, Eretria.«

Sie nickte ernst. »Dann kehrst du nach Storlock zurück?«

»Erst heim, nach Shady Vale, dann nach Storlock.«

»Bald?«

»Ich denke schon. Ich denke, es ist Zeit.« Er räusperte sich befangen. »Weißt du, daß Allanon mir den Rappen — Artaq —hinterlassen hat? Als Geschenk. Zum Trost vielleicht.«

Sie wandte das Gesicht ab.

»Ja, vielleicht. Können wir jetzt zurückgehen?«

Ohne auf seine Antwort zu warten, setzte sie sich in Bewegung. Verwirrt zögerte er einen Moment, dann eilte er ihr nach. Stumm gingen sie nebeneinander her.

»Wirst du die Elfensteine behalten?« fragte sie nach einer Weile.

Er hatte einmal, in tiefster Niedergeschlagenheit, gesagt, er wolle sie nicht länger. Er wußte, daß der Elfenzauber seine Spuren in ihm hinterlassen hatte. So wie die Zauberkräfte Allanon gealtert hatten, so hatten sie auch auf ihn eingewirkt — wenn er auch noch nicht wußte, wie. Solche unerklärlichen Kräfte machten ihm immer noch Angst. Und doch lag die Verantwortung für diese Zauberkraft weiter bei ihm; er konnte sie nicht einfach weitergeben.

»Ich werde sie behalten«, antwortete er. »Aber ich werde sie nie wieder gebrauchen. Nie wieder.«

»Nein«, sagte sie leise. »Ein Heiler braucht ja auch solche Zaubersteine nicht.«

An der Mauer des Gartens entlang schritten sie den Pfad hinunter nach Arborlon. Wil spürte die Distanz, die zwischen ihnen lag. Es war eine Kluft, die immer größer wurde, aufgerissen durch ihre Gewißheit, daß er sie wieder einmal verlassen würde. Sie wollte mit ihm gehen. Doch sie würde ihn nicht bitten, sie mitzunehmen — nicht diesmal, nicht wieder. Das verbot ihr der Stolz. Er dachte darüber nach.

»Und wohin gehst du jetzt?« fragte er nach einer Zeit.

Sie zuckte lässig die Schultern.

»Ach, ich weiß noch nicht. Nach Callahorn vielleicht. Ich kann hingehen, wo ich will.« Sie machte eine Pause. »Vielleicht besuche ich dich einmal. Mir scheint, du brauchst dringend jemanden, der sich um dich kümmert.«

Sie sagte es beinahe scherzhaft, aber die Absicht dahinter war nicht zu verkennen. Ich bin dir bestimmt, Wil Ohmsford, hatte sie in jener Nacht im Tirfing zu ihm gesagt. Und jetzt sagte sie es wieder. Er sah ihr in das dunkle Gesicht und dachte daran, was alles sie für ihn getan, für ihn riskiert hatte. Wenn er sie jetzt verließ, dann hatte sie niemanden. Sie hatte kein Zuhause, keine Familie, kein Volk. Vorher hatte er Gründe gehabt, ihre Bitte, sie mitzunehmen, abzuschlagen. Was hatte er jetzt noch für Gründe?

»Es war nur so eine Idee«, fügte sie hastig hinzu.

»Eine hübsche Idee«, erwiderte er leise. »Aber ich hab´ mir gedacht, du hättest vielleicht Lust gleich mitzukommen.«

Beinahe ehe er sich bewußt wurde, was er beschlossen hatte, waren die Worte ausgesprochen. Lange, lange schwiegen sie gemeinsam. Sie schritten den Pfad hinunter und sahen einander nicht an. Es war fast so, als sei nichts gesagt worden.

»Ja, vielleicht hätte ich Lust dazu«, bemerkte sie schließlich. »Wenn es dir ernst ist.«

»Es ist mir ernst.«

Da sah er ihr Lächeln — dieses wunderbare, strahlende Lächeln. Sie blieb stehen und blickte ihn zärtlich an.

»Es ist beruhigend festzustellen, Wil Ohmsford, daß du endlich zur Vernunft gekommen bist.«

Sie nahm seine Hand und hielt sie ganz fest.

Als Andor Elessedil gegen Mittag über den Carolan zur Stadt zurückritt, sah er den Talbewohner und das Mädchen aus dem Lager der Fahrensleute, die vom Garten des Lebens nach Arborlon hinunterschritten. Er zügelte sein Pferd und blickte den beiden nach, die noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren. Er sah, wie sie stehenblieben, sah, wie Eretria Wils Hand faßte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Nun, dachte er, würde wohl auch Wil Ohmsford heimkehren. Aber nicht allein.