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Nicht für alles Gold des Kaiserreichs würde er ein Lagerfeuer entzünden, jetzt, wo er gesehen hatte, welch schrecklicher Feind durch diese Wälder streifte. Während er noch weiter über die Olochtai nachdachte, erklang ein langgezogenes Heulen in der Finsternis. Ein Gruß an das aufgehende Madamal. Jenen fast schon wieder gerundeten, blassen Himmelskörper, der den Wald nun in silbernes Licht tauchte und die schwarzen Silhouetten der Bäume aus der Finsternis löste.

Wieder erklang das Heulen. Jetzt ein wenig näher ... Unsicher tastete Alrik nach seinem Dolch. Plötzlich erschien ihm dieser gräßliche Ton nicht mehr wie das Geheul von Wölfen. Nein, es hörte sich eher wie Hunde auf der Jagd an! Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Ob Verfolger seine Spur gefunden hatten? Andra hatte behauptet, sie sei nicht zu übersehen gewesen.

Hastig griff er nach seinem Umhang, den er schon an eine trockene Stelle unter den umgestürzten Baum gebettet hatte. Dann begann er zu laufen, ohne sich um die Aste zu kümmern, die in sein Gesicht peitschten. Immer schneller taumelte er durch den finsteren Wald, und doch kam das Heulen immer näher. Schmerzhaft klopfte sein Herz in der Brust. Auch die Wunden an seinen Beinen begannen wieder zu pochen, und doch rannte er weiter, ohne an irgend etwas zu denken, außer daß er diesem Geheul, das von einem grausamen Tod zwischen gierigen Fängen kündete, entkommen mußte.

Mühsam nach Luft hechelnd überquerte Alrik eine Lichtung, deren nasses Gras im Mondlicht glänzte, als wäre es mit tausend funkelnden Edelsteinen bestreut. Wie ein mahnender Zeigefinger schimmerte ein mehr als mannshoher Felsblock in der Mitte der Lichtung, doch Alrik achtete auf keine Details mehr. Mit einem Sprung hechtete er in das Dickicht des gegenüberliegenden Waldrands. Aus den Augenwinkeln hatte er im selben Moment einen großen Hund auf die Lichtung kommen sehen.

Der Oberst mußte schnellstens ein sicheres Versteck finden, oder es war um ihn geschehen. Von Hunden zerfleischt ... Was für ein Tod für einen kaiserlichen Kavallerieobristen!

Nur wenige Schritt vor ihm erhob sich eine mächtige Blutulme, deren ausladende Äste tief herabhingen. Mit ausgestreckten Armen erreichte er gerade den untersten Ast und zog sich daran hoch. Keinen Moment zu spät, denn fast im selben Augenblick hörte er unter sich das Schnappen gieriger Kiefer.

Noch war er nicht in Sicherheit. Er mußte noch höher klettern, denn die Hunde unter ihm sprangen geifernd am Stamm hoch und mochten ihn mit etwas Glück noch erwischen. Erst als er ein gutes Stück höher in den Baum gestiegen war, lehnte er sich mit dem Rücken gegen den Stamm und gönnte sich eine Verschnaufpause. Sein Herz hämmerte wie die Trommel eines Infanterietambours.

Neugierig musterte Alrik die Hunde zu seinen Füßen. Die Bestien hatten aufgehört am Stamm emporzuspringen, ganz so, als ob sie begriffen hätten, daß ihnen ihr Opfer entkommen war. Doch noch immer strichen sie um die große Blutulme.

Offensichtlich hatten sie ihre Beute nicht aufgegeben; ihr Jaulen klang weithin durch die Nacht. Die Hunde hatten ein gelbliches Fell und glichen ansonsten auf erstaunliche Art Wölfen, nur daß sie noch ein wenig größer waren. Und dann machte Alrik eine Entdeckung, die ihm das Blut gefrieren ließ. Die Meute dort unten waren keine verwilderten Hunde, sondern Jagdhunde. Eines der Tiere trug ein zerfranstes Lederhalsband. Mit ihrem unablässigen Geheul würden sie bald ihre Herren angelockt haben. Wieder erinnerte er sich an die Szene auf der Lichtung, als der Anführer der Olochtai ein Reh gerissen hatte.

Alrik musterte die Hunde. Es schienen nicht mehr als drei zu sein. Würde er herunterspringen, mochte er eines der Tiere vielleicht überraschen können und schnell töten. Mit etwas Glück konnte er auch einen zweiten Hund noch erledigen, doch drei waren zuviel. Alrik überlegte, was das kleinere Übel sein mochte. Von den Hunden oder von ihren Herren zerfleischt zu werden.

Plötzlich riß ihn ein Bellen, das unvermittelt in ein klagendes Hecheln überging, aus seinen düsteren Gedanken. Winselnd wand sich eines der Tiere unter dem Baum. Ein langer Pfeil ragte aus seiner Lende. Sofort fielen die beiden anderen über den verletzten Artgenossen her und rissen ihm mit ihren Fängen die Kehle heraus.

Angestrengt blinzelte Alrik in die Nacht, doch niemand war zu sehen. Dann sirrte ein weiterer Pfeil heran und fuhr einem der Hunde durch die Kehle.

Jetzt oder nie, dachte Alrik und sprang mit gezogener Klinge vom Baum. Doch noch bevor er den dritten Hund erreichen konnte, rannte das Tier in die Finsternis.

»Lauf zur Lichtung mit dem Stein zurück!« erscholl eine vertraute Stimme aus der Nacht.

»Andra?« rief Alrik. »Danke ...«

»Spart Euch Euren Atem. Lauft jetzt zur Lichtung zurück. Schnell! Wir sind noch nicht außer Gefahr. Bald werden hier über ein Dutzend blutdürstiger Olochtai auftauchen, und wenn sie erst ihre toten Hunde finden, werden sie geradezu in Raserei verfallen.«

»Aber was soll ich auf der Lichtung? Dort bin ich doch völlig ohne Schutz.« Noch immer versuchte Alrik vergebens, die Jägerin zwischen den Schatten der Bäume auszumachen.

»Der Stein ist umgeben von einem weiten Pilzkreis. Stellt Euch dort hinein, dreht Euch dreimal um Eure Achse und ruft dabei Nurti. Dann springt schnell wieder aus dem Kreis heraus. Ihr seid dann in einem anderen Wald und in Sicherheit.«

Alrik traute seinen Ohren nicht. Das hörte sich ganz nach einem gotteslästerlichen Feenzauber an. »Und was wird aus dir?« rief er in die Nacht. »Macht, daß Ihr wegkommt, und schert Euch nicht um mich. Ich bin hier großgeworden, und ich habe Euch schon einmal gesagt, daß mich die Olochtai niemals fangen werden. Und nun stellt keine weiteren Fragen. Lauft, oder alles war vergebens. Fragt in der anderen Welt nach dem Sohn Serleens. Bei ihm werden wir uns Wiedersehen.«

Nicht weit entfernt war nun das Knacken dürrer Äste zu hören, und wieder sah Alrik das Bild der jagenden Olochtai vor sich. Ohne sich noch einmal nach Andra umzuschauen, rannte er los. Hinter ihm wurden die Geräusche lauter. Ganz so, als hätten auch seine Jäger angefangen zu laufen.

Als Alrik den Rand der Lichtung erreichte, hörte er vielleicht zwanzig Schritt hinter sich einen gräßlichen Aufschrei. Noch ein weiterer Pfeil Andras mußte sein Ziel gefunden haben!

Dann stürmte der Ritter auf die Lichtung. Jetzt, wo er darauf achtete, konnte er im Mondlicht zahlreiche Pilzkappen im Gras erkennen. Mit letzter Kraft rannte er in die Mitte der Lichtung, da meinte er, die ersten Schritte am Rande des Waldes zu erkennen. Und dann erkannte er ihn im Mondlicht. Jenen mächtigen Krieger der Orks, der am Mittag das Reh mit seinen gewaltigen Hauern zerrissen hatte. Diesmal hatte er einen langen Jagdspeer dabei.

Mit gezogenem Schwert begann sich Alrik im Kreise zu drehen und heiser den Namen Nurtis zu flüstern.

Um ihn begann die Luft zu flimmern. Verschwommen konnte er erkennen, wie der mächtige Krieger auf ihn zugerannt kam. Dann sah er, wie der Ork seinen Arm nach hinten riß, um den Speer zu schleudern. Plötzlich wußte Alrik nicht mehr, wie oft er sich schon im Kreis gedreht hatte. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen, und ein Speer schien geradewegs auf seine Brust zuzuschießen. Verschwommen erinnerte er sich daran, daß er noch etwas tun mußte. Aber was? Wie trunken taumelte Alrik nach vorne und versuchte einen Satz über den Pilzkreis zu machen. Dann traf ihn ein Schlag und schleuderte ihn nach hinten. Ihm war, als stürze er in einen Tunnel aus Licht. Dann raubte ihm der pulsierende Schmerz in der Brust die Besinnung.

3

Sharraz Garthai war äußerst unzufrieden. Die Berater, die ihm Sadrak Whassoi, der Schwarze Marschall, zur Seite gestellt hatte, waren auch keine besseren Strategen als er selbst. Den Großangriff auf Greifenfurt hatten die Verteidiger nicht nur abgeschlagen, es war ihnen sogar gelungen, den Kampf bis ins Lager der Orks zu tragen.

Wütend schleuderte der General den silbernen Pokal, aus dem er getrunken hatte, nach einem der menschlichen Sklaven in seinem Zelt. Diesen Tag der Schande würde er niemals vergessen; sein Name war auf immer verunglimpft. Der Marschall hatte ihm einen Schamanen als Boten geschickt, der sich das ganze Ausmaß der Niederlage angesehen hatte. Sharraz blickte zu seinen Beratern hinüber und konnte nur mühsam seinen Zorn beherrschen. Er durfte sie nicht anrühren, denn beide standen unter dem Schutz des Sadrak Whassoi, doch in seinen Augen waren sie es, die an seiner Niederlage schuld waren. Er grunzte. Trotzdem würde sein Kopf in den Staub rollen, wenn es darum ging, für die Konsequenzen der verlorenen Schlacht einzustehen. Schließlich führte er hier das Kommando.