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Es war warm. Ein gekachelter Ofen vertrieb die Kälte des nahen Winters. Zerwas grinste spöttisch. Der fette, alte Mann mit der seidenen Schlafmütze auf seinem Kopf sah aus wie die Karikaturen von Kaufleuten in den Gazetten der Kaiser Stadt Gareth. Ein selbstgefälliger alter Mann, der sein Leben lang andere übervorteilt hatte, um immer neue Reichtümer anzuhäufen.

Wieder dachte der Vampir an den Abend im vergangenen Winter, als er mit ihm zusammen gespeist hatte. Damals hatte sich Glombo jovial und freundlich gegeben, ging es doch um ein Geschäft. Der Patrizier hatte Zerwas die kostbaren Möbel und Teppiche beschafft, mit denen er sein Zimmer im alten Henkersturm einrichtete. Trotz der Besatzung der Orks war es Glombo gelungen, die Waren aus dem Süden Aventuriens heranzuschaffen. Allerdings hatte er dafür unverschämt viel Gold verlangt. Schon damals war dem Vampir der Blick aufgefallen, mit dem der Alte an seinem hitzigen Sohn hing. Gernot hatte davon gesprochen, wie man die Orks aus der Stadt verjagen könnte, und sein Vater hatte den jungen Heißsporn für seine mutigen Worte bewundert, auch wenn er ihn später zornig zur Räson rief. In Gernot mochte er noch einmal die unerfüllten Träume seiner eigenen Jugend gesehen haben. All das, was er selber schon vor langem zugunsten des Geschäftes und der Macht aufgegeben hatte. Nun, er sollte ihn noch einmal Wiedersehen. Zerwas lächelte grimmig. Diesen Gefallen war er dem alten Brohm noch schuldig.

Vorsichtig wickelte er das blutige Haupt aus dem schwarzen Umhang. Dann setzte er den Kopf, in dessen Gesicht noch immer der Schrecken des Todes geschrieben stand, leise auf den Nachttisch neben dem prächtigen Bett. Sein Sohn wäre das erste, was der alte Mann an diesem Morgen sehen sollte. Und alle Illusionen, in denen Glombo sich ausmalen mochte, daß Gernot noch lebte und er ihn eines Tages gegen viel Gold bei den Orks auslösen könne, wären mit einem Schlag ausgeräumt.

Leise schlich Zerwas aus dem Zimmer. Der grausame Spaß hatte ihm Freude gemacht, doch war er jetzt müde und hungrig. Er würde zum Henkersturm fliegen, dort seine neue menschliche Gestalt annehmen und den Tag in seinem Versteck tief unter der Stadt bei der hübschen Tochter des Alchimisten verbringen.

Marcian hatte den ganzen Morgen mit Lancorian gestritten. Der Magier lag im Lazarett in der Garnison, und schon in der Nacht hatte er erfahren, daß der Kommandant die ›Fuchshöhle‹ geschlossen hatte. Lancorian hatte ihm die Freundschaft aufgekündigt, ihn einen Schurken und Verräter genannt. Dann ließ er sich auf einer Trage von zwei seiner ehemaligen Angestellten in das Purpurgewölbe bringen. Dort, in dem am tiefsten gelegenen Keller unter dem Turm hatte man hinter den purpurnen Wandbehängen eine Stelle gefunden, wo die sonst so massive Mauer hohl klang. »Schlagt zuerst den Putz herunter«, kommandierte Marcian.

Himgis Zwerge legten die Spitzhacken und Brecheisen beiseite, die sie schon bereitgehalten hatten und machten sich dann mit Hammer und Meißel an die Arbeit.

Marcian blickte in die Runde. Ein halbes Dutzend Zwerge waren anwesend, Lysandra, die Amazone und Lancorian mit den beiden Trägern, die ihn hierher gebracht hatten. Cindira hatte sich geweigert, mit ihm zu kommen. Den Rest der Nacht hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen.

Doch Marcian hatte die ›Fuchshöhle‹ räumen lassen müssen. Wer mochte denn schon wissen, was sich hinter dieser Wand verbarg. Arthag hatte schlimme Dinge über das alte Saljeth zu berichten gewußt. Blutige Menschenopfer hatte man in den Höhlen dargebracht, die hinter dieser Mauer verborgen lagen. Und selbst einem vereinigten Heer von Menschen und Zwergen war es nicht gelungen, das Böse, das hier tief unter dem Hügel gehaust hatte, zu vernichten.

Ein Greif, so hatte Arthag berichtet, sei in diese Höhle geschritten und nicht mehr wiedergekommen. EIN GREIF! Diese mächtigen Wesen, halb Löwe, halb Adler, galten als die Boten des Lichtgottes Praios. Was mochten Sterbliche hier ausrichten, wo selbst Götterboten gescheitert waren? Doch vielleicht hatte schließlich Satinav, Herr der Zeit, den überwunden, der die schreckliche Keule des Tairach führte, von der in den Inschriften der heiligen Halle von Xorlosch die Rede gewesen war?

Ein Ruf ließ Marcian aus seinen Gedanken auffahren.

Die Zwerge hatten den Putz von der Wand geschlagen. Deutlich sah man nun ein vermauertes Tor. Eingefaßt von den grauen Steinen, die die Öffnung füllten, stand ein runenbedeckter Monolith aus bläulich schimmerndem Granit.

Ängstlich wichen die Zwerge von der Wand zurück.

»Solche Steine errichten unsere Geoden in ihren Kreisen der Macht«, flüsterte Arthag leise neben dem Inquisitor. »Siehst du die sich in den Schwanz beißende Schlange, die den Text einfaßt. Sie ist das Zeichen für das Element der Erde.«

»Was steht dort geschrieben?« Marcian war näher an den Monolithen getreten und betrachtete die Runen und Bildzeichen, die in den Fels gegraben waren.

»Das muß Angram sein, die geheime Schrift der alten Sippen von Xorlosch. Ich kann das nicht lesen.« Auch Hauptmann Himgi war ein wenig näher an den Stein herangetreten und strich sich durch den Bart. »Spürt ihr auch, wie die Augen zu brennen beginnen, wenn man den Stein länger betrachtet? Ein mächtiger Zauber muß auf ihm liegen!«

Arthag strich vorsichtig mit der Hand über den Monolithen.

»Du hast recht, Bruder. Diese Schrift habe ich auf den Schriftsäulen der heiligen Halle von Xorlosch gesehen ... Und seht dieses Zeichen ...« Der Finger des Zwergen wies auf eine große Hieroglyphe. »Ein Dämon, der in hocherhobenen Händen zwei blutende Herzen hält. Das Symbol für den Blutgott Tairach!«

»Räumt den Stein weg. Wir wollen sehen, was dahinter verborgen liegt. Ich will vor mir sehen, was so wertvoll ist, daß die Orks immer wieder diese Stadt angegriffen haben.« Marcian hatte einem von Himgis Sappeuren das Brecheisen aus der Hand gerissen.

»Bei allen Göttern, hört auf die beiden und laßt den Stein in der Wand.« Lancorian versuchte, sich auf der Trage aufzurichten. »Laßt sie wenigstens die Inschrift entziffern. Wer weiß, was durch den Zauber auf dem Stein gebannt wird. Seit dem Angriff auf das Orklager schuldest du mir einen Gefallen. Jetzt fordere ich ihn ein! Laßt die Finger von diesem Runenstein.«

»Ihr führt euch auf wie Kinder, die Angst haben, im Dunkeln am Brunnen Wasser zu holen.« Lysandra hatte sich an die Seite des Inquisitors gestellt. »Wir sollten diesem Zauber endlich ein Ende bereiten.«

Marcian war hin- und hergerissen. Auch er fand, daß es an der Zeit war, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Doch hatte er Lancorian sein Wort gegeben. Zuviel hatte er dem Magier in den letzten Stunden schon angetan. Diese Bitte konnte er ihm nicht abschlagen.

»Ich danke dir für deinen Mut und deine Treue, Lysandra, doch ich werde Arthag die Zeit lassen, diese Inschrift zu übersetzen. Erst dann werde ich entscheiden, was zu tun ist.«

Erleichtert aufseufzend sank Lancorian auf seine Trage zurück.

»Bis ich mich entschieden habe, sollst du, Lysandra, mit einigen deiner Leute hier unten Wache halten. Mir scheint es so, als wären Himgi und seine Männer ungeeignet für diese Aufgabe. Wir alle konnten sehen, daß die Zwerge diesen Stein fürchten.«

»Aber Kommandant ...« Der Zwergenhauptmann war vorgetreten.

»Über meine Befehle wird nicht diskutiert. Räumt den Turm!«

Himgi tat Marcian leid. Seit er mit seinen Männern nach Greifenfurt gekommen war, hatte er immer auf den Zwerg zählen können. Doch für diese Aufgabe erschien ihm der Hauptmann ungeeignet.

»Was dich angeht, Lancorian, sag deinen Bediensteten, daß sie in das leerstehende Haus der Magier einziehen können. Die Villa ist schon seit Wochen verlassen; ich denke, dort wird Platz genug für alle sein. Sobald wir die Gewölbe hinter diesem vermauerten Tor untersucht haben und ich sicher sein kann, daß von dort keine Gefahr droht, wirst du den Turm zurückerhalten. Sollten dir dadurch geschäftliche Verluste entstehen, werde ich für den Schaden aufkommen.«