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Der Magier nickte ihm zu, sagte aber nichts. Dann ließ er sich auf einen seiner Männer gestützt aus dem Gewölbe bringen.

Vielleicht würde Cindira jetzt wieder mit ihm reden. Marcian dachte an die schöne Kurtisane. Der Inquisitor blickte sich in dem Gewölbe mit seinen düsteren, purpurnen Wandbehängen um. Nur Lysandra und Arthag waren noch geblieben.

Mehr als ein halbes Jahr war vergangen, seit Cindira hier auf dem Boden gelegen hatte, nachdem ein Ork ihr seinen Dolch in den Rücken gestoßen hatte. Wieder sah er sie in einer Lache von Blut auf dem Boden liegen. Und er hatte nicht bleiben können, sondern mußte den Angriff auf die Garnison leiten. Ob sie ihm das wohl vergeben hatte? Nie hatte er gewagt, sie danach zu fragen. Er wollte den Dienst für die Inquisition aufgeben. Er war dort niemals beliebt gewesen. Ihm haftete der Makel an, kein Geweihter des Praios zu sein. Auch wenn der Baron Dexter Nemrod seine Dienste schätzte, kam Marcian in den letzten Wochen immer wieder der Gedanke, daß er Dinge tat, die ihm nicht bestimmt waren zu tun ...

Er wollte nie wieder über das Schicksal einer ganzen Stadt gebieten. Er würde seine Aufgabe hier noch erfüllen, und dann wollte er seine Dienste für den Baron aufgeben. Er besaß schon lange genug Geld, um sich irgendwo niederzulassen.

»Marcian ... ?«

Lysandras Stimme schreckte ihn aus seinen Tagträumen.

»Ist dir nicht wohl? Du machst so ein betrübtes Gesicht ...«

»Danke, es ist schon gut. — Hole jetzt deine Leute und beziehe hier unten Wache. Paß auf, daß sie nicht zu abergläubisch sind. Der Stein sollte ihnen keine Angst machen.«

»Keine Sorge.« Lysandra grinste ihn breit an. »Meine Männer und Frauen würden es mit allen Dämonen der Niederhöllen aufnehmen. Vor einem Stein mit ein paar Schriftzeichen haben sie keine Angst.«

»Deshalb habe ich dir diese Aufgabe übertragen. Ich vertraue dir.« »Und ich werde dich nicht enttäuschen.« Die große rothaarige Frau drehte sich um und eilte die Treppe hinauf.

Marcian blieb mit Arthag allein zurück. Der Zwerg stand vor dem Monolithen und preßte sich die Hände auf die Schläfen.

»Was ist los?« Der Inquisitor musterte besorgt Arthags angespanntes Gesicht.

»Es ist dieser Stein. Irgend etwas stimmt mit der Schrift nicht. Die Gelehrten in Xorlosch haben mich schon vor dem Angram gewarnt. Es heißt, daß man wahnsinnig wird, wenn man sich zu sehr damit beschäftigt und ... diese Schriftzeichen, sie sind irgendwie seltsam. Himgi hatte recht. Es fangen einem die Augen an zu tränen, und man bekommt Kopfschmerzen, wenn man zu lange hinschaut.«

»Wirst du sie denn entziffern können?«

»Ich glaube ... Die meisten der Zeichen kenne ich. Doch es braucht Zeit ...«

»Nimm dir Zeit. — Ich glaube, ich habe eben einen Fehler gemacht. Dieser Stein hat schon seit Jahrhunderten an dieser Stelle gestanden, auf ein paar Tage kommt es nun nicht mehr an. Es war nur ... Ich möchte diese Sache am liebsten schnell hinter mich bringen ...« Marcian biß sich auf die Lippen. Was er dachte ging niemandem etwas an. Er war der Kommandant. Er durfte keine Schwäche zeigen!

Arthag hatte sich zu ihm umgedreht.

»Mach deine Sache gut, damit wir wissen, was uns da drinnen erwartet. Glaubst du, daß wir dort überhaupt noch auf etwas Lebendiges treffen werden?«

Der Zwerg zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Auf etwas Lebendiges vielleicht nicht, aber ... Dort auf dem Stein sind auch zauberkräftige Zeichen, die ich nicht recht verstehe. Ich glaube, sie sollen verhindern, daß etwas von dort durch das Erdreich dringt. Die Geoden, die diesen Stein setzten, haben einen Pakt mit dem Erdherrn geschlossen. Was immer in diesen Höhlen ist, kann sie nicht verlassen, es sei denn, man öffnet ihnen die Pforten ...«

»Was die Orks früher oder später tun werden«, fiel Marcian ihm ins Wort. »Was immer dort liegt. Es ist besser, wir bekommen es zuerst. Vielleicht kann man es ja vernichten.«

»Ich glaube nicht, daß meine Ahnen dann diesen Stein gesetzt hätten.« »Du solltest die Zukunft nicht so schwarzsehen. Entschlüssele die Inschrift, und dann sehen wir weiter.«

Marcian drehte sich um. Ihn fröstelte es. Er wollte fort von diesem unheimlichen Ort. Zurück zu Cindira ... sich mit ihr versöhnen und mit ihr gemeinsam den Traum von dem Leben träumen, das sie beginnen würden, sobald Greifenfurt befreit war. Vielleicht dauerte es ja nur noch wenige Wochen. Er dachte an die Flotte, die der Prinz in Ferdok zusammenzog.

16

Zuerst hatte sich Marina zu Tode erschrocken, als er plötzlich in dem unterirdischen Gewölbe auftauchte, in dem sie gefangen war. Stunden mußte sie damit verbracht haben, nach einer Türe zu suchen, und dann stand plötzlich er da.

Zerwas schmunzelte. Er hatte den langen, goldbestickten Umhang aus dem Zelt des Orkgenerals um seine Schultern gelegt und menschliche Gestalt angenommen. Ritter Roger war ein hübscher Mann gewesen. Groß, mit fein geschnittenem Gesicht ... Zerwas hatte sich das Opfer, dessen Gestalt er in den nächsten Wochen und Monaten annehmen würde, sorgfältig ausgesucht.

»Habt keine Angst vor mir, Marina.« Der Vampir streckte seine Hand vor und machte einen Schritt auf das Mädchen zu. Bei dieser Bewegung glitt sein Umhang ein wenig beiseite. Das Mädchen mußte gesehen haben, daß er darunter, abgesehen vom ledernen Gurtzeug seines Schwertes, nackt war. Sie wich noch einige Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken an einer Wand stand.

»Wer bist du?« Marina blickte ihn scheu und verängstigt an.

»Dein Vater Promos hat mich geschickt. Ihm ist ein großes Unglück widerfahren. Ein böser Dämon suchte ihn heim. Mich hat er damit beauftragt, dich hierher in Sicherheit zu bringen.«

»Aber wo bin ich hier, und wie bin ich hierher gekommen?«

Der Vampir schlug den Umhang beiseite und ging noch ein Stück auf sie zu. »Du bist hier in einer Höhle, tief unter der Erde. Nur wer den richtigen Ort und ein Zauberwort kennt, kann sie betreten. Hier wirst du vor jeder Verfolgung sicher sein. Ich habe dich hierher gebracht, während du schliefst, deshalb kannst du dich nicht erinnern.«

Der Vampir drehte sich um und löste die Gurte seines Schwertes. Dann stellte er den mächtigen Zweihänder in eine Ecke und ließ sich in einem hohen Lehnstuhl nieder.

Das Mädchen rührte sich nicht von der Stelle. Noch immer musterte Marina ihn mißtrauisch.

»Wie heißt Ihr, Fremder?«

»Manche Sterbliche nennen mich einen Prinzen der Nacht.«

»Sterbliche ... ? Seid Ihr denn nicht sterblich?« Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Ehrfurcht. Oder war es Entsetzen?

»Ja. Sterbliche. Ich gehöre nicht zu deiner Art, mein Kind, doch bin ich auch kein Gott. Ich stehe zwischen den Welten ... und bin sehr einsam. Was nutzt einem ein Leben, das nach Jahrhunderten zählt, wenn es niemanden gibt, mit dem man es teilen kann.«

»Ihr seid ein Götterbote?« Marina war ein wenig auf ihn zugekommen. »Vielleicht?« Zerwas lächelte melancholisch.

»Woher kennt mein Vater Euch?«

»Dein Vater Promos ist ein weiser Mann. Er kennt viele Dinge, von denen du nichts ahnst. Das ist dein Schicksal, zugleich aber auch dein Glück. So hat er jenen mächtigen Dämonen gerufen, der ihn von nun an verfolgt, aber auch mich, um dich zu beschützen.« Der Vampir schwieg einen Moment. Es war Marina anzusehen, daß sie Schwierigkeiten hatte zu begreifen, was er ihr erzählte, doch schien sie ihm zu glauben. »Weißt du, daß du für eine Sterbliche sehr schön bist?« Zerwas seufzte.

»Ihr scherzt ...« Das Mädchen blickte schüchtern zu Boden.

»Mitnichten. Wer sollte die Schönheit besser kennen als ein einsamer Wanderer durch die Jahrhunderte, dem sein ewiges Leben genug Zeit läßt, manchmal einen ganzen Tag lang nichts anderes zu tun, als die Vollkommenheit einer Rose zu bewundern. — Euch könnte ich tagelang bestaunen, schöne Marina.«