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Für einen Augenblick lag das seltsame Gespann regungslos im nassen Gras. Garbaz spuckte Wasser und rang mühsam nach Atem. Der Zwerg war immer noch ohne Bewußtsein.

Nyrilla untersuchte Arthags Verletzungen. Er hatte eine lange Schürfwunde am Rücken und eine schwere Prellung an der Schulter. Er schien viel Wasser geschluckt zu haben.

Unterdessen erhob sich Garbaz. Der Ork legte den Kopf in den Nacken und schrie seinen Triumph zum Himmel. Dann wandte er sich zum Fluß. »Vergib mir, große Schlange! Vergib mir, Ranagh, du gewundener Gott des Wassers und der Sümpfe. Ich habe dir ein Opfer entrissen. Verzeih mir, und nimm dafür von mir den Zahn, den die Korogai in den Feuern des Garvesh geschmiedet haben.«

Garbaz zog ein kleines gebogenes Messer, das er hinter seinem breiten Gürtel verborgen hatte, und warf es in weitem Bogen in den Fluß. Dann murmelte er noch einige unverständliche Beschwörungen.

Während sich Nyrilla um den Zwerg kümmerte, beobachtete sie den Ork aus den Augenwinkeln. Daß er ein nützliches Messer wegwarf, war ihr völlig unverständlich. Bislang hatte sie gedacht, daß der Götterglaube in erster Linie bei den Menschen die seltsamsten Blüten trieb.

Angestrengt versuchte die Elfe weiter dem Zwerg das Wasser aus den Lungen zu pressen. Arthags Puls ging schwach. Erstaunlich, was dieser kleine, stämmige Kerl alles auszuhalten vermochte. Garbaz hatte sich inzwischen neben sie gehockt und sah ihr zu.

Nyrilla wußte, daß sie den Ork bald loswerden mußte. Lange würde ihr Zauber nicht mehr halten. Bald würde er erkennen, daß sie ihm ihre Freundschaft und gemeinsame Abenteuer nur vorgegaukelt hatte.

Sie blickte Garbaz fest an. »Du hast uns wieder einmal sehr geholfen, mein Freund. Nun brauchen wir dringend Pferde, denn eine wichtige Aufgabe führt uns nach Havena. Glaubst du, daß du uns noch einige Ponys besorgen kannst?«

Garbaz nickte eifrig. »Das wird kein Problem sein. In unserem Lager nördlich von hier sind noch viele. Ich werde losreiten und sie holen.« Der Ork sprang auf die Beine und wollte zu seinem Pferd.

»Nicht so schnell.« Nyrilla hatte ihn gerade noch am Arm packen können. »Wir müssen sehr schnell vorwärts kommen. Wir sollen die Koschberge bei ihren nördlichen Ausläufern durchqueren und uns dann durch die Wälder und das Sumpfland bis nach Havena durchschlagen. Um schon ein Stück des Weges zu schaffen, während du die Pferde holst, brauche ich das Pony. Sonst kann ich meinen Freund nicht mitnehmen.« Garbaz runzelte die Stirn und malte mit dem Unterkiefer so, daß seine Zähne knirschten. Schließlich willigte er ein.

Erst holte er seinen Bogen, der weiter oben am Fluß noch auf dem Felsvorsprung am Steilufer lag. Dann kehrte er noch einmal zurück, um seinen Proviant vom Sattel zu schnallen.

Als er den noch immer ohnmächtigen Zwerg gemeinsam mit der Elfe auf das Pony gehoben hatte, wollte Garbaz gehen. Doch Nyrilla hielt ihn fest. Sie fühlte sich schuldig, öffnete ihren Gürtel und streifte ihr Jagdmesser ab. Eine kostbare Klinge, die sie vor langer Zeit von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte.

»Nimm das«, sagte sie kurz und drehte sich um. Garbaz lief noch ein Stückchen auf seinen kurzen, muskulösen Beinen neben ihr her und bedankte sich überschwenglich. Nyrilla bemühte sich, keine Notiz mehr von ihm zu nehmen. Schließlich blieb sie dann doch stehen und fauchte ihn an. »Geh uns endlich die Pferde holen!«

Garbaz blieb verwundert stehen, während die Elfe mit langen Schritten weitermarschierte. Verständnislos schüttelte er den Kopf und dachte bei sich, was für komische Freunde er doch hatte. Dann machte er kehrt und ging nach Norden.

Konzentriert lauschte Alrik auf die Geräusche des Waldes. Doch nichts Verdächtiges war zu hören. Dann beobachtete er wieder die Lichtung vor sich und den gegenüberliegenden Waldrand. Er hatte sich im dichten Dornengestrüpp versteckt und lag nun schon bestimmt eine Stunde auf der Lauer, obwohl es ihm wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Die Zeit genau zu schätzen war unmöglich, da den ganzen Tag schon die Sonne hinter dichten, grauen Regenwolken verborgen war. Alrik hätte bei allen Zwölfgöttern schwören mögen, dort hinten, auf der anderen Seite der Lichtung Stimmen gehört zu haben. Er wußte, daß Orks den Norden des Reichsforstes durchstreifte und daß diese Aufgabe den Jägern vom Stamm der Olochtai überlassen worden war. Schon vor Monaten, als Alrik noch mit seinen Kürassieren den fliehenden Schwarzpelzen nachgesetzt hatte, war ihm das Gerücht zu Ohren gekommen, daß einige Sippen der Olochtai in den Reichsforst gekommen seien, die gehört hatten, daß der Schwarze Marschall, Sadrak Whassoi, gute Jagdgründe verschenkte. Ursprünglich bewohnte dieses Volk die Große Olochtai, ein Gebirge, das seinen Namen von den Sippen der primitiven Orks, die dort hausten, bekommen hatte. Selbst unter ihresgleichen galten die Olochtai als ein Stamm, der sich nur wenig von den Tieren unterschied. Wieder spähte er über die Lichtung und fluchte, daß er sich so darum gerissen hatte, die mehr als zweihundert Meilen Wald bis nach Wehrheim zu durchqueren. Letzte Nacht hatte er es nicht gewagt, auch nur ein Auge zuzumachen. Nun war er müde, und seine alten Wunden begannen wieder zu schmerzen. Seit er das Feuer verlassen hatte, das die Elfe für ihn entfacht hatte, als sie gemeinsam am Fluß lagerten, war ihm nicht mehr richtig warm gewesen. Fröstelnd zog er seinen Umhang dichter um die Schultern.

Gestern nachmittag hatte er zum ersten Mal das Gefühl gehabt, daß man ihm folgte. Nur eine unsichere Ahnung, und doch hatte sie gereicht, ihn um seinen Schlaf zu bringen. Auch jetzt hatte er wieder das Gefühl, daß ihn etwas irgendwo aus dem dichten Unterholz des Waldes beobachtete. Auf der Lichtung weideten jetzt einige Rehe, die immer wieder aufmerksam die Köpfe hoben, um mit bebenden Nüstern Witterung zu nehmen. Doch es schien keine Gefahr in der Luft zu liegen, und nach einer Weile fragte sich Alrik, ob er nicht an Verfolgungswahn litt.

Er war nie ein großer Jäger gewesen. Sicher hatte auch er dem adligen Vergnügen der Jagd gefrönt, doch waren immer Dutzende von Leibeigenen in langen Ketten vor ihm durch den Wald gezogen, um das Wild aufzustöbern. Er würde sein Schwert dafür geben, wenn er jetzt statt im Wald auf einem Schlachtfeld stehen würde. Dort wußte er jedenfalls, wie er sich zu verhalten hatte, kannte die Gefahren und konnte seine eigene Stärke einschätzen. Aber hier im Wald war alles anders.

Gerade wollte er sich aus seinem Versteck erheben, als aus dem gegenüberliegenden Gestrüpp sieben oder acht in verfilzte Felle gehüllte Gestalten auf die Lichtung stürmten. In Panik versuchten die Rehe zu fliehen, doch für zwei war es schon zu spät. Einem hatte einer der Orks einen primitiven Speer in die Seite gerammt, und ein anderes hatte der größte der Jäger von der Seite angesprungen, ganz so wie ein Wolf, der Beute riß. Angewidert und zu Tode erschrocken beobachtete er die Jäger.

Der Anführer hatte einem gestürzten Reh seine Hauer in den Nacken gegraben. Noch wenige Augenblicke zuckten die Läufe des todwunden Tieres, dann lag es still. Der Jäger erhob sich und ließ einen gellenden Schrei ertönen. Um seinen Hals trug er eine Kette aus Raubtierzähnen. Lederriemen mit bunten Federn schmückten seine Arme, und ein zerschlissenes Fell war um seine Lenden gewickelt. Die Jäger erschienen Alrik ein Stück kleiner als die Orks, denen er bislang begegnet war. Sie hatten ein grauschwarzes Fell. Das beeindruckendste an den muskulösen Gestalten waren jedoch die gewaltigen Hauer, die aus ihren Kiefern wuchsen. Fangzähne, die jedem Eber Ehre gemacht hätten.

Der Anführer riß nun seine Beute auseinander. Er benutzte dazu ein stählernes Messer. Alle anderen Jäger waren weitaus primitiver bewaffnet. Sie hatten Speere mit steinernen Spitzen, Äxte, deren Blätter aus Obsidian zu sein schienen, und benutzten auch flache, behauene Steine, um den erlegten Rehen das Fell abzuziehen. Als sie ihre Beute in handliche Stücke zerlegt hatten, verließen sie die Lichtung und verschwanden wieder im Wald.

Alrik blieb noch eine ganze Weile in seinem Dornengestrüpp liegen. Diesen Schlächtern wollte er auf keinen Fall in die Hände geraten. Plötzlich hörte er hinter sich eine spöttische Stimme.