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»Ich bin auch fix und fertig«, sagte ich und unterdrückte mühsam ein Gähnen. »Aber als Nachtantlitz muss ich heute Abend im Haus an der Brücke bleiben, stimmt's?«

»Das ist zwar nicht obligatorisch, aber an deiner Stelle würde ich es tun. Du kannst dort auch schlafen, denn mit Kachar-Balsam solltest du dich nicht ewig über Wasser halten. Aber jetzt Gute Nacht.«

»Warten Sie, ich habe noch eine allerletzte Frage. Warum hat Mudlach nicht auch den Sohn von Warich Ariam umgebracht?«

»Das musst du Mudlach selber fragen«, meinte Juffin nur und ging ins Haus.

Das abendliche Treffen in unserer Abteilung war längst beendet, und das Haus an der Brücke war fast leer.

»Hast du eine Pirogge bekommen?«, fragte ich den schläfrigen Kurusch und strich ihm übers Gefieder.

»Sogar vier. Lass mich bitte schlafen.«

»Natürlich. Ich werde jetzt auch pennen«, sagte ich, rückte meinen Stuhl vor den Sessel von Sir Juffin und machte es mir auf seinem Platz bequem.

»Warum kannst du nicht bei dir zu Hause pennen?«, fragte Sir Kofa und riss mich aus allen Träumen.

»Ist es schon Morgen?«, fragte ich verschlafen.

»Beinahe. Wir haben hier gestern wirklich ziemliche Unordnung hinterlassen«, sagte er und stellte einen Rest Kamra auf den Herd, um sie anzuwärmen.

»Kofa, pennst du eigentlich auch manchmal?«, fragte ich müde und griff nach dem Kachar-Balsam, dem einzigen Mittel, das mich wach werden ließ.

»Natürlich, aber ich komme zum Glück mit zwei, drei Stunden Schlaf pro Nacht aus.«

»Das würde ich auch gern.«

»Ich glaube, Juffin wäre darüber nicht froh. Er meint, zu schlafen sei ebenso wichtig wie wach zu sein. Und er ist überzeugt, dass wir aus unseren Träumen Kraft schöpfen, die uns den Alltag bewältigen hilft. Aber jetzt geh nach Hause und leg dich hin.«

»Gerne. Aber erst trinken wir noch eine Tasse Kamra.«

Weißt du eigentlich, dass ich in deiner Schuld stehe? Was du mir über Lady Kekki erzählt hast, war wirklich nett. Dass eine so sympathische Frau sich für mich interessiert, hat mir sehr gefallen.«

»Gut, ich verschwinde dann mal, wie Ande Pu - der Hüter meiner Katzen - zu sagen pflegt. Den hab ich übrigens schon seit einer halben Ewigkeit nicht gesehen. Weißt du zufällig, wie es ihm geht?«

»Ganz gut. Er verdient in der Redaktion der Königlichen Stimme viel Geld, und doch kann man ihn jeden Abend in einem anderen Wirtshaus treffen, wo er sich über sein hartes Schicksal beklagt.«

»O je! Na dann, gute Nacht, Sir Kofa!«

In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander, weil ich vor meinem Treffen mit Lady Techi furchtbar aufgeregt war.

Ich setzte mich in mein nagelneues A-Mobil, das zwischen den Dienstwagen des Hauses an der Brücke geparkt war.

Mein Wagen sah aus wie ein Wunder. Ich hatte ihn ein paar Tage zuvor von einem Mechaniker gekauft, der ihn monatelang nicht losgeworden war, weil er allen Kunden zu modern war. Was Mechanik angeht, sind die Einwohner von Echo sehr konservativ. Ich hingegen war mit meinem avantgardistischen A-Mobil sehr zufrieden, denn es erinnerte mich an die Wagen meiner Heimat.

Genüsslich öffnete ich die grün schillernde Fahrertür und setzte mich ans Steuer. Ich wollte schon losfahren, da spürte ich einen dicken Kloß im Hals. Mir wurde schwarz vor Augen, und erstaunt stellte ich fest, dass sich der Tod schon wieder für mich interessierte.

Jetzt reicht's!, dachte ich genervt. Dann hörte ich auf zu denken - zum Glück nicht für immer.

Natürlich war ich nicht tot. Als ich erwachte, war ich an Händen und Füßen gefesselt und hatte als Paket Probleme, das Leben zu genießen. Dann stellte ich fest, dass ich in einen Teppich gewickelt war. Weil er hin und her ruckelte, musste er in einem A-Mobil liegen.

»Was ist hier los?«, rief ich.

»Fangachra, nehmt es uns bitte nicht übel, aber Ihr müsst zu Eurem Stamm zurückkehren!«

Mit Schrecken erkannte ich die Stimme. Sie gehörte dem alten Mann, der im Namen seiner Landsleute mit mir verhandelt hatte. Ich wollte weinen, doch plötzlich überkam mich der Zorn, und ich schimpfte los. Ich hätte nicht gedacht, so viele Schimpfworte zu kennen.

Meine Entführer reagierten allerdings gar nicht auf meine Tirade, und ich hörte irgendwann damit auf. Ich musste unbedingt etwas unternehmen. Meine Kräfte würden sicher reichen, den Wagen in tausend Teile zerspringen zu lassen, aber dafür musste ich die Hände frei haben. Ansonsten konnte ich nur Gift spucken. Das allerdings hatten meine Landsleute offenbar gewusst und mich deshalb in den Teppich gepackt.

Vorsichtig bewegte ich die Finger der linken Hand und versuchte zu schnippen. Erstaunlicherweise klappte das.

Zum Glück kannten meine Entführer diesen Trick nicht. Sonst hätten sie mir sicher auch die Finger verschnürt.

So konnte ich endlich zur Sache kommen. Der Teppich würde den tödlichen Blitzen sicher keinen Widerstand entgegensetzen.

Aber das war eigentlich eine Schnapsidee, denn ich wollte nicht als jemand gelten, der an seinen angeblichen Landsleuten ein Massaker verübt hatte. Ich sehnte mich eigentlich nur in ein kleines, gemütliches Zimmer über dem Wirtshaus Armstrong und Ella.

Also machte ich den Versuch, meine Landsleute durch ein Gespräch davon zu überzeugen, mich freizugeben.

»Leute, was denkt ihr euch eigentlich? Ihr fahrt mich also nach Hause, ja? Und dann? Wollt ihr mich an den Thron ketten? Soll ich mit gefesselten Händen und Füßen über euch regieren? Wenn ihr mich nicht festsetzt, fahre ich bei erstbester Gelegenheit nach Echo zurück, und das wisst ihr.«

»Eure Füße sollen endlich Heimaterde berühren, Fangachra - das wird Euch helfen, für immer dort zu bleiben«, sagte der widerspenstige Alte überzeugt. »In Echo gibt es schreckliche Zauberer aus Uguland, die Euch verhext haben. Deshalb habt Ihr Euch von Eurem Stamm abgewandt. Wenn Ihr aber wieder in Euer Heimatland kommt, wird Euer Herz erwachen.«

»Wenn ihr mich nicht sofort freigebt, wird es euch übel ergehen. Ich hoffe, ihr lasst es nicht darauf ankommen.«

»Könnt Ihr Euch etwa aus unseren Fesseln befreien?«, fragte der alte Mann ungläubig.

»Na gut«, sagte ich verärgert. »Ich hatte euch gewarnt.«

Ich konzentrierte mich. Eigentlich wollte ich diese lustigen Leute, die mich für ihren König hielten, nicht töten. Sie gehörten zu einem kleinen, aber durchaus sympathischen Stamm, und ihr hartnäckiger Wunsch, mich zu ihrem Herrscher zu machen, ging mir zwar auf die Nerven, schmeichelte aber auch meiner Eigenliebe.

Also entspannte ich mich, um meinen Zorn loszuwerden. Wenn es hart auf hart kam, blieben mir als letzte Waffe noch immer die tödlichen Blitze. Es musste mir nur gelingen, meine Wünsche zu zähmen. Hoffentlich besaß ich dafür Disziplin genug. Dazu allerdings musste ich diese hartnäckigen Menschen zwingen, nach meiner Pfeife zu tanzen - und zwar sofort, denn eine Reise bis an die Grenze des Vereinigten Königreichs harmonierte schlecht mit meinen abendlichen Plänen.

Nach ein paar Minuten spürte ich, dass ich mit meiner Befreiung beginnen konnte. Vorsichtig schnippte ich mit der linken Hand, und grüne Kugelblitze drangen durch den Teppich nach draußen. Mir blieb nur zu hoffen, dass sie ihr Ziel erreichten.

Etwas später merkte ich, dass ich Erfolg gehabt hatte, denn eine Stimme sagte: »Ich stehe Euch zu Diensten, Herr.«

Ausgerechnet der hartnäckige Alte war mein erstes Opfer geworden.

»Ich stehe Euch zu Diensten, Herr«, hörte ich alsdann verschiedene Stimmen sagen.

»Prima«, meinte ich. »Und jetzt lasst mich bitte frei.«

Meine Landsleute wickelten mich aus dem Teppich, schauten mich begeistert an und schnitten mit zitternden Händen die Schnüre durch, mit denen sie mich an Händen und Füßen gefesselt hatten.

Ich bewegte meine eingeschlafenen Arme und Beine und sah mich um. Wir saßen in einem großen Leiterwagen und standen mitten in einem seltsamen Wäldchen. Ringsum spazierten Elche und schauten uns gleichgültig an.