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»Was dachtest du denn?«, meinte ich stolz und hielt vor dem Haus an der Brücke.

»Gute Nacht, Max«, sagte Melamori lächelnd. »Ich muss nicht zum Dienst und gehe nach Hause.«

»Gute Idee. Ich will nur unserem Chef mein leidendes Gesicht zeigen, damit er mir erlaubt, in seinem Sessel zu schlafen.«

»Du klopfst Sprüche wie eh und je«, stöhnte Melamori. »Dabei seht Ihr gar nicht so fertig aus, Hoheit.«

»Ich bin noch nie beraubt worden«, rief Juffin und sah mich mitleidig an. »Und jetzt hat man mir gleich mein Nachtantlitz gestohlen! Aber ich glaube, du hast die Ehre des Kleinen Geheimen Suchtrupps verteidigt.«

»Sie reden schon wie ein gebürtiger Arwarocher«, sagte ich und setzte mich in meinen Lieblingssessel.

»Mit Alotho werde ich mich nicht so bald messen können. Hast du Hunger? Du siehst ganz schön mitgenommen aus.«

»Das kann ich mir vorstellen. Melamori war allerdings der Meinung, ich wirke nicht besonders fertig.«

»Sie ist in letzter Zeit ein tapferes Mädchen geworden«, erklärte Juffin, »und kann inzwischen einiges vertragen.«

Ich erzählte erneut mein exotisches Abenteuer und aß dabei eine so leckere wie riesige Pirogge aus der Produktion von Madame Zizinda, denn Sir Juffin hatte behauptet, das sei das Einzige, was mein müdes Gesicht entspannen könne.

»Und jetzt geh nach Haus und erhol dich, Max. Du kannst bis übermorgen faulenzen. Nach so einer Thronbesteigung braucht man Zeit, um sich zu erholen.«

»Sind Sie sicher?«, fragte ich und wollte meinen Ohren nicht trauen. »Haben Sie eigentlich schon gemerkt, dass immer ich das Opfer bin, wenn etwas Unangenehmes passiert? Ich werde sicher als Erster erfahren, dass in Echo schon wieder ein Verbrechen geschehen ist.«

»Soweit ich weiß, widerfahren dir nicht nur unangenehme Dinge. Aber jetzt husch, husch.«

Ich ging nervös zu meinem Wagen. Vielleicht hatten sich meine angeblichen Untertanen ja noch was Besonderes für mich ausgedacht?

Einmal mehr bestätigten sich meine Vorahnungen: Auf der Rückbank saß jemand. Ich näherte mich meinem Wagen und wollte mich mit meiner giftigen Spucke verteidigen.

»Großer König! Darf ich vor dir auf die Knie fallen, um dich zu begrüßen?«

Jetzt erkannte ich das zufriedene Gesicht von Melifaro.

Ich sprang vor Überraschung in die Luft und legte dann die Hand auf meine beiden Herzen.

»Das war ganz schön riskant von dir, mein Freund, denn meine Nerven sind so gut wie am Ende«, kicherte ich.

»Aber offenbar ist es dir gelungen, dich zu beherrschen. Wollen wir eine Tasse Kamra trinken?«

»Du hast wirklich Glück. Ich wollte gerade ins Wirtshaus Armstrong und Ella fahren.«

»Max, ich freue mich, nicht nur dich, sondern auch deinen Kollegen Melifaro zu sehen«, sagte Lady Techi und lächelte uns freundlich über den Tresen an. »Heute haben sich zwei Krüge verhakt. Melifaro, würdest du sie bitte kaputt machen? Das kannst du doch so gut.«

»Ich bin zwar nicht in Form, aber ich schau mal, was sich machen lässt«, sagte Melifaro mit der Stimme eines Salonlöwen. »Ich muss deine Bitte erfüllen, weil ich große Angst vor dem Tyrannen habe, mit dem ich gekommen bin. In dieser Stadt gibt es nicht viele Orte, an denen man wirklich Spaß haben kann, doch dein Bistro gehört auf jeden Fall dazu.«

Techi lächelte und stellte uns zwei Tassen von ihrer Kamra hin, die als eine der besten der Stadt galt.

Die Eingangstür quietschte, und Ande Pu stand vor uns.

»Max, das gibt's ja nicht, dass ich Sie endlich treffe. Und ausgerechnet hier! Warum haben Sie es abgelehnt, König von Fangachra zu werden? Sie glauben ja nicht, wie sehr ich Ihre süßen Kätzchen vermisse!«

Als Melifaro diesen Sermon hörte, musste er so lachen, dass er beinahe vom Stuhl fiel.

»Arbeitet dieser Junge etwa auch für euren Suchtrupp?«, fragte Techi neugierig.

Der nächste Tag war einer der glücklichsten meines Lebens. Die ganze Zeit herrschte dichter Nebel, der sich erst gegen Abend zugunsten eines grandiosen Sonnenuntergangs lichtete. Während ich die sinkende Sonne bewunderte, drang ein merkwürdiger Dialog an mein Ohr:

»Morgen reise ich ab«, flüsterte Alotho Aliroch, doch seine Stentorstimme klang sogar geflüstert ziemlich laut. Dann setzte er hinzu: »Dabei möchte ich Echo gar nicht verlassen.«

»Doch du musst fahren, stimmt's?«, fragte Melamori.

»Ja.«

»Aber bald kehrst du zurück. Schließlich musst du den Grässlichen Mudlach persönlich erledigen. Diese zwei Jahre gehen sicher schnell vorbei.«

»Zwei Jahre sind eine halbe Ewigkeit«, seufzte Alotho. »Ich will nicht fahren und darf nicht bleiben, und du möchtest nicht mit mir nach Arwaroch gehen. Was für ein Drama!«

»Am besten, du verschwindest schnellstens und lässt uns alle in Ruhe«, brummte ich und wandte mich an Kurusch.

»He, süßer Vogel, hörst du, was da draußen los ist?«

»Nein, was denn?«, fragte der Buriwuch und öffnete seine Bernsteinaugen.

»Dieser Adonis aus Arwaroch will unsere Lady Melamori unter Druck setzen. Und er gefällt ihr. Das macht die Sache gefährlich. Kurusch, kluger Vogel - dieser Alotho vergöttert dich. Misch dich also bitte in das Gespräch der beiden ein.«

»Wenn du so weitermachst, gehe ich mit Alotho nach Arwaroch«, drohte Kurusch mir. »Dort wird mich kein Mensch mit solchen Kleinigkeiten behelligen.«

»Glaubst du etwa, dort gibt es so leckere Piroggen wie hier?«, fragte ich listig.

»Nur wegen der Piroggen lasse ich diesen Worten keine Taten folgen. Gut, wenn du wirklich meinst, ich sollte mich in das Gespräch der beiden einmischen, dann mach ich das eben.«

Kurusch flog durch die halb offene Tür in den Saal der allgemeinen Arbeit, während ich mein Büro durchs Fenster verließ, damit die beiden Turteltäubchen nicht auf die Idee kämen, ich hätte ihnen Kurusch auf den Hals geschickt.

Nach einer halben Stunde kehrte ich ins Haus an der Brücke zurück. Natürlich hatte ich nicht vergessen, Kurusch Piroggen mitzubringen. Die hatte er sich redlich verdient. Diesmal betrat ich das Haus durch die Geheimtür und lief gleich Alotho über den Weg. Sein Gesicht war verzückt - ein untrügliches Zeichen dafür, dass er mit dem Buriwuch gesprochen hatte. Das spinnenartige Wesen schlief ruhig auf seinem Rücken.

»Wo hast du dich rumgetrieben?«, fragte Melamori.

»Ich war zum Mittagessen im Gesättigten Skelett und kann dir nur empfehlen, es mir nachzutun. Das Essen dort ist heute ausgezeichnet.«

Alotho sah mich erstaunt an.

Diese Helden aus Arwaroch spüren es bestimmt, wenn man sie übers Ohr hauen will, dachte ich. Und er versucht jetzt sicher, meine Absichten herauszufinden.

Zum Glück beschäftigte sich Alotho nicht lange mit mir, und ich verschwand schnell in mein Arbeitszimmer. Kurusch döste unschuldig auf seiner Sessellehne. Ich weckte ihn nicht, sondern legte ihm nur das Päckchen mit Piroggen hin.

Am nächsten Tag musste ich schon mittags zum Dienst. Alotho und die Hälfte seiner Mannschaft segelten nach Arwaroch zurück, und wir Mitarbeiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps mussten sie feierlich verabschieden.

Melifaro schien der glücklichste Mensch des Vereinigten Königreichs. Er setzte sich auf den Tisch, schlenkerte mit den Beinen und machte ein verträumtes Gesicht.

»Die Abwesenheit von Rulen Bagdasys tut dir gut«, meinte ich beiläufig. »Was sollen wir eigentlich mit ihm machen?«

»Das weiß ich schon lange. Aber warte kurz, Nachtantlitz. Du wirst bald sehen, was ich mit ihm vorhabe.«

»Das sehe ich bestimmt irgendwann«, meinte ich, gähnte breit und griff nach der Flasche mit dem Kachar-Balsam.

Eine halbe Stunde später waren alle in Juffins Büro. Melamori kam als Letzte. Auf ihrem Rücken saß das Spinnenwesen von Alotho und wirkte sichtlich erschrocken.

»Du hast heute aber eine schöne Brosche!«, rief Melifaro begeistert. »Ein Geschenk des Königs, vermute ich.«