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Ich rümpfte die Nase und meinte, so mancher Nagel lasse sich nur schlecht mit dem Mikroskop einschlagen. Mein Chef hörte mir aufmerksam zu und wies dann wortlos zur Tür.

»Verstehe«, meinte ich reumütig. »Ich geh ja schon.«

»Nur nicht schmollen. Und viel Spaß mit dem neuen Fall, Sir Mikroskop.«

Natürlich schmollte ich ganz und gar nicht. Ein abendlicher Zug mit Sir Kofa durch diverse Wirtshäuser würde sicher sehr vergnüglich sein. Man muss nur manchmal vorab etwas schimpfen, um in Schwung zu kommen.

Gegen Mitternacht kehrte ich bester Laune ins Haus an der Brücke zurück. Die Verhaftung von Toja Baklin hatte nicht lange gedauert, doch meine Anwesenheit hatte Sir Kofas Appetit ungemein stimuliert.

Ich wollte unseren Dienstsitz gerade durch die Geheimtür betreten, als ich vor dem Besuchereingang eine vertraute Silhouette bemerkte. Ich pfiff leise, und Ande Pu kam zu mir.

»Willst du eine Reportage über die Arbeit des Kleinen Geheimen Suchtrupps machen?«, fragte ich ihn freundlich. »Bist du denn schon mit dem Bericht über meine Katzen fertig?«

»Ach, Sir Max«, sagte Ande Pu finster. »Ich warte schon drei Stunden auf Sie und wollte gerade nach Hause gehen.«

»Da hast du Glück gehabt«, meinte ich. »Normalerweise wartet man viel länger auf mich. Mein Chef hat schon überlegt, ein Bett vor meine Tür zu stellen, um denen, die mich sprechen wollen, das Leben zu erleichtern. Aber warum bist du auf der Straße geblieben? Wir haben doch ein hübsches Wartezimmer, in dem man sogar rauchen darf.«

»Das Haus an der Brücke gefällt mir einfach nicht«, sagte Ande Pu finster. »Hier laufen mir zu viele Bullen rum.«

»Irgendwo müssen sie sich aufhalten«, gab ich zu bedenken. »Und das Haus an der Brücke ist immerhin Sitz der Stadtpolizei. Hast du etwa Angst vor Polizisten?«

»Angst hab ich keine - ich mag sie bloß nicht.«

»Das versteh ich«, sagte ich und lachte los. »Du wirst es mir vielleicht nicht glauben, doch noch vor kurzem ging es mir genauso. Na schön, du mutiger Vertreter der vierten Gewalt - gehen wir in mein Büro.«

»Wie haben Sie mich gerade genannt?«, fragte der Arme und schien völlig verwirrt.

»Ach, egal. Komm mit. Oben können wir Kamra trinken und Gebäck knabbern. Das verstehst du doch, oder?«

Er folgte mir auf dem Fuße und hielt sich stets direkt im Schatten meines Todesmantels, um den vermeintlich bösen Blicken der Mitarbeiter von General Bubuta zu entgehen. Vor mir hatte er erstaunlicherweise keine Angst.

»Was ist los?«, fragte ich, als wir in mein Büro kamen. »Oder hast du nur Sehnsucht nach mir gehabt? Setz dich!«

Ande Pu machte es sich im Sessel bequem und betrachtete neugierig den auf der Lehne schlafenden Kurusch. Mit rascher Handbewegung verschob er dann meine Zigaretten, die auf dem Schreibtisch lagen, und fragte nicht mal,

woher das seltsame Zeug stammen mochte. Vielleicht hatte er sie ja nicht bemerkt. Auch dem Boten, der kurz darauf mit Kamra und Gebäck erschien, schenkte er keine Beachtung. Doch als der Krug auf den Tisch kam, stand er schnell auf und goss sich eine Tasse ein. Nach der zweiten Tasse raffte er sich auf, mir von seinen Problemen zu erzählen.

»Sir Max«, begann er ehrerbietig. »Mein Chefredakteur, also Sir Rogro Schill, versteht gar nichts. Ich glaube, er ist verrückt geworden. Das ist mein Ende, fürchte ich.«

»Ach ja?«, meinte ich recht desinteressiert. »Was ist denn los mit ihm? Ich fürchte allerdings, dass ihm im Haus an der Brücke niemand helfen kann. Hier sind alle ziemlich verrückt. Uns könnte nicht mal ein guter Arzt kurieren. Aber das muss unter uns bleiben, denn es handelt sich um ein Staatsgeheimnis.«

»Sir Max«, rief Ande Pu begeistert, »Ihre Witze sind herrlich. Ein Traum geradezu. Niemand kann Ihnen da das Wasser reichen.«

»Freut mich, einen Verehrer meines Talents zu treffen«, entgegnete ich lächelnd. »Aber ich bin heute satt, guter Laune und zufrieden und darum eigentlich nicht in Form. Was ist nun mit dem Chefredakteur?«

»Er will meinen Artikel nicht drucken«, verkündete Ande.

Ich lachte auf, so sehr überraschte mich diese Nachricht.

»So, er will ihn nicht drucken? Frechheit!«

»Nein, nein, den Text über die Katzen hat er natürlich sofort genommen und sogar versprochen, ihn gleich zu bezahlen. Das ist nicht selbstverständlich, denn manchmal muss man lange auf sein Geld warten. Aber meinen zweiten Text hat er abgelehnt.«

»Du bist wirklich ein fleißiger Schreiberling«, meinte ich bewundernd.

Das war freilich nichts Besonderes. Alle Bürokraten und Literaten des Vereinigten Königreichs besitzen sich selbst beschriftende Tafeln. Wenn der Kopf eines Autors nicht völlig leer ist, kann er seinen Text also rasch verfertigen.

»Ich hab über Sie geschrieben, Sir Max. Das wird eine Sensation. Die anderen Journalisten werden bestimmt grün vor Neid.«

»Was für eine Sensation denn? Dass ich mein Wohnzimmer selbst sauber mache? Sir Juffin Halli würde dir und deinem Chefredakteur für solche Nachrichten den Kopf abreißen.«

»Schon gut. Hätten Sie nicht Lust, sich den Text anzusehen?«, fragte er und gab mir zwei von seinen Tafeln.

Ich las. Der Artikel trug die Überschrift Rendezvous mit dem Tod. Das klang einfach und einladend, und der Text entsprach der Überschrift ganz und gar. Aus dem Artikel ergab sich, dass ich den Verfasser einen Tag in meinem Wohnzimmer eingesperrt hatte und von zwei verzauberten Riesenkatzen hatte bewachen lassen, während ich unterwegs war, um kurzfristig einige grässliche Morde aufzuklären. Ande Pu geizte nicht mit Adjektiven, um meinen Haushalt und das erschreckende Miauen von Armstrong und Ella zu beschreiben. Natürlich hatte er auch nicht vergessen, seine Tapferkeit zu erwähnen. Schlimm war das, ganz schlimm.

»Steck das wieder ein«, sagte ich schroff. »Du bist ein netter Mensch, aber wenn dieser Mist erscheint, spuck ich dich an. So was kannst du allenfalls deinen Freundinnen erzählen. Dagegen habe ich nichts.«

»Und ich hatte geglaubt, der Text würde Ihnen gefallen«, sagte Ande Pu und errötete. »Ich dachte, Sie würden sich per Stummer Rede bei Sir Rogro melden, und er würde das drucken.«

»Willst du diesen Quatsch etwa mit meiner Hilfe verbreiten?«, fragte ich lachend. »Für wen hältst du mich?«

»Na ja«, meinte Ande Pu, »es passiert eben manchmal, dass eine Reportage dem Porträtierten nicht gefällt. Verzeihen Sie bitte die Störung.«

Es tat weh, den Armen nur anzusehen.

»Möchtest du mit mir zu Abend essen?«, fragte ich gnädig.

Sein Gesicht hellte sich auf, und die Tragik schwand aus seinen dunklen Augen, die nun zu glänzen begannen.

»Natürlich willst du. Warum frage ich eigentlich noch?«, meinte ich und meldete mich per Stummer Rede im Fressfass.

»Bestellen Sie Ihr Essen etwa in Bunbas Fressfass«, fragte er kennerisch und schnupperte an seiner Kamra. »Das ist ein sehr gutes Lokal, in dem ich schon viel Zeit verbracht habe. Damals war ich noch so faul, dass ich die Bedienung habe sich nach dem Geld bücken lassen, das mir aus der Hosentasche gefallen war.«

»Wirklich?«, fragte ich erstaunt. Ande Pu sah weder reich noch frisch verarmt aus.

»Ach, Sir Max, Sie wissen über mich so wenig«, seufzte er und winkte ab. Dazu machte er ein Gesicht, das mich an den müden König Lear denken ließ. »Glauben Sie etwa, ich habe schon immer solche dummen Reportagen geschrieben? Von wegen! Mit kaum neunzig Jahren war ich bereits Pressesprecher am Königshof! Ich hatte meine Ausbildung gerade beendet und tolle Perspektiven. Aber irgendein Teufel hat mich geritten, mich mit dem Schreiberling eines hiesigen Boulevardblatts so offen wie mit einem Freund zu unterhalten. Am nächsten Tag ist der entsprechende Artikel erschienen. Das war mein Ende.«