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»Nein, leider nicht.«

»Er ist gefallen.«

»Das tut mir Leid.«

»Vielleicht war es so das Beste«, sagte Witherspoon. Endlich hatte er das Siegel gefunden. »Er sagte immer, er fürchte das Ende des Krieges. Er fragte sich, welchen Reiz der Frieden bringen könne.«

»Das war eine verbreitete Angst in der Armee«, sagte Sandman.

Der Sekretär erwärmte eine Stange Siegellack über einer Kerzenflamme. »Dieses Schreiben bestätigt, dass Sie im Namen des Innenministeriums Nachforschungen anstellen, und bittet alle Personen um ihre Mitwirkung, ohne allerdings eine entsprechende Weisung zu enthalten. Merken Sie sich diesen Unterschied, Captain, merken Sie ihn sich gut. Wir haben keine rechtliche Handhabe, Unterstützung zu verlangen«, erklärte er, während er das Wachs auf den Brief tropfen ließ und das Siegel sorgsam in den roten Fleck drückte. »Wir können also lediglich um Mithilfe ersuchen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir dieses Schreiben nach Abschluss Ihrer Untersuchungen wieder aushändigen würden. Was die eigentlichen Nachforschungen angeht, so denke ich, dass sie nicht allzu eingehend sein müssen, Captain. Die Schuld des Mannes wurde bereits zweifelsfrei festgestellt. Corday ist ein Vergewaltiger, Mörder und Lügner, wir brauchen lediglich ein Geständnis von ihm. Sie finden ihn in Newgate, und wenn Sie energisch genug auftreten, wird er zweifellos seine rohe Tat gestehen, und Ihre Arbeit ist erledigt.« Er reichte Sandman die Vollmacht. »Ich erwarte, bald von Ihnen zu hören. Wir brauchen einen schriftlichen Bericht, aber fassen Sie sich bitte kurz.« Plötzlich zog er das Schreiben zurück, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen: »Was wir auf keinen Fall wünschen, sind Komplikationen, Captain. Liefern Sie uns einen knappen Bericht, der meinem Herrn die Möglichkeit bietet, der Königin zu versichern, dass es keine Gründe für einen Straferlass gibt, und dann vergessen wir die ganze Angelegenheit.«

»Und wenn er kein Geständnis ablegt?«, fragte Sandman.

»Bringen Sie ihn dazu«, erklärte Witherspoon mit Nachdruck. »Er wird ohnehin gehenkt, Captain, ob Sie Ihren Bericht abliefern oder nicht. Es wäre nur wesentlich einfacher, wenn wir Ihrer Majestät die Schuld des Mannes bestätigen könnten, bevor der Schurke hingerichtet wird.«

»Und wenn er unschuldig wäre?«, fragte Sandman.

Witherspoon wirkte entsetzt über diese Annahme. »Wie sollte er? Er wurde bereits für schuldig befunden!«

»Sicher«, sagte Sandman, nahm das Schreiben und steckte es in seine Jackentasche. Verlegen sagte er: »Seine Lordschaft erwähnte ein Entgelt.« Er hasste es, über Geld zu reden, es kam einem Gesichtsverlust gleich, aber das galt auch für seine Armut.

»Ja«, bestätigte Witherspoon. »Mister Talbot haben wir gewöhnlich zwanzig Guineen gezahlt, aber in diesem Fall dürfte es mir schwer fallen, das gleiche Honorar zu empfehlen. Die Angelegenheit ist doch allzu banal, daher werde ich eine Zahlung von fünfzehn Guineen bewilligen. Wohin soll ich Ihnen die Anweisung schicken?« Er schaute auf sein Notizbuch und war entsetzt. »Tatsächlich? Das Wheatsheaf? In der Drury Lane?«

»Tatsächlich«, erwiderte Sandman steif. Ihm war klar, dass Witherspoon eine Erklärung verdiente, da das Wheatsheaf als Verbrecherhöhle berüchtigt war, aber diesen Ruf hatte Sandman nicht gekannt, als er dort nach einem Zimmer gefragt hatte, zudem hielt er es nicht für notwendig, sich vor Witherspoon zu rechtfertigen.

»Sie müssen es wissen«, sagte Witherspoon skeptisch.

Sandman zauderte. Er war kein Feigling, stand sogar im Ruf eines tapferen Mannes, aber diesen Ruf hatte er sich auf dem Schlachtfeld erworben, und was er nun tun musste, erforderte seinen gesamten Mut. »Sie erwähnten eine Anweisung, Mister Witherspoon. Ich überlege, ob ich Sie bewegen könnte, mir das Geld bar auszuzahlen? Ich werde sicher Auslagen haben …« Er stockte, weil ihm um sein Leben nicht einfiel, worin diese Auslagen bestehen könnten.

Doch Witherspoon und der Schreiber starrten Sandman an, als habe er gerade seine Hose fallen lassen. »Bar?«, fragte Witherspoon leise.

Sandman merkte, dass er rot wurde. »Sie möchten die Angelegenheit rasch erledigt wissen, und es könnten Eventualitäten eintreten, die Auslagen erfordern. Wie diese Eventualitäten aussehen mögen, kann ich nicht vorhersehen, aber …« Achselzuckend brach er ab.

»Prendergast«, selbst als Witherspoon mit dem Schreiber sprach, starrte er Sandman an, »gehen Sie bitte zu Mister Hodge, bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir und bitten Sie ihn, uns fünfzehn Guineen auszuzahlen«, er stockte, den Blick immer noch unverwandt auf Sandman gerichtet. »In bar.«

Nachdem das Geld geholt und ausgezahlt war, verließ Sandman das Innenministerium mit den Taschen voller Gold. Verfluchte Armut, dachte er, aber im Wheatsheaf war die Miete fällig, und er hatte seit drei Tagen nicht mehr ordentlich gegessen.

Fünfzehn Guineen. Jetzt konnte er sich eine Mahlzeit leisten. Eine Mahlzeit, etwas Wein und einen Nachmittag beim Kricket. Eine verlockende Aussicht, aber Sandman war kein Mann, der sich vor der Pflicht scheute. Er mochte zwar nur vorübergehend eine Untersuchung für das Innenministerium führen, aber wenn er diese Nachforschungen rasch erledigte, konnte er vielleicht weitere, lukrativere Aufträge von Lord Sidmouth bekommen, und da ein solcher Ausgang inständig zu wünschen war, würde er auf das Essen verzichten, den Wein vergessen und das Kricket verschieben.

Denn er hatte einen Mörder aufzusuchen und ein Geständnis zu erlangen.

Sandman machte sich also auf den Weg, die Sache zu erledigen.

Auf Old Bailey, einer trichterförmigen Straße, die sich von der Newgate Street zum Ludgate Hill allmählich verengte, wurde der Galgen abgebaut. Der schwarze Stoff, mit dem das Podest verhängt war, lag bereits zusammengefaltet auf einem Karren, und gerade reichten zwei Männer den schweren Balken herunter, an dem man die vier Gefangenen gehenkt hatte. Die ersten Flugschriften mit Schilderungen der Hinrichtungen wurden für einen Penny das Stück an die Überreste der morgendlichen Menschenmenge verhökert. Sie hatten gewartet, bis Jemmy Botting die vier Leichen aus der Senke geholt, ihnen den Strang abgenommen und sie in den Sarg gelegt hatte. Eine Hand voll Zuschauer war anschließend auf das Galgenpodest geklettert, um mit ihren Warzen und Geschwüren die Hand eines der Toten zu berühren.

Schließlich hatte man die Särge ins Gefängnis gebracht, doch manche Zuschauer waren noch geblieben, um sich den Abbau des Galgens anzusehen. Zwei Straßenhändler boten Seilstücke an, die angeblich von den Galgenstricken stammten. Anwälte in Perücke und schwarzer Robe hasteten zwischen Lamb Inn, Magpie and Stump und den Sitzungssälen des Gerichts hin und her, das neben dem Gefängnis stand. Inzwischen war die Straße wieder für den Verkehr frei gegeben, und so musste Sandman sich zwischen Fuhrwerken, Kutschen und Handkarren hindurchschlängeln, um zum Gefängnistor zu gelangen, wo er statt Wächter, Schloss und Riegel, wie er erwartet hatte, einen uniformierten Pförtner am Ende der Treppe und ein reges Kommen und Gehen vorfand. Frauen trugen Essenpakete, Säuglinge und Flaschen mit Gin, Bier oder Rum. Kinder liefen schreiend umher, während zwei Schankgehilfen aus dem Magpie and Stump auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf Holztabletts warmes Essen für Gefangene brachten, die sich ihre Dienste leisten konnten.

»Euer Ehren suchen jemanden?«, fragte der Pförtner, der Sandmans Verwirrung bemerkt und sich durch das Gedränge gezwängt hatte.

»Ich suche Charles Corday«, antwortete Sandman, und als er die verwunderte Miene des Pförtners bemerkte, fügte er hinzu, er komme vom Innenministerium. »Mein Name ist Sandman, Captain Sandman, ich führe eine amtliche Untersuchung im Auftrag von Lord Sidmouth durch.« Er holte das Schreiben mit dem imposanten Siegel des Innenministeriums hervor.

Der Pförtner interessierte sich kaum für das Schreiben. »Sie sind der Nachfolger von Mister Talbot, Gott hab ihn selig. Ein richtiger Gentleman war das, Sir.«