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»Der Reverend konnte sie nicht offiziell zur Kenntnis nehmen – es war schließlich heidnisches Brauchtum –, aber seine Haushälterin, Mrs. Graham, hatte mit der Gruppe zu tun, also hat er hin und wieder von ihren Aktivitäten Wind bekommen, und er hat Frank damals verraten, dass es im Morgengrauen des Beltanefestes – also des Maifeiertags – eine Art Zeremonie geben würde.«

Roger nickte und versuchte gleichzeitig, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass Mrs. Graham, diese extrem gesittete ältere Person, an heidnischen Riten teilgenommen hatte und im Morgengrauen durch Steinkreise getanzt war. Alles, was er von druidischen Zeremonien wusste, war, dass dabei manchmal Menschenopfer in Weidenkörben verbrannt wurden, doch ein solches Verhalten konnte er sich bei einer schottischen Presbyterianerin fortgeschrittenen Alters noch weniger vorstellen.

»Es gibt hier ganz in der Nähe einen Steinkreis auf einem Hügel. Also sind wir vor Tagesanbruch dort hingefahren, um, na ja, um sie zu bespitzeln«, fuhr sie mit einem entschuldigenden Achselzucken fort. »Sie wissen ja, wie Wissenschaftler sind; kein Gewissen, wenn es um ihr Fachgebiet geht, geschweige denn irgendwelches Feingefühl.« Bei diesen Worten zuckte Roger zwar sacht zusammen, nickte aber ironisch zustimmend.

»Und da waren sie dann«, sagte sie. »Auch Mrs. Graham, alle mit Bettlaken bekleidet, singend und tanzend in der Mitte des Steinkreises. Frank war fasziniert«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Und es war eindrucksvoll, selbst für mich.«

Sie hielt einen Moment inne und betrachtete Roger kalkulierend.

»Ich hatte schon gehört, dass Mrs. Graham vor ein paar Jahren gestorben ist. Aber ich frage mich … wissen Sie, ob sie Verwandte hatte? Die Mitgliedschaft in solchen Gruppen ist, glaube ich, oft erblich; vielleicht gibt es ja eine Tochter oder Enkeltochter, die mir etwas erzählen könnte.«

»Also«, sagte Roger langsam. »Sie hat eine Enkeltochter – Fiona heißt sie, Fiona Graham. Sie hilft sogar seit dem Tod ihrer Großmutter im Pfarrhaus aus; der Reverend war so gebrechlich, dass man ihn nicht sich selbst überlassen konnte.«

Wenn ihm irgendetwas seine Vision der in einem Bettlaken tanzenden Mrs. Graham austreiben konnte, war es die Vorstellung, die neunzehnjährige Fiona könnte die Hüterin uralten mystischen Wissens sein, doch Roger riss sich tapfer zusammen und fuhr fort.

»Sie ist im Moment zwar leider nicht hier, aber ich könnte sie für Sie fragen.«

Claires schlanke Hand winkte ab. »Machen Sie sich keine Umstände. Das kann warten. Wir haben schon viel zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen.«

Zu Rogers Bestürzung stellte sie ihr leeres Glas auf den kleinen Tisch zwischen den Sesseln, und Brianna schien es gar nicht abwarten zu können, ihr noch volles Glas dazuzustellen. Ihm fiel auf, dass Brianna Randall an den Fingernägeln kaute. Diese winzige Spur von Unvollkommenheit verlieh ihm den Mut, den nächsten Schritt zu tun. Sie faszinierte ihn, und er wollte nicht, dass sie ging, ohne dass er darauf zählen konnte, dass er sie wiedersehen würde.

»Wo wir von Steinkreisen sprechen«, sagte er eilig. »Ich glaube, ich kenne die Stelle, von der Sie gesprochen haben. Sie ist sehr hübsch, und es ist nicht weit von hier.« Er lächelte Brianna Randall direkt an und stellte geistesabwesend fest, dass sie drei kleine Sommersprossen auf dem einen Wangenknochen hatte. »Ich dachte, ich beginne dieses Projekt vielleicht mit einem Ausflug nach Broch Tuarach. Es liegt in derselben Richtung wie der Steinkreis, also könnte man … aaach!«

Mit einem plötzlichen Ruck ihrer sperrigen Handtasche hatte Claire Randall beide Whiskygläser vom Tisch gefegt und Rogers Schoß mit Single Malt und reichlich Wasser übergossen.

»Oh, das tut mir leid«, entschuldigte sie sich sichtlich betroffen. Sie bückte sich und fing an, die Scherben aufzulesen, obwohl Roger stotternd versuchte, sie davon abzubringen.

Brianna, die ein paar Leinenservietten von der Anrichte geholt hatte, um ihr zu helfen, sagte: »Also wirklich, Mutter, ich habe keine Ahnung, wie man dich operieren lassen kann. Du kannst doch gar nicht mit Gegenständen umgehen, die kleiner als ein Brotkasten sind. Du hast ihm ja die ganzen Schuhe mit Whisky durchtränkt!« Sie kniete sich hin und fing an, Whisky und Scherben vom Boden aufzuwischen. »Und die Hose.«

Sie fischte eine frische Serviette von dem Stapel auf ihrem Arm und wischte Roger eifrig die Zehen blank, wobei ihm ihre rote Mähne wild um die Knie wehte. Dann hob sie den Kopf, richtete den Blick auf seine Oberschenkel und betupfte energisch die feuchten Stellen auf dem Cord. Roger schloss die Augen und dachte inbrünstig an fürchterliche Autounfälle auf der Landstraße, an Steuerformulare des Finanzamts und an den Blob aus dem All – alles, was verhindern konnte, dass er sich fürchterlich blamierte, während ihm Brianna Randalls warmer Atem durch den nassen Stoff seiner Hose drang.

»Äh, vielleicht möchten Sie den Rest lieber selbst machen?«, sagte eine Stimme etwa auf der Höhe seiner Nase, und als er die Augen öffnete, sah er sich einem tiefblauen Augenpaar und einem breiten Grinsen gegenüber. Mit wackeligen Knien nahm er ihr die Serviette ab, die sie ihm entgegenhielt, und atmete, als hätte ihn ein D-Zug verfolgt.

Als er den Kopf senkte, um sich die Hose trocken zu reiben, fiel sein Blick auf Claire Randall, die ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Belustigung beobachtete. Sonst war ihrer Miene nichts mehr anzusehen; keine Spur dessen, was er kurz vor der Katastrophe in ihren Augen aufblitzen gesehen hatte – so glaubte er. Verlegen, wie er war, vermutete er jetzt, dass es nur Einbildung gewesen war. Denn warum in aller Welt hätte sie es absichtlich tun sollen?

»Seit wann interessierst du dich denn für Druiden, Mama?« Aus irgendeinem Grund schien Brianna diese Vorstellung furchtbar komisch zu finden; mir war aufgefallen, dass sie sich auf die Innenseiten der Wangen biss, während ich mich mit Roger Wakefield unterhielt, und das Grinsen, das sie sich verkniffen hatte, stand ihr jetzt breit ins Gesicht geschrieben. »Hast du vor, dir auch ein Bettlaken zu besorgen und mitzumachen?«

»Das wäre bestimmt unterhaltsamer als die Donnerstagsbesprechungen im Krankenhaus«, sagte ich. »Nur vielleicht ein bisschen zugig.« Sie lachte laut auf, so dass vor uns zwei Meisen erschrocken vom Weg aufstoben.

»Nein«, sagte ich und wurde jetzt ernst. »Es sind weniger die Druidinnen, um die es mir geht. Ich hatte hier in Schottland eine Bekannte, die ich gern finden würde, wenn es geht. Ich habe ihre Adresse nicht – ich habe seit zwanzig Jahren nichts von ihr gehört –, aber sie hat sich für solche Merkwürdigkeiten interessiert: Hexerei, abergläubische Überlieferungen, Folklore und so. Sie hat einmal hier in der Nähe gewohnt; ich dachte, wenn sie noch hier ist, hat sie vielleicht mit einer solchen Gruppe zu tun.«

»Wie heißt sie denn?«

Ich schüttelte den Kopf und griff nach der Haarspange, die sich aus meinen Locken löste. Sie glitt mir durch die Finger und fiel ins hohe Gras am Wegrand.

»Verdammt!«, sagte ich und bückte mich danach. Meine Finger zitterten, als ich zwischen den dicht gewachsenen Halmen umhertastete, und ich hatte Mühe, die Spange aufzuheben, die im nassen Gras schlüpfrig geworden war. Der Gedanke an Geillis Duncan brachte mich auch jetzt noch aus der Fassung.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich und strich mir die Locken aus dem erhitzten Gesicht. »Ich meine – es ist schon so lange her, sie hat bestimmt inzwischen einen anderen Namen. Sie war verwitwet; vielleicht hat sie ja wieder geheiratet oder benutzt ihren Mädchennamen.«

»Oh.« Brianna verlor das Interesse an dem Thema und ging eine Weile schweigend weiter. Plötzlich sagte sie: »Was hältst du von Roger Wakefield, Mama?«

Ich warf ihr einen flüchtigen Blick zu; ihre Wangen waren gerötet, doch das konnte auch am Frühlingswind liegen.

»Er scheint ein sehr netter junger Mann zu sein«, sagte ich vorsichtig. »Auf jeden Fall ist er intelligent; er ist einer der jüngsten Professoren in Oxford.« Von seiner Intelligenz hatte ich gewusst; ich fragte mich, ob er auch Fantasie besaß. Es gab so viele Akademiker, die keine hatten. Aber Fantasie würde hilfreich sein.