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Lächelnd trat ich vor und sagte: »Ich bin Corey von Cabra. Ich habe Euch beobachtet.«

Dann wandte ich mich dem großen, dunkelhaarigen Mann zu, der seinen ruhenden Kameraden angrinste.

»Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich mit Euch ein bißchen trainiere, während sich Euer Freund ausruht?« fragte ich.

Er grinste noch breiter und deutete auf seinen Mund und seine Ohren. Ich versuchte es mit mehreren anderen Sprachen, doch eine Verständigung kam nicht zustande. Schließlich deutete ich auf die Klinge und auf ihn und dann auf mich, bis er begriff, was ich wollte. Sein Gegner schien den Einfall für gut zu halten, denn er bot mir seine Waffe an.

Ich nahm sie. Das. Schwert war kürzer und weitaus schwerer als Grayswandir[1].

Zur Probe schwang ich die Klinge ein paarmal hin und her, zog meinen Mantel aus, warf ihn zur Seite und schlug en garde.

Der große Bursche griff an. Ich parierte und attackierte. Er parierte und ripostierte. Ich parierte die Riposte, fintete und griff erneut an. Und so weiter. Nach fünf Minuten wußte ich, daß mein Gegner gut war – und daß ich ihn besiegen konnte. Er unterbrach zweimal den Kampf, um sich ein vor mir angewandtes Manöver erklären zu lassen. In beiden Fällen begriff er sehr schnell, worum es ging. Doch nach einer Viertelstunde wurde sein Grinsen breiter. Vermutlich war dies der Augenblick, da er die meisten Gegner mit seinem Durchhaltevermögen zum Aufgeben zwang, wenn sie sich überhaupt schon so lange gehalten hatten. Er wußte mit seinen Kräften zu haushalten und sie richtig einzusetzen, das muß ich zugeben. Nach zwanzig Minuten trat ein verwirrter Ausdruck auf sein Gesicht. Ich sah wohl nicht aus wie ein Mann, der einen Kampf so lange durchstand. Doch was vermag ein Mensch über die Kräfte zu sagen, die in einem Abkömmling Ambers schlummern?

Nach fünfundzwanzig Minuten war er in Schweiß gebadet, setzte den Kampf aber tapfer fort. Mein Bruder Random wirkt und handelt gelegentlich wie ein asthmatischer jugendlicher Raufbold – doch einmal hatten wir gut sechsundzwanzig Stunden miteinander gekämpft, nur um festzustellen, wer zuerst aufgab. (Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: ich war es. Ich hatte am nächsten Tag eine Verabredung, zu der ich in einigermaßen guter Verfassung antreten wollte.) Wir hätten weiterkämpfen können. Zwar war ich keiner Leistung fähig, wie ich sie damals zustande gebracht hatte, doch wußte ich, daß ich diesem Manne überlegen war. Immerhin war er nur ein Mensch.

Nach etwa einer halben Stunde, als er bereits schwer atmete und in seinen Gegenzügen langsamer wurde und sicher bald erriet, daß ich mich zurückhielt, hob ich die Hand und senkte die Klinge, wie ich es bei seinem ersten Gegner gesehen hatte. Er kam ebenfalls langsam zum Stillstand und stürzte dann auf mich zu und umarmte mich. Was er sagte, verstand ich nicht, doch ich vermutete, daß unsere Übung ihm gefallen hatte. Und das traf auch für mich zu. Das Schlimme war nur, daß ich die Anstrengung spürte. Mir war leicht schwindlig zumute.

Aber ich brauchte mehr. Ich gab mir das Versprechen, daß ich mich an diesem Tage bis zum Äußersten anstrengen, mir an Abend den Bauch vollschlagen und dann in einen tiefen Schlaf sinken würde. Und morgen dasselbe Programm.

Daraufhin begab ich mich zu den Bogenschützen. Nach eine Weile lieh ich mir einen Bogen aus und schoß im Dreifingerstil etwa hundert Pfeile ab. Meine Trefferquote war nicht schlecht. Anschließend schaute ich eine Zeitlang den Berittenen zu, die mit Lanzen, Schilden und Morgensternen hantierten, und ging dann weiter, um mir die Ringkämpfe anzuschauen.

Schließlich rang ich mit drei Männern hintereinander. Danach fühlte ich mich wirklich ausgelaugt. Ich konnte nicht mehr.

Schweißüberströmt, schweratmend setzte ich mich auf eine schattige Bank. Ich dachte an Lance, an Ganelon, an das Abendessen. Nach etwa zehn Minuten begab ich mich ins Zimmer, das man mir zugewiesen hatte, und wusch mich gründlich.

Ich verspürte einen Heißhunger und machte mich schließlich daran, mir ein Abendessen und Informationen zu beschaffen. Ich hatte mich kaum von der Tür entfernt, als ein Wächter herankam – es handelte sich um einen der Männer, die mich am Abend zuvor hierhergeführt hatten. »Lord Ganelon bittet Euch, heute abend beim Schlag der Essensglocke mit ihm in seinen Gemächern zu speisen«, sagte er.

Ich dankte dem Mann, sagte, ich würde zur Stelle sein, kehrte in mein Zimmer zurück und ruhte mich auf meinem Bett aus, bis es soweit war. Dann machte ich mich auf den Weg.

Meine Muskelschmerzen waren stärker geworden, hatte ich doch heute keine Rücksicht darauf genommen und mir einige neue empfindliche Stellen zugezogen. Ich kam zu dem Schluß, daß dies nur gut für mich sein könne, weil es mich älter erscheinen ließ. Ich klopfte an Ganelons Tür, und ein Page ließ mich ein und eilte zu einem anderen Jüngling, der in der Nähe des Kamins den Tisch deckte.

Ganelon, der von Kopf bis Fuß in Grün gekleidet war, saß in einem Stuhl mit hoher Lehne. Als ich eintrat, stand er auf und kam mir zur Begrüßung entgegen.

»Sir Corey, ich habe von Euren heutigen Leistungen gehört«, sagte er und ergriff meine Hand. »Das alles läßt mir glaubhaft erscheinen, daß Ihr Lance getragen habt. Ich muß sagen. Ihr seid ein besserer Mann, als Euer Aussehen vermuten läßt – und das soll beileibe keine Kränkung sein.«

Ich lachte leise vor mich hin. »Ich bin auch nicht beleidigt.«

Er führte mich zu einem Stuhl, reichte mir ein Glas Weißwein, der für meinen Geschmack etwas zu süß war, und fuhr fort: »Wenn man Euch so anschaut, könnte man meinen, Ihr wärt mit einer Hand zu besiegen – dabei habt Ihr Lance fünf Meilen weit getragen und unterwegs noch zwei von den widerlichen Katzenwesen getötet. Außerdem hat er mir von dem Grabhügel erzählt, den Ihr gebaut habt, von den großen Steinen . . .«

»Wie geht es Lance heute?« unterbrach ich ihn.

»Ich mußte ihm einen Wächter ins Zimmer geben, damit er auch wirklich im Bett blieb. Der Muskelprotz wollte doch tatsächlich aufstehen und herumlaufen! Aber bei Gott – mindestens eine Woche lang bleibt er im Bett!«

»Dann muß er sich ja schon wieder besser fühlen.«

Er nickte.

»Auf seine Gesundheit!«

»Darauf trinke ich gern.«

Wir tranken.

»Hätte ich doch nur eine Armee aus Männern wie Euch und Lance«, sagte Ganelon schließlich. »Dann sähe die Lage vielleicht anders aus.«

»Welche Lage?«

»Der Kreis und seine Wächter«, sagte er. »Ihr habt davon noch nicht gehört?«

»Lance hat den Kreis erwähnt. Das ist alles.«

Einer der Pagen kümmerte sich um ein riesiges Stück Rindfleisch an einem Spieß über dem niedrigbrennenden Feuer. Von Zeit zu Zeit goß er etwas Wein darüber, während er das Fleisch wendete. Immer wenn mir der Duft in die Nase stieg, begann mein Magen laut zu knurren, und Ganelon lachte leise vor sich hin. Der andere Page verließ das Zimmer, um aus der Küche Brot zu holen.

Ganelon schwieg lange Zeit. Er trank aus und schenkte sich nach. Ich genoß mein erstes Glas.

»Habt Ihr schon einmal von Avalon gehört?« fragte er schließlich.

»Ja«, erwiderte ich. »Es gibt da einen Vers, den ich vor langer Zeit von einem reisenden Barden gehört habe: ›Hinter dem Flusse der Gesegneten setzten wir uns und weinten bei der Erinnerung an Avalon. Die Schwerter in unserer Hand waren zerschmettert, und wir hingen unsere Schilde an den Eichbaum. Die schlanken Silbertürme verschlungen von einem Meer von Blut. Wie viele Meilen bis Avalon? Keine, sage ich, und doch unendlich viele. Die Silbertürme sind gefallen.«

»Avalon vernichtet . . .?« fragte er.

»Ich glaube, der Mann war verrückt. Ich weiß nichts von einem Avalon. Sein Gedicht ist mir aber in Erinnerung geblieben.«

Ganelon wandte das Gesicht ab und schwieg einige Minuten lang. Als er schließlich wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme verändert.

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1

Das ist der Name meiner Klinge, den ich bis jetzt noch gar nicht erwähnt habe. Damit verbindet sich eine eigene Geschichte, die ich vielleicht noch erzähle, ehe Sie erfahren, was mich zu diesem letzten Paß geführt hat. Aber sollte ich den Namen noch einmal verwenden, dann wissen Sie wenigstens, wovon ich spreche.