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Wieder schüttelte er den Kopf.

»Nein. Das ist nicht sein Stil. Ich frage mich, worauf er es abgesehen hat?«

»Schlaft drüber«, schlug ich vor.

»Es bleibt mir im Augenblick wohl kaum etwas anderes übrig«, sagte er und unterdrückte ein Gähnen.

Dann standen wir auf und schritten über die Mauer. Wir wünschten uns eine gute Nacht, und ich taumelte dem Abgrund des Schlafes entgegen und ließ mich kopfüber hineinfallen.

2

Tag. Neue Schmerzen. Neue empfindliche Stellen.

Jemand hatte mir einen ungebrauchten Mantel aus braunem Stoff dagelassen, und das schien mir eine gute Sache zu sein. Besonders wenn ich noch weiter zunahm und Ganelon sich an meine Farben erinnerte. Den Bart rasierte ich nicht ab, hatte er mich doch in einem etwas weniger struppigen Zustand gekannt. In seiner Gegenwart gab ich mir Mühe, meine Stimme zu verstellen. Grayswandir versteckte ich unter dem Bett.

In der folgenden Woche trieb ich mich von einer Anstrengung zur nächsten. Ich quälte mich ab und schwitzte und hüpfte, bis die Schmerzen nachließen und meine Muskeln wieder fest wurden. Ich glaube, in dieser Woche nahm ich fünfzehn Pfund zu. Langsam, sehr langsam begann ich mich zu fühlen wie früher.

Das Land hieß Lorraine – und so hieß auch sie. Wäre ich jetzt in der Stimmung, Sie etwas an der Nase herumzuführen, würde ich sagen, wir hätten uns auf einer Wiese hinter der Burg getroffen, während sie Blumen pflückte und ich an der frischen Luft einen Spaziergang machte. Blödsinn!

Höflich ausgedrückt, konnte man sie wohl als Marketenderin bezeichnen. Ich begegnete ihr am Ende eines harten Tages, den ich vorwiegend mit Säbel und Netz verbracht hatte. Als mein Blick auf sie fiel, stand sie abseits und wartete auf den Mann, mit dem sie verabredet war. Sie lächelte, und ich lächelte zurück, nickte, blinzelte ihr zu und ging vorbei. Am nächsten Tag bekam ich sie wieder zu Gesicht, sagte »Hallo« und ging an ihr vorbei. Das ist alles.

Nun, ich lief ihr immer mal wieder über den Weg. Am Ende der zweiten Woche, als die Schmerzen ausgestanden waren und ich gut hundertundsiebzig Pfund wog und mich wieder entsprechend zu fühlen begann, verabredete ich mich auf einen Abend mit ihr. Inzwischen war mir ihr Status natürlich bekannt, und ich hatte nichts dagegen. Aber an jenem Abend taten wir nicht das übliche. O nein. Statt dessen unterhielten wir uns, und später passierte etwas ganz anderes.

Ihr Haar war rostfarben und wies schon einige graue Strähnen auf. Trotzdem schätzte ich sie auf unter Dreißig. Die Augen sehr blau. Ein etwas spitz zulaufendes Kinn. Saubere, gleichmäßige Zähne in einem Mund, der mich viel anlächelte. Ihre Stimme klang leicht nasal, sie trug das Haar zu lang, das Make-up lag zu dick über zu tiefen Spuren der Müdigkeit, ihre Haut war ein wenig zu sommersprossig, ihre Kleidung zu bunt und zu eng. Doch ich mochte sie. Als ich mich mit ihr verabredete, wußte ich noch nicht, daß sie mir gefallen würde; wie gesagt, ich hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, ihr den Hof zu machen.

Es gab keine andere Möglichkeit als mein Zimmer, und wir waren dorthin gegangen. Ich war inzwischen zum Captain ernannt worden und nutzte natürlich meine Stellung aus, indem ich uns das Essen und eine Extraflasche Wein servieren ließ.

»Die Männer haben Angst vor dir«, sagte sie. »Sie sagen, du ermüdest niemals.«

»Das tue ich aber«, erwiderte ich. »Glaub mir!«

»Natürlich«, sagte sie, schüttelte die zu langen Locken und lächelte. »Trifft das nicht bei uns allen zu?«

»Kann man wohl sagen«, erwiderte ich.

»Wie alt bist du?«

»Wie alt bist du?«

»Ein Gentleman stellt diese Frage nicht.«

»Eine Dame aber auch nicht.«

»Als du hier auftauchtest, hielt man dich für über fünfzig.«

»Und . . .?«

»Jetzt ist man sich nicht mehr sicher. Fünfundvierzig? Vierzig?«

»Nein«, sagte ich.

»Das hatte ich auch nicht angenommen. Aber dein Bart hat alle getäuscht.«

»Das haben Bärte oft so an sich.«

»Du siehst mit jedem Tag besser aus. Größer . . .«

»Danke. Ich fühle mich tatsächlich besser als bei meiner Ankunft.«

»Sir Corey von Cabra«, sagte sie. »Wo liegt Cabra? Was ist Cabra? Nimmst du mich dorthin mit, wenn ich dich nett darum bitte?«

»Versprechen würd´ ich´s dir«, erwiderte ich. »Aber es wäre eine Lüge.«

»Ich weiß. Aber ich würd´s trotzdem gern hören.«

»Na gut. Ich nehme dich mit dorthin. Es ist ein mieses Land.«

»Bist du wirklich so gut, wie die Männer behaupten?«

»Wohl kaum. Und du?«

»Eigentlich nicht. Möchtest du jetzt zu Bett gehen?«

»Nein, ich möchte mich lieber mit dir unterhalten. Hier, ein Glas Wein.«

»Vielen Dank – auf deine Gesundheit.«

»Und die deine.«

»Wieso bist du ein so guter Schwertkämpfer?«

»Naturtalent und gute Lehrer – deshalb.«

». . . und du hast Lance die ganze weite Strecke getragen und die Ungeheuer getötet . . .«

»Je öfter man eine solche Geschichte erzählt, desto gewaltiger wird sie.«

»Aber ich habe dich beobachtet. Du bist wirklich besser als die anderen. Deshalb hat dir Ganelon ja auch seinen Vorschlag gemacht – was immer es ist. Er weiß etwas Gutes zu erkennen, wenn es ihm vor Augen kommt. Ich habe schon viele Schwertkämpfer zum Freund gehabt und habe ihnen beim Üben zugeschaut. Du könntest sie alle fertigmachen. Die Männer sagen, du wärst ein guter Lehrer. Sie mögen dich, obwohl du ihnen angst machst.«

»Warum mache ich ihnen angst? Weil ich kräftig bin? Es gibt viele kräftige Männer auf der Welt. Weil ich mein Schwert lange Zeit schwingen kann?«

»Sie glauben, da spielt etwas Übernatürliches mit.«

Ich lachte.

»Nein, ich bin nur der zweitbeste Schwertkämpfer, den es gibt. Verzeihung – vielleicht der drittbeste. Aber ich will mir künftig noch mehr Mühe geben.«

»Wer ist denn besser?«

»Möglicherweise Eric von Amber.«

»Wer ist das?«

»Ein übernatürliches Wesen.«

»Er ist der beste?«

»Nein.«

»Wer dann?«

»Benedict von Amber.«

»Ist er auch eins?«

»Ja – wenn er noch lebt.«

»Seltsam – du bist seltsam«, meinte sie. »Und warum? Sag´s mir! Bist auch du ein übernatürliches Wesen?«

»Komm, wir trinken noch ein Glas Wein.«

»Der Alkohol steigt mir zu Kopf.«

»Um so besser.«

Ich schenkte ein.

»Wir werden alle sterben«, sagte sie.

»Früher oder später.«

»Ich meine hier und bald, im Kampf gegen dieses Ding.«

»Warum sagst du das?«

»Es ist zu stark.«

»Warum bleibst du dann hier?«

»Ich weiß nicht, wohin ich sonst sollte. Deshalb habe ich dich auch nach Cabra gefragt.«

»Und deshalb bist du heute abend zu mir gekommen?«

»Nein. Ich wollte sehen, wie du so bist.«

»Ich bin ein Athlet, der sich gegen sein Training versündigt. Bist du hier in der Gegend geboren?«

»Ja. Im Wald.«

»Warum hast du dich mit den Burschen hier eingelassen?«

»Warum nicht? Es ist doch besser, als jeden Tag Schweine zu hüten.«

»Hast du keinen eigenen Mann gehabt? Einen ständigen, meine ich?«

»Doch. Aber er ist tot. Er ist der Mann, der den . . . den Hexenring gefunden hat.«

»Tut mir leid.«

»Mir aber nicht. Immer wenn er genug Geld zusammengestohlen oder -geborgt hatte, ist er sich besaufen gegangen, und dann kam er nach Hause und schlug mich. Ich war froh, daß ich Ganelon kennengelernt habe.«

»Du meinst also, das Wesen sei zu stark – daß wir den Kampf verlieren?«

»Ja.«

»Da magst du recht haben. Aber ich glaube, du irrst dich.«

Sie zuckte die Achseln.

»Du wirst mit uns kämpfen?«

»Ich fürchte, ja.«

»Niemand wußte das genau oder hat sich eindeutig darüber geäußert. Das kann interessant werden. Ich würde dich gern mit dem Ziegenmann kämpfen sehen.«

»Warum?«

»Weil er der Anführer zu sein scheint. Wenn du ihn tötest, hätten wir eine bessere Chance. Du könntest es sogar schaffen.«