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In diesem Augenblick hatte der Mann im Kontroll-raum plötzlich soviel Geistesgegenwart, die Übertragung abzuschalten, und niemand außer den im Studio Anwesenden weiß, was danach geschah.

Von den fünfhunderttausend Zuschauern am Bildschirm war ohnehin nur ein geringer Bruchteil den Darbietungen bis zu diesem Punkt gefolgt. Die meisten von ihnen hatten selber Martier in ihren Wohnungen.

Oder man nehme den traurigen Fall jungvermählter Paare auf Hochzeitsreise — und in jedem gegebenen Augenblick, einschließlich des in Frage stehenden, befindet sich eine Anzahl von jungen Paaren auf Hoch-zeitsreise oder auf einem angemessenen, wenn auch weniger legalen Gegenstück zu Hochzeitsreisen.

Nehmen wir als erstbestes Beispiel Mr. und Mrs. William R. Gruder, fünfundzwanzig beziehungsweise zweiundzwanzig Jahre alt, die am selben Tage in Denver geheiratet hatten. Bill Gruder war Fähnrich bei der Marine und z. Zt. auf Treasure Island, San Franzisco, stationiert, wo er einen Schulungskursus leitete. Seine junge Frau, Dorothy Gruder, geborene Armstrong, hatte in der Annoncenexpedition der „Chicago Tribune" gearbeitet. Sie hatten sich kennengelernt und ineinander verliebt, als Bill zur Ausbildung in einem Lager in der Nähe Chikagos gewesen war. Nach seiner Versetzung nach San Franzisko hatten sie beschlossen, am ersten Tage eines Wochenurlaubs, der Bill zustand, zu heiraten, und sich zu diesem Zweck auf halbem Wege, in Denver, zu treffen. Und diese eine Flitterwoche in Denver zu verbringen und dann zusammen nach San Franzisko zurückzukehren.

Sie waren um vier Uhr an jenem Nachmittag getraut worden, und wenn sie geahnt hätten, was sich innerhalb weniger Stunden ereignen würde, wären sie schleunigst in ein Hotel gegangen, um etwas von ihrer jungen Ehe zu haben, ehe die Martier kamen. Aber sie waren natürlich ahnungslos.

Dabei konnten sie einesteils immer noch von Glück sagen. Sie hatten nicht sofort einen Martier auf dem Halse und Zeit, sich innerlich darauf vorzubereiten, ehe sie einen zu Gesicht bekamen.

Um 9.14 Uhr an jenem Abend, Gebirgszeit, hatten sie sich gerade in einem Hotel eingetragen (nachdem sie in aller Ausgiebigkeit zu Abend gegessen und danach bei ein paar Cocktails zusammen gesessen hatten, um sich gegenseitig zu beweisen, daß sie die Willenskraft besaßen, solange zu warten, bis es schicklich schien, zu Bett zu gehen und sie schließlich nicht nur deswegen geheiratet hätten), und der Page setzte ihre Koffer gerade im Zimmer ab.

Als Bill ihm ein ziemlich großzügiges Trinkgeld in die Hand drückte, hörten sie etwas, was sich als eine Reihe von Geräuschen erwies. In einem nicht weit abgelegenen Zimmer schrie jemand, und der Schrei wurde wie durch ein vielfältiges Echo aus verschiedenen Richtungen zurückgeworfen. Man vernahm wütende männliche Stimmen. Dann sechs Revolverschüsse in rascher Folge. Rennende Schritte auf dem Gang.

Und andere rennende Schritte auf der Straße draußen, wie es schien, ein plötzliches Aufquietschen von Bremsen, und wieder mehrere Schüsse. Und eine laute Stimme, die aus dem Zimmer nebenan zu kommen schien, zu gedämpft, als daß man die Worte hätte verstehen können. Es klang jedoch, als fluchte jemand kräftig.

Bill schaute den Pagen stirnrunzelnd an. „Ich dachte, dies wäre ein ruhiges Hotel, ein gutes. Früher war es das."

Das Gesicht des Pagen drückte Bestürzung aus. „Das ist es noch, Sir. Ich kann mir nicht vorstellen, was —"

Er trat rasch an die Tür, öffnete sie und schaute den Gang hinauf und hinunter. Aber wer immer dort entlang gerannt sein mochte, war inzwischen um eine Biegung verschwunden.

Er sagte über seine Schulter hinweg: „Es tut mir leid, Sir. Ich weiß nicht, was los ist, aber e t w a s stimmt nicht. Ich werde mal unten in der Anmeldung nachschauen — und Ihnen rate ich, die Tür fest zu verriegeln. Gute Nacht und vielen Dank."

Er zog die Tür hinter sich zu, und Bill ging hinüber und schob den Riegel vor. Dann wandte er sich zu Dorothy um. „Wahrscheinlich hat es nichts weiter auf sich, Liebling. Vergessen wir es."

Er trat einen Schritt auf sie zu und blieb stehen, als eine weitere Salve von Schüssen ertönte, diesmal unverkennbar von der Straße, und mehr rennende Schritte. Ihr Zimmer lag im dritten Stock, eines der Fenster stand einen Spalt offen, die Geräusche waren klar und unverwechselbar.

„Augenblick, Liebling", sagte Bill. „Es scheint tatsächlich etwas nicht zu stimmen."

Er näherte sich dem Fenster, schob es hoch, lehnte sich hinaus und blickte hinunter. Dorothy trat neben ihn.

Zuerst sahen sie nichts, nur eine leere Straße mit einigen parkenden Wagen. Dann kamen aus dem Eingang zu einem Apartment-Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Mann und ein Kind gerannt. Aber war es ein Kind? Selbst in dieser Entfernung und bei dieser trüben Beleuchtung haftete ihm etwas Seltsames an. Der Mann blieb stehen und versetzte dem Kind, falls es sich um ein Kind handelte, einen kräftigen Fußtritt. Von ihrem Beobachtungsposten sah es aus, als ginge der Fuß des Mannes glatt durch das Kind hindurch.

Der Mann stürzte rücklings hin, erhob sich und rannte weiter, und das Kind rannte mit ihm mit. Einer von beiden redete, aber sie konnten die Worte nicht verstehen und wußten auch nicht wer redete, nur daß es sich nicht wie eine Kinderstimme anhörte.

Dann verschwanden sie um eine Ecke. Aus einer anderen Richtung peitschten von ferne erneut Schüsse durch die Nacht.

Zu sehen war im Augenblick jedoch nichts.

Sie zogen die Köpfe zurück und schauten sich an.

„Bill", sagte Dorothy, „etwas — könnte etwa eine Revolution ausgebrochen sein, oder — oder was?"

„Ach wo, nicht hier. Aber —" Sein Blick fiel auf einen Radioapparat auf dem Toilettentisch, der durch den Einwurf eines Geldstückes in Betrieb zu setzen war; er ging darauf zu und holte lose Münzen aus seiner Tasche. Er fand einen Vierteldollar darunter, steckte ihn in den Einwurf und drückte den Knopf. Das Mädchen war neben ihn getreten, und so standen sie, jeder den Arm um den andern gelegt, starrten auf den Apparat und warteten, bis er warm werden würde. Als er anfing zu summen, streckte Bill die freie Hand aus und drehte an der Einstellung, bis eine Stimme ertönte, eine laute, erregte Stimme.

„ . . . Martier, definitiv Martier", sagte die Stimme. „Aber behaltet um Gottes willen die Ruhe, Leute. Habt keine Angst, aber versucht nicht, sie zu attackieren. Es nützt gar nichts. Außerdem sind sie harmlos. Sie können Euch nichts anhaben, aus demselben Grunde, aus dem Ihr ihnen nichts anhaben könnt. Ich wiederhole, sie sind harmlos.

Ich wiederhole, man kann ihnen nichts anhaben. Die Hand geht glatt durch sie hindurch wie durch Rauch. Kugeln, Messer und andere Waffen sind aus demselben Grunde nutzlos. Und so weit wir informiert sind, hat auch noch keiner von ihnen versucht, einem Menschen ernsthaft Schaden zuzufügen. Also bewahrt die Ruhe und behaltet die Nerven."

Eine andere Stimme schaltete sich ein und gab in mehr oder weniger verstümmelter Form wieder, was gesagt worden war, aber die Stimme des Ansagers übertönte die neue Stimme: „Ja, es sitzt eben einer vor mir und redet auf mich ein, aber ich halte meinen Mund so dicht an das Mikrophon, daß —"

„Bill, das ist doch bloß Schwindel und Sensationsmache. Vor zwanzig Jahren oder so haben sie schon einmal etwas Derartiges gesendet, meine Eltern haben mir davon erzählt — Schalt' einen anderen Sender ein."

Bill sagte: „Damit hast du wahrscheinlich recht, Liebling", und drehte an dem Suchknopf.

Eine andere Stimme: „ . . . keine Aufregung, Leute. Es haben sich bereits eine ganze Anzahl von Menschen tödliche Verletzungen oder schwerere und leichtere Verwundungen beigebracht, indem sie versucht haben, Mar-tier umzubringen, die einfach nicht umzubringen sind. Also unterlaßt den Versuch. Bleibt ruhig. Ja, sie sind auf der ganzen Welt vorhanden, nicht nur hier in Denver. Wir stehen mit allen erreichbaren Sendern, die noch in Betrieb sind, in Verbindung, und alle melden Martier, selbst die von der anderen Seite des Erdballs.