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Das Polizeiauto war, langsam von oben die Straße herunterkommend, vorbeigefahren, auf Höhe der Kirche etwa mußte es gewendet haben, das Blaulicht kreiste einige Male durchs Zimmer, bevor es verlosch und die Türen zuschlugen, fast übertönt von dem Zornesbrüllen, das jäh abbrach. Sie hockte sich unter das Fenster, an die kalte Heizung gepreßt, stand erst wieder auf, als ein zweites Blaulicht näher kam, durchs Zimmer kreiste wie ein Suchscheinwerfer, und dann sah sie, wie ein Sanitäter Sara behutsam zum Krankenwagen trug, ein zweiter hinter ihm, der den Kopf schüttelte und etwas sagte, der erste, das Kind in den Armen, ging zum Beifahrersitz, nahm eine Decke entgegen, wickelte Sara behutsam in die Decke, setzte sie in den Wagen. Dann wurde der Motor angelassen, und als er verklang, hörte Isabelle die Frauenstimme, schluchzend, erstickt, anscheinend stand sie in der Haustür, eine Männerstimme forderte sie ungeduldig auf, sich ins Auto zu setzen, Isabelle hockte sich wieder hin, hörte kurze Zeit später vier Autotüren zuschlagen, und als sie wieder aufstand, hinausschaute, war die Straße leer.

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Jakob sah noch, wie Bentham auf die Eingangstür zuging, von Maude und Alistair begrüßt wurde, Alistair blickte kurz auf, winkte ihm zu, dann setzte sich das Taxi in Bewegung, bog links ab und fädelte sich in den Verkehr auf der Great Portland Road ein, um gleich darauf am Regent’s Park entlang Richtung Norden zu fahren. Es ist aber nichts passiert, dachte Jakob, Alistair sagt, daß sie nur einen Schock hat. — Schicken Sie Alistair, wenn Sie Ihre Frau nicht erreichen! hatte Bentham schließlich ungeduldig verlangt. — Sie müssen doch wissen, ob etwas passiert ist, und dann hatte Alistair sie zu Hause angetroffen, — aber sie wollte mich nicht reinlassen, du solltest sofort kommen, sie mußte die Polizei rufen, weil die Nachbarn sich geprügelt haben. Jakob hatte nicht verstanden, was geschehen war, das Mädchen, hatte er gedacht, es ist bestimmt das Mädchen, und Bentham hatte darauf bestanden, daß sie noch am Nachmittag zurückflogen.

Das Taxi erreichte die Kentish Town Road, bog langsam in die Lady Margaret Road ein, im Morgenlicht traten die viktorianischen Fassaden so plastisch hervor, daß es Jakob vorkam, als sähe er sie zum ersten Mal, die Straße lag friedlich da, Fenster leuchteten in der Sonne, das Laub der Platanen zeigte die ersten Anzeichen des Herbstes, es war September. Ein Mann mit einem Karren versperrte die Straße, hielt das Taxi auf, er bimmelte mit einer Glocke, stand vor der Kirche mitten auf der Fahrbahn, rief dem Pfarrer etwas zu, unablässig die Glocke schwingend, der Pfarrer gestikulierte heftig. Jakob hielt die Blumen, die er auf dem Flughafen für Isabelle gekauft hatte, vorsichtig von sich weg, damit kein Wasser auf seine Hosen tropfte. Isabelle stand in der Tür, als er ausstieg und zahlte, er warf einen Blick auf das Nachbarhaus, in das Fenster, hinter dem über der Lehne des Sofas die Decke mit dem Tiger ausgebreitet war, aber die Katze, die sonst dort gelegen hatte, fehlte, und Jakob fragte sich, wo sie jetzt war. Dann winkte Isabelle schüchtern, sie ließ die Tür los und lief auf ihn zu. Aber was ist passiert? fragte sich Jakob, warum trägt sie diese Kleider? Sie roch nach Schweiß, er mußte sich überwinden, sie zu umarmen. Sie schmiegte sich nicht an ihn, ihre Augen waren geschlossen, er betrachtete einen Moment ihr Gesicht, es zog ihm das Herz zusammen. — Es wird anders jetzt, sagte er leise. Ihr Gesicht war fremd und traurig, aber da waren all die Jahre, die er auf sie gewartet hatte, darauf, ihr Gesicht wiederzusehen, und hier war es, die glatte Stirn und der Leberfleck auf der linken Wange, das klare, ovale Gesicht, unsicher, verstört. — Es wird wieder gut, sagte er, er legte die Blumen auf seinen Koffer und schloß Isabelle in die Arme. Man muß Erbarmen haben, hatte Bentham gesagt, dachte er, aber worum war es gegangen, worüber hatte er gesprochen? — Es wird wieder gut, murmelte er und versuchte vergeblich, sich zu erinnern, was Bentham genau gesagt hatte, er blickte über ihre Schulter die Straße entlang, die Häuser standen noch immer da, solide, plastisch, ihre geschmückten Fassaden, mit Säulen geschmückt, mit Simsen, die keine Funktion hatten, und niemand kam von da her, wo er den Mann mit dem Karren, den Pfarrer gesehen hatte, gestikulierend, aufgeregt, keiner der Anwohner war zu sehen, nicht einmal hinter einer Fensterscheibe, es war alles verlassen, als wären sie einer Warnung gefolgt, dachte Jakob, einer Warnung, die Straße zu räumen, nur er und Isabelle hatten nichts begriffen. Er drehte den Kopf zu den leeren Fenstern, zu dem Sofa mit der häßlichen Überdecke, aber der Geruch war hier, er kam aus diesen Kleidern, aus den Männerkleidern, die Isabelle trug. — Wir müssen hineingehen, sagte Jakob. Er bückte sich und hielt die Blumen, die gerade von seinem Rollkoffer rutschen wollten, fest. — Isabelle? sagte er, wir können hier nicht stehenbleiben. Sie öffnete die Augen und sah ihn an. — Ja, antwortete sie und ging langsam auf die Tür zu, die ins Schloß gefallen war.

Impressum

Covergestaltung: hißmann, heilmann, hamburg

Coverabbildung: Charles Meryon,»Le Pont au Change«, um 1784 (nach Nicolle)/Bibliothèque Nationale, Paris

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013

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ISBN 978-3-10-400939-1