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In diesem Augenblick begann Random zu fluchen. Er äußerte eine Reihe von Kraftausdrücken, wie ich sie in meiner langen militärischen Laufbahn noch nicht gehört hatte.

»Was ist denn?« fragte ich schließlich. »Ich verstehe dich nicht.«

»Das Blut von Amber«, sagte er schließlich. »Wer immer das getan hat, ist zuerst durch das Muster geschritten, verstehst du? Dann stand er hier in der Mitte und setzte sich durch seinen Trumpf mit ihm in Verbindung. Als er antwortete und den festen Kontakt einging, wurde er erdolcht. Sein Blut strömte auf das Muster und löschte einen Teil der Linien aus, so wie hier mein Blut.«

Er schwieg und atmete mehrmals tief ein.

»Hört sich nach einem Ritual an«, bemerkte ich.

»Zur Hölle mit Ritualen!« rief er. »Zur Hölle mit ihnen allen. Einer von ihnen wird sterben, Corwin. Ich werde ihn – oder sie – töten.«

»Ich begreife immer noch . . .«

»Wie dumm von mir, es nicht gleich zu merken! Schau doch! Sieh dir das Bild einmal genau an!«

Ruckhaft hielt er mir den durchstochenen Trumpf hin. Ich riß die Augen auf. Noch immer begriff ich nichts.

»Jetzt schau mich an!« forderte er. »Sieh mir ins Gesicht!«

Ich gehorchte. Dann starrte ich wieder auf die Karte.

Endlich wurde mir klar, was er meinte.

»Für ihn war ich nie mehr als ein Hauch des Lebens in der Dunkelheit. Aber sie haben meinen Sohn dafür mißbraucht«, fuhr er fort. »Das muß ein Bild von Martin sein.«

2

Neben dem defekten Muster stehend, ein Bild des Mannes betrachtend, der vielleicht Randoms Sohn war, der vielleicht an einer Messerwunde gestorben war, die er an einem Punkt innerhalb des Musters erhalten hatte, drehte ich mich um und machte einen gedanklichen Riesenschritt in die Vergangenheit.[1] Noch einmal überdachte ich die Ereignisse, die mich an diesen Ort unheimlicher Enthüllungen geführt hatten. Ich hatte in der letzten Zeit soviel Neues erfahren, daß es mir beinahe so vorkam, als ergäben die Vorgänge der letzten Jahre eine Geschichte, die anders war als jene im Augenblick des Erlebens. Die eben entdeckte, neue Möglichkeit und die sich daraus ergebenden Weiterungen hatten wieder einmal zu einer Verschiebung meiner Perspektiven geführt.

Ich hatte nicht einmal meinen Namen gekannt, als ich in Greenwood erwachte, einem Privatkrankenhaus im Norden des Staates New York, wo ich nach meinem Unfall zwei ereignislose Wochen ohne Erinnerungen verbracht hatte. Erst kürzlich hatte man mir erzählt, daß der Unfall von meinem Bruder Bleys arrangiert worden war, unmittelbar nach meiner Flucht aus dem Porter-Sanatorium in Albany. Diese Einzelheiten erfuhr ich von meinem Bruder Brand, der mich auf der Basis gefälschter psychiatrischer Unterlagen überhaupt erst in die Porter-Klinik eingeliefert hatte. Dort hatte man mich mehrere Tage lang einer Elektroschocktherapie unterworfen, die keine klaren Ergebnisse brachte, vermutlich aber ein paar Erinnerungen zurückholte. Offenbar hatte dies Bleys veranlaßt, nach meiner Flucht den überhasteten Mordversuch zu unternehmen; in einer Kurve über einem See hatte er mir zwei Reifen zerschossen. Der Unfall hätte mich zweifellos das Leben gekostet, wäre Brand nicht unmittelbar hinter Bleys aufgetaucht, bestrebt, seine Rückversicherung – mich – zu schützen. Er hatte mir erzählt, er habe die Polizei verständigt, mich aus dem See gezogen und mir Erste Hilfe geleistet, bis die Helfer eintrafen. Kurze Zeit später wurde er von seinen früheren Partnern – Bleys und unsere Schwester Fiona – gefangengenommen, die ihn an einem fernen Schatten-Ort in einen gut bewachten Turm verbannten.

Es hatte zwei Interessengruppen gegeben, die auf den Thron aus waren und die in erbittertem Wettbewerb miteinander standen, die sich bedrängt, bekämpft und sich gegenseitig behindert hatten, wo und wie es nach der jeweiligen Lage möglich war. Unser Bruder Eric, unterstützt durch Brüder Julian und Caine, hatte Anstalten gemacht, den Thron zu besteigen, der seit dem rätselhaften Verschwinden unseres Vaters Oberon lange Zeit verwaist gewesen war. Das Verschwinden Oberons war aber nur für Eric, Julian und Caine rätselhaft gewesen. Die andere Gruppe, die aus Bleys, Fiona und – im Anfang – Brand bestand, wußte durchaus über die Abwesenheit Bescheid, war sie doch dafür verantwortlich. Die drei hatten für diesen Stand der Dinge gesorgt, um Bleys den Weg zum Thron zu ebnen. Dabei hatte Brand aber einen taktischen Fehler begangen und versucht, Caines Unterstützung zu gewinnen; Caine aber überlegte, daß er sich besser stünde, wenn er für Eric eintrat. Dies führte dazu, daß Brand genau beobachtet wurde, der sich aber Mühe gab, die Identität seiner Partner geheimzuhalten. Etwa um diese Zeit beschlossen Bleys und Fiona, ihre geheimen Verbündeten gegen Eric einzusetzen. Brand war damit nicht einverstanden, denn er fürchtete die Macht dieser Wesen; in der Folge wurde er von Bleys und Fiona verstoßen. Nachdem auf diese Weise jedermann hinter ihm her war, hatte er das Gleichgewicht der Kräfte völlig durcheinanderzubringen versucht, indem er jene Schatten-Erde aufsuchte, auf der Eric mich vor einigen Jahrhunderten als Todkranken ausgesetzt hatte. Erst später hatte Eric erfahren, daß ich nicht gestorben war, sondern an einer totalen Amnesie litt, die für ihn ebenso vorteilhaft war. Er hatte Schwester Flora beauftragt, über mein Exil zu wachen, und gehofft, mich auf diese Weise endgültig los zu sein. Brand erzählte mir später, er habe mich in das Porter-Sanatorium eingeliefert in dem verzweifelten Versuch, mein Gedächtnis zurückzuholen, damit ich anschließend nach Amber zurückkehren konnte.

Während sich Fiona und Bleys mit Brand beschäftigten, hatte Eric mit Flora in Verbindung gestanden. Sie hatte dafür gesorgt, daß ich aus der Klinik, in die mich die Polizei gebracht hatte, nach Greenwood verlegt wurde, wo ich im Betäubungsschlaf gehalten werden sollte, während Eric in Amber seine Krönung vorzubereiten begann. Kurz darauf wurde das idyllische Leben unseres Bruders Random in Texorami gestört, als es Brand gelang, ihm eine Botschaft außerhalb der üblichen Familienkanäle – damit meine ich die Trümpfe – zuzuleiten und seine Befreiung zu erflehen. Während Random, der ansonsten an dem Machtkampf denkbar desinteressiert war, sich dieses Problems annahm, gelang mir die Flucht aus Greenwood; allerdings stand es mit meinen Erinnerungen noch immer nicht zum besten. Nachdem ich mir von dem erschrockenen Direktor der Klinik Floras Anschrift verschafft hatte, begab ich mich in ihr Haus in Westchester, tischte ihr eine komplizierte Geschichte auf. Sie ließ sich bluffen, und ich quartierte mich als Hausgast ein. Random hatte unterdessen mit seinem Rettungsversuch für Brand keinen Erfolg gehabt. Es war ihm zwar gelungen, den Schlangenwächter des Turms zu töten, anschließend mußte er jedoch vor den inneren Wächtern fliehen, wobei er sich einen der seltsamen kreisenden Felsen jener Gegend zunutze machte. Die Wächter, eine ausdauernde Truppe annähernd menschlicher Gestalten, hatten ihn jedoch durch die Schatten verfolgen können, eine Leistung, die Nicht-Amberianern normalerweise nicht möglich ist. Daraufhin war Random auf die Schatten-Erde geflohen, auf der ich damit beschäftigt war, Flora in ein Labyrinth der Mißverständnisse zu führen, während ich gleichzeitig den richtigen Weg zur Erkenntnis über mein wahres Ich suchte. Random glaubte meiner Zusicherung, daß ich ihn schützen würde, und überquerte den Kontinent in der irrigen Annahme, seine Verfolger wären meine Geschöpfe. Als ich dann bei ihrer Vernichtung mitwirkte, war er verwirrt, wollte die Angelegenheit aber nicht zur Sprache bringen, solange ich offenbar private Pläne in Sachen Thronanwartschaft verfolgte. In der Tat ließ er sich schnell dazu verleiten, mich durch die Schatten nach Amber zurückzuführen.

Dieses Unternehmen erwies sich in mancher Hinsicht als vorteilhaft, während es in anderer Beziehung weniger zufriedenstellend verlief. Als ich schließlich den wahren Zustand meines Gedächtnisses offenbarte, führten mich Random und unsere Schwester Deirdre, die wir unterwegs getroffen hatten, in Ambers Spiegelstadt unter dem Meer – Rebma. Dort hatte ich das Muster durchschritten und daraufhin den größten Teil meiner Erinnerungen zurückerhalten – womit ich zugleich die Frage klärte, ob ich nun der wirkliche Corwin war oder lediglich einer seiner Schatten. Aus Rebma war ich direkt nach Amber zurückgekehrt, wobei ich mir die Macht des Musters zunutze machte, eine sofortige Versetzung zu bewirken. Nach einem ergebnislosen Duell mit Eric war ich durch die Trümpfe zu meinem geliebten Bruder und Möchtegern-Mörder Bleys geflohen.

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Auf den nächsten Seiten gibt der Autor eine kurze Zusammenfassung der bunten Abenteuer und verwirrenden Intrigen, die er in den frühen Bänden des Amber-Zyklus geschildert hat. Leser, die die Romane Corwin von Amber, Die Gewehre von Avalon und Im Zeichen des Einhorns gelesen haben, können diese geraffte Darstellung überblättern; sie ist für jene gedacht, die diese Bände (noch) nicht kennen!