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Manchmal war es gar nicht einfach, sie von den Menschen zu unterscheiden. Schließlich ähnelten sich die beiden Arten sehr, und da die Cundaloaner die Mode der Solarier übernommen hatten…

Thordin schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich verstehe das nicht“, rief er Skorrogan über den Lärm hinweg zu. „Ich habe doch die Sprachen der Cundaloaner gelernt, Laui und Muara, und dennoch…“

„Natürlich verstehst du sie nicht“, erwiderte Skorrogan, „weil die meisten hier die solarische Sprache sprechen. Die einheimischen Mundarten sterben aus.“

Ein plumper Solarier in schreiend bunten Kleidern rief einem einheimischen Ladenbesitzer etwas zu, der sich vor seiner Auslage sonnte: „Du — du da, Boy! Haben Souvenir zu verkaufen? Money — Moneten, Geld, ja? Shoppen Souvenir, ja?“

„Pidgin-Solarisch“, meinte Skorrogan mit einer Grimasse. „Auch das wird importiert, obgleich alle jungen Cundaloaner von Kindheit an die irdische Sprache lernen. Doch die Touristen lernen nie etwas dazu.“ Einen Moment lang tastete die Hand zu seinem Energiewerfer, so wütend war er. Doch nein — die Zeiten hatten sich geändert. Man tötete niemand mehr, weil er einem persönlich widerwärtig war. So etwas gab es auch in Skontar nicht mehr.

Der Tourist wendete sich ab und rempelte Skorrogan an. „Oh, tut mir leid“, entschuldigte er sich höflich genug. „Ich hätte aufpassen sollen, wohin ich gehe.“

„Keine Ursache“, murmelte Skorrogan.

Doch der Solarier verfiel plötzlich in ein mühsames, mit starkem Akzent durchsetztes Hoch-Naarhaym: „Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Darf ich Sie zu einem Drink einlanden?“

„Aber durchaus keine Ursache“, murmelte Skorrogan wieder, diesmal mit grimmigem Unterton.

„Was für ein Planet! Rückständig wie — wie Pluto! Ich reise von hier aus nach Skontar weiter. Ich hoffe, ich kann dort einen Vertrag unter Dach und Fach bringen. Ihr wißt, wie man Handel treibt, ihr Skontaraner!“ Skorrogan wendete sich ab und riß Thordin buchstäblich mit sich. Sie waren einen Häuserblock weit gekommen, als der Valtam sagte: „Was hast du nur? Er hat sich sehr angestrengt, höflich zu uns zu sein. Oder hasst du alle Menschen?“

„Ich schätze die meisten von ihnen“, erwiderte Skorrogan. „Aber nicht die Touristen. Danke dem Schicksal, daß wir nicht viele von dieser Brut in Skontar zu sehen bekommen. Ihre Ingenieure, Geschäftsleute und Gelehrten sind in Ordnung. Ich bin froh darüber, daß enge Beziehungen zwischen Sol und Skang bestehen, sodaß wir vor allem mit solchen Leuten zu tun haben. Aber halte uns die Touristen vom Leib!“

„Weshalb?“

Skorrogan deutete nur auf ein Leuchtschild. „Deswegen“, sagte er und übersetzte dann:

ERLEBEN SIE DIE ALTEN MAUIROA-SITTEN!

AUTHENTISCH! FARBENPRÄCHTIG!

DER ZAUBER DES ALTEN CUNDALOA! NUR HIER!

Der Tempel des Höchsten.

Eintrittspreise angemessen.

„Die Religion des Mauiroa hatte früher einmal eine große Bedeutung“, erklärte Skorrogan leise. „Es war ein ehrwürdiger Glaube, obgleich er viele unwissenschaftliche Elemente enthielt. Man hätte sie der Entwicklung anpassen können — doch jetzt ist es zu spät.

Die meisten Einheimischen sind inzwischen Neopantheisten oder Ungläubige. Die alten religiösen Bräuche führen sie nur noch gegen Bezahlung vor. Sie sind zu einer Schau geworden.“

Er zog eine Grimasse. „Cundaloa hat noch nicht alle seine malerischen alten Gebäude und Volksbräuche verloren. Auch Reste ihrer Musik bestehen noch. Doch sie sind zu Schaustücken geworden.“

„Ich verstehe nicht ganz, warum du darüber so verbittert bist“, sagte Thordin. „Die Zeiten wandeln sich. Auch in Skontar ist die Zeit nicht stehengeblieben.“

„Wir haben uns gewandelt, aber nicht so wie hier! Blicke dich um! Du bist noch nie im Sonnensystem gewesen, aber du hast Filme von der Erde gesehen. Deshalb wirst du erkennen, daß es sich hier um eine typische irdische Stadt handelt — ein wenig rückständig vielleicht, aber immerhin typisch. Du wirst keine Stadt mehr im Avaikianischen System finden, die nicht — menschlich geworden ist.

Und du wirst auch keine nennenswerte Kunst mehr finden, keine eigenständige Literatur, Musik oder Malerei — nur billige Imitationen irdischer Produkte oder Kopien längst versunkener einheimischer Meisterwerke, romantische Fälschungen der Vergangenheit. Du wirst keine Wissenschaft hier entdecken, die nicht von den Irdischen übernommen wurde. Du siehst keine Maschine, die nicht den Stempel der Erde trägt und findest von Jahr zu Jahr weniger Häuser, die nicht von irdischen Architekten entworfen wurden. Die alte Gesellschaft ist tot, nur ein paar Reste von ihr sind übriggeblieben. Die engen Familienbande, die früher das Rückgrat der einheimischen Kultur bildeten, sind längst zerrissen, und Ehen werden hier genauso leichtsinnig geschlossen und aufgelöst wie auf der Erde. Die alte Bindung an Heimat und Scholle existiert nicht mehr. Es gibt hier keine Erbhöfe. Die jungen Leute strömen in die Stadt, um Geld zu verdienen. Sie essen die Konserven der solaren Nahrungsmittelfabriken, und die einheimische Küche findet man nur noch in ein paar teuren Restaurants. Es gibt keine Handarbeit mehr — kein Kunsthandwerk, keine Töpferei, keine Webwaren. Man trägt, was die Massenhersteller jedes Jahr auf den Markt werfen. Es gibt keine Barden mehr, die die alten Heldenlieder singen und neue ersinnen. Man starrt in die Fernseh-Fühlröhren. Es gibt keine Philosophen mehr aus der Schule des Arakles und Wranamaui — nur noch zweitklassige Kommentare über den Streit der Pragmatiker wider die Dogmatiker, zwischen den Anhängern des Aristoteles und denen von Korzybiski und Russell…“

Skorrogans Stimme verhallte. Thordin sagte nach ein paar Minuten bedächtig: „Ich sehe, worauf du hinauswillst. Cundaloa hat sich den Lebensgewohnheiten der Irdischen unterworfen.“

„Genau. Und das konnte von dem Augenblick an nicht ausbleiben, wo sie die Hilfe der Irdischen annahmen. Sie mußten sich der Solaren Wissenschaft anpassen, ihrer Wirtschaft, schließlich ihrer gesamten Kultur und Zivilisation. Denn das war die einzige Möglichkeit, die den Irdischen einleuchtete, nachdem sie das Kommando beim Wiederaufbau übernommen hatten. Und da die irdische Kultur ganz offensichtlich erfolgreich war, wurde sie von den Cundaloanern kritiklos übernommen. Jetzt ist es zu spät. Sie können nicht mehr Geschehenes ungeschehen machen. Ja, sie wollen gar nicht mehr umkehren, um einen anderen Weg einzuschlagen. Und es ist nicht das erste Mal, daß so etwas geschehen ist. Ich habe die Geschichte des Solaren Systems genau studiert. Ehe die menschliche Rasse sich der Raumfahrt zuwandte, gab es dort viele Kulturen, von denen sich manche radikal voneinander unterschieden. Doch schließlich setzte sich eine von ihnen, die sogenannte westliche Gesellschaft, so überwältigend kraft ihrer technologischen Überlegenheit durch, daß — nun, daß die anderen neben ihr nicht mehr existenzfähig waren. Wollten sie mithalten, mußten sie die westlichen Errungenschaften übernehmen. Und wenn der Westen ihnen bei der Überwindung ihrer Rückständigkeit half, half er ihnen natürlich nach seinen Erfolgsrezepten, weil er anderes gar nicht kannte. Mit den besten Absichten vernichtete der Westen alle anderen abweichenden Lebensarten und Kulturen.“