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Ich hatte die perfekten Voraussetzungen.

Mein Freund zögerte noch ein wenig – niemand hat gern ein ungelöstes Verbrechen auf seinem Personalbogen –, aber ich versicherte ihm, ich würde die Schuld auf mich nehmen, und er war dann einverstanden.

Ich bin zu Athena gefahren – sie lebte in einem netten Haus in Oxford. Mit einer Spritze entnahm ich ihr ein wenig Blut. Ich schnitt ihr etwas Haar ab, das ich ansengte, aber nicht ganz verbrannte. Am Tatort habe ich dann die >Beweise< verstreut. Mir war klar, daß ein DNA-Test nicht in Frage kam, weil niemand wußte, wer ihre leiblichen Eltern waren. Darum brauchte ich nun nur noch die Hände in den Schoß zu legen und zu hoffen, daß die Nachricht kein allzu großes Presseecho finden würde.

Ein paar Journalisten stellten Fragen. Ich habe ihnen die Geschichte mit dem Selbstmord des Täters erzählt, dabei nur das Land erwähnt, die Stadt aber nicht angegeben. Ich sagte, bislang kenne man das Motiv für das Verbrechen nicht. Meiner Meinung nach (schließlich haben auch Polizisten das Recht, sich einmal zu irren) sei das Opfer vergewaltigt worden. Da sie ihren Angreifer erkannt haben könnte, wurde sie getötet und entstellt.

Würde der Deutsche wieder schreiben, würden seine Briefe mit dem Vermerk >Empfänger unbekannt< an ihn zurückgesandt werden. Athenas Foto war nur einmal in der Zeitung erschienen, damals während der Vorfälle in der Portobello Road. Daher bestand kaum Gefahr, daß sie erkannt würde. Außer mir wussten nur noch drei Menschen von der Geschichte: Athenas Eltern und Viorel. Wir alle haben an der Beerdigung >ihrer< sterblichen Überreste teilgenommen, und das Grab hat einen Stein mit ihrem Namen.

Viorel besucht Athena jedes Wochenende und hat eine blendende Zukunft vor sich.

Selbstverständlich kann es passieren, daß Athena eines Tages dieses abgeschiedene Leben leid ist und beschließt, nach London zurückzukehren. Das wäre nicht weiter schlimm, denn die Menschen haben ein kurzes Gedächtnis, und außer ein paar engen Freunden wird sich niemand an sie erinnern. Dann wird der Katalysator Andrea sein, die

– das muß man gerechterweise sagen – sehr viel besser befähigt ist, die Mission weiterzuführen. Sie hat nicht nur die notwendigen Gaben – sie ist außerdem Schauspielerin und kann mit Publikum umgehen.

Ich habe sagen hören, daß Andrea an Einfluß gewonnen hat, ohne jedoch unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mir ist zu Ohren gekommen, daß Menschen, die in der Gesellschaft Schlüsselpositionen einnehmen, mit Andrea Kontakt haben, und wenn genügend Mächtige auf ihrer Seite sind, werden im Falle eines Falles Scheinheilige wie Reverend Ian Buck keine Chance mehr haben.

Und genau das möchte Athena. Nicht persönliche Aufmerksamkeit, wie viele (auch Andrea) dachten, sondern daß die Mission erfüllt wird.

Zu Beginn meiner Ermittlungen, dessen Ergebnis dieses Manuskript ist, dachte ich, daß ich Athenas Leben erforschte, um herauszufinden, wie mutig und wichtig sie war. Aber je mehr Gespräche ich führte, umso mehr lernte ich auch meine verborgene Seite kennen – obwohl ich an solche Dinge nicht besonders glaube. Und ich kam zum Schluß, daß der Hauptgrund für diese Arbeit war, eine Antwort auf etwas zu finden, das ich mir nie hatte erklären können: Warum liebte mich Athena, wo wir doch so verschieden waren und die Welt aus so verschiedenen Blickwinkeln betrachteten?

Ich erinnere mich daran, wie ich sie zum ersten Mal küßte, in einer Bar neben der Victoria Station. Sie arbeitete damals in einer Bank, ich war schon Kommissar bei Scotland Yard. Nachdem wir schon ein paarmal zusammen ausgegangen waren, lud sie mich ein, in der Wohnung ihres Vermieters zu tanzen, was ich nie getan habe – es paßt einfach nicht zu mir.

Doch anstatt ärgerlich zu sein, sagte sie nur, sie respektiere meine Entscheidung. Die Lektüre der Aussagen ihrer Freunde macht mich richtig stolz. Athena schien die Entscheidungen anderer sonst nie zu respektieren.

Monate später, bevor sie nach Dubai fuhr, sagte ich ihr, daß ich sie liebe. Sie antwortete mir, daß sie mich auch liebe, wir uns aber auf eine lange Trennung vorbereiten müßten. Jeder würde in einem anderen Land arbeiten, aber: »Wahre Liebe hält der Entfernung stand.«

Damals – und das war das einzige Mal – wagte ich, sie zu fragen:

»Warum liebst du mich?«

Sie antwortete: »Ich weiß es nicht und will es auch überhaupt nicht wissen.«

Jetzt, nachdem ich all diese Seiten beendet habe, glaube ich die Antwort in ihrer Unterhaltung mit dem Journalisten gefunden zu haben.

Die Liebe ist.