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So sagte sie das erstbeste, das ihr einfieclass="underline" »Es heißt, man könne dort Heilung finden.«

Der Anführer lachte höhnisch. »Wie lange hast du die Krankheit schon?«

»Zwei Tage, Herr.«

»Was glaubst du denn, wie lange du noch leben wirst?«

»Ich weiß es nicht, Herr.«

»Einen Tag, höchstens anderthalb. Zu Fuß brauchst du sehr viel länger, um zu Salomes Zopf zu gelangen. Ein Wunder, daß du überhaupt noch laufen kannst.«

Kriemhild schluckte. »Ich hoffte, einem Herrn wie Euch meine Leibesdienste anzutragen, damit er mich auf seinem Roß mitnimmt.«

Der Söldner und seine Kumpane stießen ein gräßliches Gelächter aus. »Leibesdienste, so, so«, meinte der Anführer. »Wer soll Gefallen an einer pestkranken Hure finden, Weib?« Er schüttelte verächtlich den Kopf und hob seine Stimme: »Nun mach schon, daß du fortkommst, bevor ich Befehl gebe, einen Pfeil an dich zu verschwenden!«

»Habt Dank, Herr«, zischte Kriemhild zwischen zusammengepreßten Zähnen.

»Verschwinde von hier und krepiere irgendwo, wo du keine ehrbaren Krieger mit deinem Elend ansteckst.« Beim Wort »ehrbar« erntete er neuerliches Gelächter. Der Anführer drehte sich abrupt zu seinen Kumpanen um. »Und ihr, faules Gesindel, steht schon auf! Noch vor Tagesanbruch will ich unter einem festen Dach sitzen und Bier saufen, in jedem Arm ein Weib, das schöner ist als dieses hier!«

Johlende Zustimmung schlug ihm entgegen, während Kriemhild schwankend an den Lagernden vorüberhumpelte. Ehern bekämpfte sie den Drang, sich nach den Männern umzusehen. Jeden Augenblick erwartete sie eine Klinge oder Bolzenspitze im Rücken.

Doch die gröhlende Horde ließ sie tatsächlich ziehen. Zu groß war die Vorfreude, um auch nur einen weiteren Gedanken an die kranke Wanderin zu verschwenden.

Kriemhild hatte sich noch keine hundert Schritte nach Osten entfernt, als der Trupp bereit zum Abmarsch war. Wenig später schon verschwanden die Männer im Dunkel, nur ihre Stimmen drangen noch gedämpft durch die Nacht.

Aufatmend blieb Kriemhild stehen, schleuderte den Stock beiseite und raffte sich die Decken vom Leib. Mit dem Bündel unterm Arm rannte sie links des Weges zurück zu der Stelle, von der sie gekommen war.

Plötzlich schoß aus dem Gebüsch ein Arm hervor, packte sie schmerzhaft an der Schulter. Kriemhild zuckte herum, duckte sich zugleich in der Befürchtung eines Hiebes mit Faust oder Schwert.

Doch es war nur Jodokus, der das Geschehen vom Dickicht aus beobachtet hatte.

»Was, zum Teufel, ist in dich gefahren?« fuhr er sie wutentbrannt an.

Trotzig versuchte Kriemhild, seine Hand abzuschütteln, doch er ließ nicht locker. »Es ist gutgegangen, oder?«

»Das ist es nicht, was ich meine. Wenn du glaubst, du müßtest dich umbringen, dann ist das deine Sache!« Seinen Augen waren schwarz wie gefärbte Glaskugeln. Er sah mit einemmal älter aus, älter und sehr viel erfahrener. Es war fast, als hätte statt seiner selbst sein Schatten Gestalt angenommen; dies war die dunkle, die unheilvolle Seite des Sängers Jodokus. Dieselbe, die vom Tod durch Götterhand gesprochen hatte. »Wie konntest du das nur tun?«

Sie stellte sich dumm. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

Seine zweite Hand zuckte vor und umfaßte ihre andere Schulter. Einen Moment lang fürchtete sie, er würde sie schlagen. »Wie konntest du ihnen nur von dem Dorf erzählen?«

Sie erwiderte seinen finsteren Blick. »Diese Leute haben versucht, uns zu töten. Schon vergessen?«

»Das ist kein Grund, ihnen diese Hunde auf den Hals zu hetzen!«

»Nein? Was wäre denn ein Grund? Wenn wir beide im Fluß ertrunken wären?«

»Niemand hat es verdient, daß eine Horde Plünderer über sie herfällt. Niemand!«

»Ich -«

Er schnitt ihr wutentbrannt das Wort ab. »Du hast diese Menschen gerade zum Tode verurteilt, ist dir das überhaupt klar? Männer, Frauen und Kinder! Alle schon so gut wie tot!«

»Sie suchen nur ein Dach über dem Kopf und -« Kriemhild verstummte, als sie spürte, wie schwach ihre Stimme klang. Sie konnte ihm nicht widersprechen und dabei so tun, als sei sie selbst überzeugt von dem, was sie sagte.

»Zum Tode verurteilt!« wiederholte er und starrte ihr dabei fest in die Augen, bis sie ihren Blick zu Boden wandte. »Und, glaub mir, es wird kein leichter Tod sein! Ich habe gesehen, zu was solche Kerle fähig sind. Sie fallen wie die Tiere über alles her, nach dem es ihnen verlangt. Nicht einer, nicht zwei - ein halbes Dutzend nimmt sich ein Mädchen vor, und sie töten es erst, wenn sie alle fertig sind und auch sonst keiner mehr Verwendung für es hat. Das ist es, was du den Menschen in diesem Dorf angetan hast!«

Kriemhild schwieg. Was hätte sie darauf auch erwidern können?

Aber Jodokus war noch nicht am Ende. »Die Pest hat die Menschen in diesem Dorf dazu gebracht, uns in den Fluß zu werfen. Sie haben gedacht, sie seien im Recht. Sie dachten, sie tun Gutes.«

»Was ist gut daran, uns zu töten?«

Er ließ sie los und atmete tief durch. Als hätte ihn sein Redeschwall gar zu sehr erschöpft, sank er mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. »Sie haben geglaubt, daß ich es sei, der ihnen die Pest gebracht hat.«

»Du?« Sie sah ihn an, als hätte er endgültig den Verstand verloren. »So ein Unsinn.«

»Natürlich ist es Unsinn. Aber sie glaubten ganz fest daran. Dich hielten sie wahrscheinlich für meine Gefährtin oder Weiß-der-Teufel-was... Aber von mir glaubten sie, ich sei König Pest persönlich.«

»König Pest? Wer soll das sein?«

»Es gibt eine Legende«, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel Schweiß von der Stirn. Seine Nasenflügel blähten sich, als er wie unter Schmerzen die Luft einsog. »In Zeiten wie diesen, wenn der Schwarze Tod über die Länder kommt und die Menschen zu Tausenden und Abertausenden auslöscht, dann entstehen solche Geschichten von einem Tag auf den anderen. Märchen oder Legenden, die möglicherweise einen wahren Kern haben. Wie die Geschichte von König Pest. Es heißt, er sei ein Wanderer, ein Reisender auf schwarzem Roß, der kreuz und quer durch das Land zieht und die Plage verbreitet. Ohne Ziel, ohne Herkunft. Plötzlich ist er da, und wo er geht, bleiben Krankheit und Tod zurück.«

Kriemhild schüttelte ungläubig den Kopf. »Und die Dorfbewohner hielten dich für diesen... diesen König Pest? Das ist doch völlig absurd!«

»Sie waren verzweifelt. Sie hätten jeden dafür gehalten, der gerade vorbeikam. Es war Pech, das es ausgerechnet mich getroffen hat. Mein Pferd war schwarz, und offenbar hat ihnen das gereicht. Die Seuche hat sie soweit getrieben, vielleicht auch ihre Beschränktheit. Doch was immer sie getan haben, sie haben es nicht verdient, diesen Söldnern in die Hände zu fallen.«

Kriemhild hockte sich auf den kühlen Waldboden nieder und zog die Knie an den Oberkörper. Allmählich wurde ihr bewußt, was sie getan hatte. Und ebenso deutlich begriff sie, daß es zu spät war, um noch irgend etwas daran zu ändern. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, nicht zu Jodokus, sondern nur zu sich selbst.

»So einfach ist das, nicht wahr?« fuhr er sie verächtlich an und äffte ihren Tonfall nach: »Es tut mir leid... Pah, Fine, oder wie auch immer du wirklich heißen magst, in Wahrheit ist es dir doch vollkommen gleichgültig. Vielleicht nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick. Aber laß einen halben Tag vergehen, und du wirst keinen Gedanken mehr an diese armen Geschöpfe verschwenden. Sie stehen ja so weit unter dir, nicht wahr?«

Ihr Blick raste hoch. »Wie meinst du das?« rief sie.

»Das weißt du ganz genau, edles Fräulein. Es sind nur Bauern, nur Fußvolk, nur Hungerleider. Niemand von deinem Stand. Keiner, der es wert wäre, einen Finger für sie zu rühren.«

»Du glaubst tatsächlich, ich habe das getan, weil es arme Schlucker und keine Edelleute waren?« Sie sprang auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Das glaubst du wirklich?« Sie wollte ihn anschreien so laut sie nur konnte: Ist dir klar, daß ich mein Leben für dieses Volk aufs Spiel setze? Daß ich mich für dich und jeden anderen in diesem gottverfluchten Land opfern werde? Aber natürlich sagte sie nichts von alldem; es war unter ihrer Würde.