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Mira hatte vorzügliche Arbeit geleistet. Offenbar war sie zuletzt doch mit den anderen geflohen. Vielleicht hatte Hura sie noch nicht im Verdacht. Es konnte ja sein, daß sie von dem Zusatz im Wein nichts gewußt hatte. Vielleicht nahm man auch an, daß nicht der Wein, sondern etwas anderes die Betäubung hervorgerufen hatte.

Ich musterte die Sklavinnen. Gestern abend hatte ich fünfundzwanzig weibliche Gefangene gehabt. Damit hatten die Tyrer nach meiner Rechnung ohne Hura über neunundsiebzig Panthermädchen verfügt.

»Ein ausgezeichneter Fang«, sagte Vinca und blickte an der Reihe entlang.

Und damit hatte sie recht. Achtundfünfzig neue Sklaven lagen an meiner Kette.

Hura hatte, wenn ich richtig gezählt hatte, hundertundvier Mädchen gehabt. Davon blieben ihr jetzt noch einundzwanzig. Mira mitgerechnet. Die anderen vierundachtzig verschönten die Sklavenkette eines gewissen Bosk aus Port Kar, eines Kaufmanns aus der bekannten Hafenstadt.

Als der Marsch begann, befehligte Sarus nach meiner Zählung hundertundfünfundzwanzig Tyrer. Ich hatte diese Zahl in den letzten Tagen auf sechsundfünfzig reduziert. Gestern morgen hatte Sarus einen weiteren Mann selbst umgebracht, so daß er noch fünfundfünfzig Mann hatte.

Ich rechnete damit, daß er bald damit beginnen würde, Sklaven im Wald zurückzulassen. Vermutlich war seine Angst so groß, daß er sie nicht mal zu töten wagte.

Zweifellos ging es ihm jetzt in erster Linie darum, das Meer zu erreichen, um dort von der Rhoda und der Tesephone aufgenommen zu werden. Notfalls würde er alle Sklaven aufgeben – natürlich mit einer Ausnahme: Marlenus aus Ar.

Ich betrachtete die Spuren, die er und seine Kolonne hinterlassen hatten. Es wurde Zeit, daß ich ihn wieder einmal heimsuchte.

»Die Sklavinnen haben nun lange genug geschlafen«, sagte ich zu Vinca. »Holt Wasser und weckt sie.«

»Ja, Herr.«

»Und dann folgt ihr mir wie in den letzten Tagen.«

»Ja, Herr.«

Ich verließ mein Lager und heftete mich wieder an die Fersen meiner Feinde.

18

»Das Meer! Das Meer!« rief der Mann.

Er stolperte aus dem Unterholz zwischen den mächtigen Waldbäumen.

Er stand allein an der hohen Küste auf den Kieselsteinen des Strandes, eine einsame Gestalt. Er war unrasiert. Die Tunika, die einmal hellgelb gewesen war, hing zerrissen und verdreckt an seinem Körper.

Er stolperte zum Wasser hinab, wobei er zweimal hinfiel, und erreichte schließlich den eigentlichen Sandstrand und das Treibholz und die Algen, die die Morgenflut an Land gewaschen hatte. Er taumelte ins flache Wasser, sank dort in die Knie. Im ersten Morgenwind und im frischen Salzduft des Wassers kniete er und sah zu, wie die Wellen zurückwichen und ihn auf dem glatten feuchten Sand zurückließen. Er preßte die Handflächen und die Lippen in den Sand. Als das Wasser wieder heranschwemmte, hob er den Kopf, stand auf und ließ die Feuchtigkeit um seine Fußgelenke spielen.

Dann wandte er sich um und blickte in die Richtung, in der sich in vielen tausend Pasang Entfernung das Sardargebirge erhob. Mich übersah er im Schatten zwischen den Bäumen. Er hob die Hände zum Sardar, zu den Priesterkönigen Gors. Dann fiel er wieder auf die Knie und schleuderte das Naß herum; ich sah die Tropfen in der Sonne blitzen.

Er lachte, und dann drehte er sich um und stapfte wieder die Küste herauf.

»Das Meer!« rief er in den Wald. »Das Meer!«

Er war ein mutiger Mann, Sarus aus Tyros, Kapitän der Rhoda. Er war seinen Männern allein vorausgeeilt. Und hatte als erster das schimmernde Thassa gesehen. Die Tage und Nächte seines schrecklichen Alptraums waren nun vorbei – so hoffte er.

Er und seine Männer hatten das Meer erreicht. Ich hatte es ihnen gestattet.

Ich suchte den westlichen Horizont ab. Doch jenseits der schäumenden Brandung erstreckte sich die ungebrochene Fläche des Thassa bis zu einem glatten Horizont. Keine Segel waren zu sehen – kein Schiff aus Tyros näherte sich der Küste. Der Horizont war leer.

Irgendwo legten sich Männer in die Ruder. Irgendwo, ich kannte den Ort nicht, folgten Ruderer dem Rhythmus des Keleusteshammers – an Bord der Rhoda, wie auch an Bord der leichten Galeere Tesephone aus Port Kar, die sicher nicht fern war.

Die beiden Schiffe sollten Sarus und seine Männer aufnehmen.

Doch auf den langen Stränden des Meeres am Westrand der riesigen nördlichen Wälder fand man sich nicht so leicht. Ein Signal mußte gesetzt werden.

»Das Meer!« riefen nun auch andere, die aus dem Wald stürzten.

Erschöpft beobachtete Sarus die Begeisterung seiner Männer.

Seine Gefolgsleute, fünfundfünfzig Krieger aus Tyros, stolperten wie er über den Kies zum Wasser hinab. Sie hatten fast schon nicht mehr damit gerechnet, das Thassa wiederzusehen. Sie hatten den Wald bezwungen. Ich hatte es ihnen gestattet.

Auch ich hatte eine Verabredung mit der Rhoda und der Tesephone.

Die Rhoda hatte entscheidend in meine Pläne eingegriffen – auf eine Art, die mir nicht gefiel. Und im Laderaum der Tesephone befanden sich meine Männer, die im Lager am Laurius gefangengenommen worden waren.

In diesem Augenblick kam eine Gruppe von einundzwanzig gefesselten Sklaven aus dem Wald. Die Männer waren am Hals zusammengekettet.

Fünfundsiebzig Sklaven waren gefesselt im Wald zurückgelassen worden. Sarus hatte sie nicht umbringen lassen – wahrscheinlich aus Angst vor dem Langbogen. Andererseits hatte er es mir auch nicht leichtgemacht, denn er hatte die fünfundsiebzig Mann in einem großen Kreis um mehrere Bäume festketten lassen – ein kluger Schachzug.

Im Wald zurückgelassen, mußten die Sklaven an Hunger oder Durst oder unter den Angriffen von Raubtieren sterben. Sie zu schützen, hätte die Kräfte des Feindes abgelenkt, sie zu befreien, erforderte eine mehrstündige Aktion mit Werkzeugen, die ich nicht hatte. Entweder mußten die Ketten aufgebrochen oder die Bäume gefällt werden. Ein ausgezeichneter Plan. Sarus war kein Dummkopf.

Nachdem er seinen unbekannten Verfolgern dieses Hindernis in den Weg gelegt hatte, war er mit seinen ausgewählten Gefangenen, zu denen natürlich Marlenus gehörte, und mit den vierundzwanzig Sklavinnen einschließlich Verna, Cara, Grenna und Tina eilig weitergezogen, dem vorgesehenen Treffpunkt mit den beiden Schiffen entgegen.

Nachdem ich die Mehrzahl von Huras Mädchen gefangen hatte, war ich mit meinen Angriffen auf Sarus und seine Kolonne zurückhaltend gewesen. Auch Hura, die noch einundzwanzig Mädchen hatte, erreichte ungeschoren das Meer.

Ich hörte die Freudenrufe der Panthermädchen, als sie nun aus dem Wald traten und den Strand entdeckten. Sie rannten zum Wasser, wateten darin herum. Sie lachten und bespritzten und erfrischten sich.

Gleich darauf kamen auch die gefesselten Sklavinnen aus dem Wald, angeführt von Sheera, Cara, Tina und Grenna. Hinter Grenna folgte das erste Mädchen aus Vernas Bande, in deren Mitte Verna ging, die oft verzweifelt gegen ihre Fesseln angekämpft hatte. Ich erinnerte mich an ihren Schrei, mit dem sie reagiert hatte, als Marlenus ihr die Jungfräulichkeit nahm. Nun stand sie niedergeschlagen, verschwitzt und schmutzig inmitten der anderen Gefangenen. Hinter ihr kamen die übrigen Mädchen aus ihrer Bande, zum Schluß die anderen Sklavenmädchen aus Marlenus’ Lager.

Es war interessant festzustellen, daß keine der Sklavinnen aufgegeben worden war. Aber das entsprach der Marktlage für Sklaven auf Gor – Sklavinnen waren weitaus wertvoller als versklavte Männer.

Mira ging zu den Sklavinnen und packte ein Mädchen, das etwa in der Mitte stand, am Sklavenkragen. So zerrte sie die Gruppe wie ein großes »V« auf das Wasser zu.

»Kommt, Sklavinnen!« befahl sie.

Ich vermutete, daß Miras Position in Huras Bande unverändert war, daß ihr die Tat nicht angelastet wurde.

Ich lächelte, während sie die Mädchen zum Wasser zog. Sie war mein. Zweifellos hoffte sie mir zu entfliehen, doch das sollte nicht geschehen.