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Leute wie diese aber werden noch besser überzeugt, wenn hinter der Tür die Waffen klirren. Sie wird aufgestoßen, ein Soldat, Givry, stampft herein, er ruft: «Sire! Sie sind der König, wenn man Schneid hat. Nur wer feig ist, drückt sich.» Worauf alle, die er meinte, sich drückten. Dann kam Biron, um Henri zu versichern, daß wenigstens die Schweizer ihm treu bleiben würden. Die Schweizer allein, es war nicht viel und hätte nicht gereicht. ‹Hier aber ist Biron, ein knochiger, harter Mann, kann, schon bei Jahren, auf seinen Daumen um den Tisch gehn, war mein Feind, ist groß genug, den Irrtum zu gestehn. Kommt zu mir, da es bei mir am schlimmsten aussieht.› — «Biron! An mein Herz. Mit Ihresgleichen muß ich siegen.»

Auf Erden und am Himmel

Die nächsten fünf Tage sah der neue König sein Heer zusammenschmelzen, wie vorher die Liga das ihre. Marschall Epernon, vor kurzem eine Stütze des Königreiches, stritt sich absichtlich mit Biron, damit er sagen konnte, ein Mann wie er werde nicht Krieg wie ein Strauchdieb führen unter einem solchen König. Sprach es und zog ab nach seinem Königreich, der Provence. Jeder hatte sein kleines Königreich, das er sich aus den Provinzen des großen herausgeschnitten hatte: dahin zog er ab, mit sich nahm er seine Edelleute und alle Truppen. Der neue König hatte kein Mittel, sie aufzuhalten. Sich bekehren? Dieselben Menschen hätten ihn um so sicherer verlassen. Erworben hätte er nur die Verachtung seiner eigenen Gefährten, Glaubensgenossen und seiner fremden Freunde. Kein Geld und keine Soldaten mehr aus England oder Deutschland.

Mit seinem Mornay verfaßte er während dieser verzweifelten Tage eine Erklärung, darin wurde jeder der beiden Religionen ihr bisheriger Bestand zugesichert. Sich selbst behielt er vor, überzutreten zu dem Bekenntnis, das nun einmal die Mehrheit seiner Landsleute teilte. Er sagte nicht ganz deutlich: wann; aber er wußte es. Wenn das Königreich mitsamt der ungefügigen Hauptstadt fest in seiner Hand wäre, nur dann und nur aus seinem freien Willen. Als unbestrittener Herr des Königreiches wollte er seinen alten Glaubensgenossen ihre volle Gewissensfreiheit geben, so war sein Vorsatz: ob er ihn faßte um ihretwillen oder aus Selbstachtung, damit er nicht selbst ins Gesicht schlüge allem, was er gewesen. Er ist der König, der das Edikt von Nantes erlassen und die Freiheit verteidigen wird mit seiner ganzen Macht. Dies beschließt er und sieht es voraus während der fünf Tage, in denen die meisten ihm fortlaufen, und ein anderer wäre ihnen nachgelaufen.

Die Hauptstadt inzwischen, die er immer noch belagerte, ließ sich dem äußersten Zustand ihrer gestörten Vernunft. Es ging so weit, daß die wenigen Nüchternen sich den abgegangenen Führer zurückwünschten. Seine Hinterlassenschaft übertraf alles, was er bei seinen Lebzeiten fertiggebracht hatte. Verglichen mit seiner Schwester Montpensier war Guise ein Weiser gewesen. Sie raste im Jubel, dem Boten mit der Nachricht vom Tode des «Tyrannen» sprang sie an den Hals. Ihr Schmerz war nur, daß der sterbende Valois vielleicht nicht mehr erfahren hatte, von wem der Braune geschickt war. Guise hat aus dem Grab seine Hand gestreckt und dich getroffen!

Die Herzogin ließ ihre Mutter, die Mutter der beiden ermordeten Guise, von einem Altar herab zum Volk sprechen, und diese brachte es wirklich außer sich mit ihrem Geschrei. Denn aus der Greisin schrie das ganze Haus Lothringen, seine Ruchlosigkeit, Grenzenlosigkeit und der versteckte Irrsinn, der es antrieb zu allen seinen Taten. Die Herzogin wollte unverweilt ihren Bruder Mayenne zum König ausrufen lassen, da bekam sie es aber mit dem Gesandten Spaniens zu tun. Sein Herr, Don Philipp, sah Frankreich endgültig für eine spanische Provinz an; seine Truppen besetzten Paris. Den Gebieter im Rücken, durfte die Liga sich ihren Ausschweifungen ergeben. Die Mutter des Jakob-wo-bist-Du wurde aus ihrem Dorf geholt und als heilige Jungfrau verehrt. Der braune Junge in Nachbildung wurde auf einem Altar, zusammen mit den beiden Guise, der öffentlichen Inbrunst dargeboten. Selten in ihrer Geschichte hatten Volk, ehrbare Leute und besonders die hochherzige Jugend solche Tage genossen, da ihnen ganz herrlich der Kopf durchgehen durfte. Nur gut, daß sie, bei allem Mißbrauch der Religion, keinen ernsten redlichen Glauben hatten: dann geht das alles nicht, weder Tollheit noch Rausch — so wenig als diese statthaft sind, wenn man nachdenkt.

Es waren dieselben Tage, als vor den verschlossenen Toren Henri, dem alle fortliefen, dennoch fest blieb in seinem Entschluß, die Vernunft zu retten und die Freiheit zu verteidigen. Zuerst soll das Königreich befreit werden von dem Griff des Weltbeherrschers. Henri wird weder bis in die Gascogne zurückweichen noch über die Grenze Deutschlands flüchten. Er kennt Stimmen, die ihm das eine oder andere raten; sie hören sich an wie die des gesunden Menschenverstandes, in einer Lage, die ohne Ausweg erscheint. Er allein weiß einen, der heißt: fest bleiben. Kühnheit erwirbt Vertrauen, Vertrauen gibt Kraft, diese ist die Mutter der Siege, mit ihnen sichern wir unser Reich und Leben.

Am achten August brach er sein Lager ab. Die Hülle des verstorbenen Königs geleitete er nur ein Stück Weges: die Umstände erlaubten noch nicht, sie feierlich beizusetzen. Hierauf teilte er sein Heer. Von fünfundvierzigtausend Soldaten waren übrig zehn- oder elftausend. Mit je drei- bis viertausend Mann schickte er den Marschall d’Aumont und seinen Protestanten La Noue an verschiedene Abschnitte der Ostgrenze, damit sie das Königreich deckten gegen einen neuen Einbruch spanischer Truppen. Er selbst mit seinen dreiundeinemhalben Tausend Arkebusieren, siebenhundert Reitern, beschloß, die ganze Macht des Feindes, soviel von ihr schon im Land stand, auf sich zu ziehen — dorthin, wo er bestimmte.

Er nahm aber den Weg nach Norden, dem Kanal entgegen, in der Hoffnung auf die Königin, die als erste den Weltbeherrscher getroffen hatte. Wäre nicht die Hilfe Elisabeths immer möglich gewesen, Henri hätte nicht damit rechnen dürfen, daß die Stadt Dieppe sich ihm ergäbe. Am sechsundzwanzigsten war er vor Dieppe, das ihm auch sogleich sein Tor aufmachte. Diese Schnelligkeit war ein Kind der Sorge. Hier zeigt sich, herverschlagen aus verdächtiger Ferne, der Hauptmann einer Räuberbande, was ist er denn mehr. Nennt sich König und hat kein Land; Feldherr und keine Soldaten. Sogar seine Frau ist ihm entlaufen. Indessen weiß niemand, wann die ordentliche Heeresmacht des prächtigen Mayenne zur Stelle sein wird und was noch geschehen kann. Von der See werden vielleicht englische Schiffe die arme Stadt beschießen, auf der Landseite setzen schon jetzt die Hugenotten ihr zu. Sie ergibt sich in ein Unheil, das hoffentlich das kleinere ist, und öffnet. Die großen Schlüssel in den Händen kniender Ratsherren, auch Salz und Brot, nebst dem Pokal, der zur Not vergiftet sein könnte: nichts fehlt. Der Räuberkönig hebt aber einen dicken alten Mann vom Pflaster auf, als wog er wie eine Feder, und zu allen spricht er: «Liebe Freunde, nur kein Getue! Mir langt’s, wenn wir nett sind. Gutes Brot, guter Wein und freundliche Gesichter!»

Den Becher trank er nicht, was sie übersahen in ihrer Verwunderung, ihn unbesorgt und leicht zu finden. Sie waren Normannen mit schwererem Blut als das seine. Ihre Stadt lag gefährlich, diese Bürger begegneten häufigen Verhängnissen mit hartem Mut. Aber auch noch gut gelaunt sein? Einem jungen Mädchen die Rose aus der Hand nehmen, scherzen und jedem etwas versprechen? Was hat er denn ernstlich zu verschenken? Sie zählen doch seine geringe Schar, die paar Ritter, das arme Fußvolk. Sie denken und fragen einander: «Nicht möglich, damit will er das Herzogtum Normandie erobern?» Es stand nun derart, daß er «damit» das Königreich ganz und gar erobern wollte. Das hörten die Leute nicht einmal, wenn er es laut verkündete: der Gegensatz war zu augenscheinlich für Köpfe ohne Phantasie.