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Diese wenigen Krieger mußten sich endlich zurückziehen: das taten sie langsam, mit kleinen Schritten, feuerten weiter, und ein Drittel von ihnen fiel. Crillon, der Soldat des Königs, gestand seitdem seine «Leidenschaft für die Hugenotten». Ein neuer freier Mut und Unentwegtheit verbreiteten sich angesichts der Freunde, die dem König zugewachsen waren — dergestalt, daß Valois selbst ins Feuer ging. Die Liga aber räumte den Platz, ohne anderen Grund als nur die Furcht. Sehr glücklich war Henri, daß er nicht mehr kämpfen mußte gegen den König, nur noch gegen die Feinde des Königs. Es befriedigte seinen Geist, und das ist mehr als manche eingenommene Festung. Dem König führte er seine Truppen vor, zog über eine Brücke mit zwölfhundert Reitern, viertausend Arkebusieren, und als sie bei ihm anlangten, fragte der König: «Alle sind frisch und fröhlich, ist denn nicht Krieg?» Henri erwiderte: «Sire! Obwohl wir Tag und Nacht zu Pferd sind, ist dies ein milder Krieg.» Valois verstand ihn; er lachte zum erstenmal aus dem Innern, wie Henri.

Der König, mit seinem neuen Mut, versammelte bis zum Sommer fünfzehntausend Schweizer, und das ohne Geld. Mit seinen eigenen und den Truppen Navarras hatte er fünfundvierzigtausend Soldaten, ein starkes Heer: es sollte ihm zurückerobern die Hauptstadt seines Königreiches — hätte es auch gekonnt. Mayenne inzwischen schmolz ein, endlich blieben ihm fünftausend Mann, und keine Spanier, keine Deutschen zeigten sich: weil eine falsche und schimpfliche Massenbewegung zusammenfällt vor jedem frischen Windstoß neuen Mutes, und hat plötzlich keine Massen mehr. In dem eingeschlossenen Paris sogar wurde auf einmal offen geredet. Die braunen Kutten konnten sich nur noch bewaffnet zeigen. Wo ist jetzt die Liga? Wo die herrschende Partei? Das totale Ungeheuer besteht, ganz im Grunde, aus höchstens einem Zehntel Wütender und einem Zehntel Feiglinge. Zwischen diesen beiden Menschenarten — nichts.

Die alten Truppenführer des Königs wußten nicht recht, ob die Belagerung von Paris wirklich unternommen werden sollte. Sie konnte lange währen; das Heer der Liga schwoll gewiß wieder an, wenn die Belagerung zu nichts führte. Auf ihr aber bestand der König von Navarra mit dem Aufgebot seines ganzen Ansehens. «Es geht um das Königreich. Wir müssen nur wissen, daß wir gekommen sind, diese schöne Stadt zu küssen, nicht aber handgreiflich gegen sie zu werden.» Er sagte noch mehr, was das Unternehmen ruhmvoller erscheinen ließ als jedes andere. Dem Kühnen wird geglaubt, und das machte seine Kraft. Darum nahm das königliche Heer am dreißigsten Juli Saint-Cloud, Stadt und Brücke. Der König blieb an diesem Punkt der Umgebung, indessen Navarra einen anderen besetzte.

Zwei Tage später saß er grade zu Pferd, er und seine gute Truppe. Kommt im Galopp entgegen ein Edelmann, sagt ihm ganz wenige Worte ins Ohr: sofort wendet Navarra. Fünfundzwanzig Edelleute nimmt er mit sich nach Saint-Cloud. «Sire, warum zum König?»

«Freunde, weil er einen Messerstich in den Bauch bekommen hat.» Darauf schwiegen sie bestürzt, begannen auch später nur untereinander und leise. An der Sache wäre die ganze Liga zu erkennen, so meinten sie. Diese Partei und Bewegung wären nun einmal nicht gemacht für den Kampf, sondern für den Mord. Die Mönche in Paris hatten ein Wunder gepredigt, und wußten wohl, welches. Das Wunder war allerdings geschehen, in Gestalt eines Mordes. Auch zu unserem Herren sind drei junge Leute gekommen, hatten geschworen, es wie Judith zu machen, und nur von ihrer Hand sollte der neue Holofernes sterben. Ja: aber der versteht mit seinen Mördern fertig zu werden. Der arme Valois nicht. Wer hat ihn wohl gestochen?

Sieh da, ein Mönchlein, zwanzig Jahre, dicke Lippen, vor kurzem gewiß ein rechter Ausbund hochherziger Jugend, jetzt fanden die eintreffenden Edelleute des Königs von Navarra seine Überreste als zerdrücktes braunes Bündel im Hof liegen. Nach der Tat war er merkwürdigerweise nicht geflüchtet: er hatte sich mit dem Gesicht gegen die Wand gestellt, hatte auch geflüstert: «Jakob, wo bist du?» So hieß er selbst, Jacques Clement.

Der Erbe der Krone war im Zimmer bei dem Sterbenden, der aber zuerst noch nicht tödlich getroffen schien. Dennoch erlag Valois, da befand sein Erbe sich anderswo. Als er, noch unberichtet, zurückkehrte, warf als erste die schottische Garde des verstorbenen Königs sich ihm zu Füßen. Rief: «Ha! Sire, jetzt sind Sie unser König und Herr.»

Im ersten Augenblick begriff Henri sie nicht — er, mit allem Glauben an seine Sendung. Tief erschrak er; sein Gefühl war: so lange bestand ich meinen eigenen Kampf, trete aber jetzt an die Stelle eines Besiegten, der droben liegt hingemordet, und wie werde ich liegen? Die Stirn gesenkt, ging er über diese Treppe, betrat das Sterbezimmer und betrachtete den Toten. Nun betrachten wir, während wir noch da sind, viele Tote — mit den Augen des Geistes unvergleichlich mehr Tote als Lebende; und wer dessen bewußt wird, glaubt mit ihnen dieselbe Welt zu bewohnen, er redet sie an. Henri Navarra sprach zu dem verewigten Henri Valois: «Die Edelsten in Israel sind auf deiner Höhe erschlagen. Wie sind die Helden gefallen! Wie sind die Helden so gefallen im Streit! Jonathan ist auf deinen Höhen erschlagen.»

Inzwischen beteten bei der Leiche zwei Mönche, ein Herr d’Etrangues hielt ihr das Kinn. Der neue König sollte noch viel zu tun bekommen mit diesem Herrn: so auch mit allen anderen, die plötzlich in das Zimmer drängten wie auf Verabredung. Sie setzten ihre Hüte fester auf, anstatt sie abzunehmen vor dem neuen König, oder warfen sie zu Boden und verschworen sich laut: Lieber tausend Tode sterben, lieber uns jedem Feind ergeben, als einen hugenottischen König erdulden! Das sollte nach Glauben und Gesinnung klingen, klang aber falsch, besonders da einige derselben Herren gleich nach der Mordtat dem Erben ihre Treue gelobt hatten. Damals waren sie in Sorge gewesen, was aus ihnen werden würde; sie hatten sich noch nicht verabredet, das Königreich zu verraten und mit der Liga zu gehen. Das schien ihnen nach gemeinsamer Überlegung das Sicherste. Philipp von Spanien besaß immer noch das meiste Gold der Erde.

Um nicht durchschaut zu werden, hätten sie einen anderen suchen müssen: Henri hielt sie keinen Augenblick für eifrig im Glauben. Er ließ sich sein Trauerkleid schneiden aus dem violetten Rock des Verstorbenen; er hatte Eile und kein Geld für Stoff. Der violette Rock war kleiner gemacht, dennoch erkannte man ihn, und sie stießen einander an, aus Verachtung für die Armut des Königs, bei dem nichts zu holen war. Ohne Zeit zu verlieren entsandten sie in die Wohnung des Königs eine Abordnung, er müßte sich bekehren und zwar gleich. Kennzeichen der Könige von Frankreich wären die Salbung aus der heiligen Ampulle und die Krönung durch die Hand der Kirche. Er wurde bleich vor Zorn. Sie durften sich einbilden: vor Furcht; denn in diesem Augenblick war er scheinbar in ihrer Hand, und sie konnten nicht wissen, daß er sich wohl geübt hatte, Mördern zu begegnen.

Mit einer Majestät, die sie nicht vorausgesehen hatten, widersetzte er sich ihrer Zumutung, er sollte sich der Seele und des Herzens entblößen am Eingang zum Königtum. Hierauf ging er ihren Verein mit den Blicken durch. Große Herren waren dabei: wen aber schickten sie vor und ließen ihn das Wort führen? D’O, nichts als O, und sah auch so aus, ein Junge mit Bauch, durch die Gunst des vorigen Königs zum Faulpelz und Dieb geworden: einer derer, die das Land und seine Einkünfte unter sich aufgeteilt hatten, wozu daher noch ein König. Dieser Ehrlose wagte einem Mann, der gekämpft hatte, die richtige Gesinnung anzuempfehlen und ihm mit der Volksgemeinschaft zu kommen, wie es die Gewohnheit der Ehrlosen ist. Henri faßte ihn ins Auge, was der Junge nicht ertrug, und sprach besonders deutlich: «Unter den Katholiken habe ich für mich alle wahren Volksgenossen und jeden Mann von Ehre.» Bei dieser offenen Beleidigung blieb es still, erstens, weil das feste Gesicht sie aussprach und auch wegen ihrer Wahrheit.