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Die Schweizer hielten den Hohlweg. Die Reiter des Königs, fünfzig in der Front, brachen immer wieder aus den Schanzen, sein Fußvolk wehrte sich des Lebens an sechs Stellen, Biron klammerte sich an die Kapelle — und alle diese blieben durchaus dieselben, indes ihre Gegner Atem schöpften und einander ablösten. Handgemenge, Pistolen nah ins Gesicht abgeschossen, nicht früher, als man die Farbe der Schärpe unterscheidet. Die Lanze unter den Sitz des Reiters geschoben, aus dem Sattel mit ihm, zu Boden mit ihm. Ein großer Herr der Liga beschimpfte noch vom Erdboden herauf den jungen Protestanten, seinen Besieger: «Wichse kriegen, Junge!» — und hatte sich schon den Hals gebrochen. Bei der Kapelle aber fiel ein La Rochefoucauld, Josias mit seinem biblischen Namen. Ihr Pferd verloren Rosny und Biron. Der Pferde waren leider mehr als genug, da ihre Reiter zwischen den Hufen lagen mit einem Ächzen, das nahm nur noch die Erde auf. Über die Sterbenden hin toste wie je das Leben und hörte sich an wie eine Schlacht.

Der König und sein Helmbusch wurden gesehen bei der Kapelle, im Hohlweg neben dem Fluß, auf den Schanzen, dem nackten Feld, überall, von jedem einzelnen und allen zugleich. Er rief sie an, im Nebel und in der Not, damit sie aushielten und es gut machten. Er rief die großen Namen, deren Träger sich zu seinen Geschicken geschlagen hatten, und war ein Name bis jetzt nicht groß, dann wurde er es durch ihn. Er ritt vorbei an dem jungen Generalobersten seiner leichten Reiterei, Sohn Karls des Neunten und einer Mutter aus dem Volk. ‹Valois! Dich kenn ich und vergeß ich nicht, dich und dein Haus. Ihr seid bei mir auf ewig. War schon vorbei. Montgomery, Richelieu! Ich hab eine Überraschung. Rosny, La Force! Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten. Biron! Siehst du nicht den Nebel steigen? Wird steigen, muß steigen, so wahr Gott hilft und wir siegen sollen. La Rochefoucauld, für dich ist meine Überraschung, bald sollst du sie hören hereinbrechen mit Donnerschlag.›

Vom Pferd herab faßte er diese Schulter, da fällt der Mann um, nicht wie ein Lebender fällt. Einen Toten in seiner Rüstung hatten sie aufrecht an die Kapelle gelehnt.

«Josias? Du?» fragt Henri für sich allein und will nicht glauben, was er fragt. Es wird geschehen ein Donnerschlag, aber dieser hört keinen mehr. Retten sollen uns die Kanonen von Burg Arques, sobald der Nebel steigt und sie zielen können. Hab hinter der Schanze einen normannischen Seeräuber, der sagt mir auf die Minute, wann der Nebel steigt. Vernimm dies als letztes, mein Josias!›

La Rochefoucauld liegt entseelt am Wege, wie einst ein anderer seines Namens, in Schloß Louvre, am Ende der Mordnacht. So liegen die Toten am Wege. Der König ist fort und weiter.

Er ist bei den Schweizern. Bleibt fest dies letztemal! Unmöglich, sie werden überrannt. Der Hohlweg am Fluß, jetzt dennoch aufgegeben, und so auch endlich die Kapelle. Die Reste des königlichen Heeres halten einzig den Brückenkopf, schon bedacht auf den Rückzug nach Arques und Dieppe. «Gevatter», nennt der König den Schweizer Obersten. «Gevatter, hier bin ich, will mit euch sterben oder Ehr gewinnen mit euch.» Spricht, und sieht dabei, wie alle Zuschauer es gewärtig sind, die tiefen Reihen des Feindes einander vorschieben mit schwerer Wucht, sich zu legen und zu schließen als ein Grabesdeckel über ihn und sein Königreich. Ihn hat geschaudert. ‹Vorbei, weiter, zuletzt ist nicht zuletzt: meine Hugenotten!› Da holt er sie sich, die festgebliebenen Verteidiger der ersten Verschanzung, seine Alten von Jarnac und Montcontour, Gefährten des Herrn Admirals, Überlebende aus zwei Jahrzehnten der Kämpfe um das Gewissen. Die von der Religion! Sie hören seinen Ruf, erblicken seinen Helmbusch und verlassen die Schanze, die vordere, die behaupten sie eisern seit dem Morgen. Sie waren fünfhundert und treten auf, als wären sie es noch. Bei ihnen marschieren die Toten mit. Ihnen voran geht ihr Pastor Damours. Er heißt Da-mours.

«Herr Pastor, stimmen Sie den Psalm an», sagt der König, und sie singen. Den Feind anfallen, wenn er am höchsten glänzt und prahlt, so war es in den alten Schlachten, und auch bei Coutras. Ist keinem Feinde gut bekommen: sogar dieser großmächtige erschrickt, als er den Psalm hört; kommt zum Stehen, verwickelt sich.

O Gott, so zeige Dich doch nur, Und plötzlich wird sich keine Spur Vom Feind mehr blicken lassen. Wenn er denn ab sein Lager bricht, Vergehn vor Deinem Angesicht Sie alle, die uns hassen. Befiehl, o Gott, daß alle fliehn, Du läßt ja auch den Rauch verziehn, Der auf dem Feld gekrochen. Das Wachs hält nicht dem Feuer stand, Den Bösen wird von Gottes Hand All ihre Kraft gebrochen.

Hier hebt sich der Nebeclass="underline" sofort donnern von der Burg Arques die Schläge der Kanonen. Die Kugeln zerreißen und zerrütten den Feind, je näher er sich herangewagt hatte. Das ist der Sieg und er verbürgt das Königreich. Nun gibt Gott gar nicht, oder gibt mit vollen Händen von dem, was sein ist, das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit. Auch dies erfährt Henri heute, ergriffen von Gottesfurcht. Coligny, der Sohn des Admirals, trifft bei ihm ein, aus Dieppe, für das nichts mehr zu fürchten ist, siebenhundert heran, zu den vorigen alten Arkebusieren der Religion wieder siebenhundert.

«Dich schickt Gott, Coligny!»

Henri hat nicht geklagt noch gebetet, solange es schlecht und eigentlich verzweifelt stand. Er ruft zu Gott im Glück, und um im Glück sich zu neigen. Lange, gefahrenvolle Stunden hat er mit den Hufen dies Schlachtfeld umgeackert, hat eingegriffen überall, jede seiner kleinen Truppen glaubte ihn immer zugegen. Hier hält er an. Er hat in Nebel und Ungewißheit hinein Namen gerufen und hat die Namen größer gemacht. Er hat seine kleinen Truppen, wo immer sein Helmbusch erschien, befestigt in Mut und Vertrauen. Den Schweizern hat er seine Treue gebracht für die ihre. Er hat mit den Toten am Wege gesprochen. Er hat Marschall Biron gelehrt, wer er ist. Er hat Glück gehabt. Sein Tag ist schon lang, aber nach dem Verwehen des Nebels geht auch sein Tag erst glänzend auf. Er wird nächstens sechsunddreißig Jahre alt, dies war nun erst die Jugend. Über sein Gesicht, das verklärt ist noch eher durch gehabten Kampf und bestandenes Leid als aus Freude, rinnen mit dem Schweiß die Tränen.

Von beiden Seiten drücken seine alten Krieger, Freiheitskrieger, Gewissenskrieger, den Feind ein: alle Kraft des Feindes ist gebrochen, sie aber singen. Rauher Jubel, Sturmglocken des Himmels, an deren unsichtbaren Stricken gerissen wird von der frommen Schar.

Indessen bringt die fromme Schar Dem Herrn ihr Preis und Singen dar, Sie dürfen Lust sich gönnen: Vor großer Freude, wie sie sehn Die Bösen straks von dannen gehn, Springen sie, was sie können.
So singt dem Herrn zur hohen Ehr Und psalmodiert, lobt ihn noch mehr, Des Ruhms kein Ende kennet! Da er auf einer Wolke steht Und Namens großer Majestät Den Ewigen sich nennet.