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Er aber begriff; sein böses Gewissen verriet ihm, was seine liebe Mutter meinte, und plötzlich erklärte er der kleinen Marguerite mit einem Gesicht, vor dem sie erschrak: von ihren Beinen könnte nie mehr die Rede sein, die würden in der Hölle braten! Sie sagte, daß sie es nicht glaube, in Wirklichkeit aber fürchtete Marguerite sich und fragte ihre Mutter um Rat.

Die erste Trennung

Madame Catherine erfuhr noch auf andere Weise von den Umtrieben Jeannes. Es war nicht schwer, weil ihr kleiner Sohn so wenig zurückgehalten wurde. Wenn die Protestantin sich selbst noch Geduld und Heimlichkeit auferlegte, bei Henri versuchte sie es nicht, im Gegenteil. Sie verließ sich darauf, daß die Wahrheit unangreifbar ist, wenn sie aus dem Munde von Kindern kommt.

Henri war glücklich, seiner lieben Mutter gefällig zu sein, noch dazu in Dingen, die ihm so viel Spaß machten wie die Verhöhnung der Katholiken. Inzwischen war er der Anführer einer Bande von Jungen geworden, allen verstand er beizubringen, daß es nichts Lächerlicheres gäbe als Bischöfe und Mönche. Bei der Bande befand sich schon bald der ganze Nachwuchs des Hofes, selbst die Königinmutter kannte nicht den Umfang der Verschwörung, denn wer hätte ihr zu sagen gewagt, daß ihre eigenen Söhne dabei waren. Zuerst hatte Henri den jüngsten der drei Prinzen gewonnen für das neue Vergnügen, sich als geistliche Herren zu verkleiden und in diesem Aufzug das Schloß unsicher zu machen. Sie platzten so ungezogen wie möglich in ernste Beratungen und in Liebesszenen hinein und verlangten noch, daß man ihre Kreuze küßte. Es war für sie ein wirklich lustiger Karneval, trotz der unpassenden Jahreszeit im Herbst.

Der jüngste Prinz, d’Alençon genannt, war der unternehmendste, wenn er auch gleich fortlief. Es konnte aber nicht fehlen, daß auch der zweite, Henri, genannt Monsieur, Lust bekam, mitzutun, und zuletzt juckte es Karl den Neunten selbst, ihn, den christlichen König, das Oberhaupt aller Katholiken. Er zog sich wie ein Bischof an und prügelte die Herren und die Damen mit seinem Krummstab, was sie aus Ehrerbietung auch geschehen ließen. Lachen konnte dieser Knabe nicht, er wurde nur bleicher, sein Seitenblick nur mißtrauischer, und er erregte sich, bis ihm unwohl wurde. Wer stand dabei und freute sich aus unschuldigem Herzen dessen, was er angerichtet hatte? Henri Navarra.

Die «kleinen Lieblinge» nannte der Hof die Verschwörer und stellte sich, als wären sie nur leicht zu nehmen. Madame Catherine wurde so lange getäuscht, bis einmal vor ihrer Tür ein Lärm entstand, sie glaubte einen Augenblick, es sei um sie geschehn. Bei ihr weilte niemand außer einem italienischen Kardinal, und der sah sich schon um, wo er sich verkröche. Dann ging aber die Tür auf, und herein kam als erster ein Esel, darauf ritt Henri von Navarra, rot gekleidet und mit allen Abzeichen einer hohen kirchlichen Würde. Ihm folgten viele junge Herren mit spitzen Mützen, ausgestopften Bäuchen, Mönchskutten jeden Ordens; sie spornten ihre Grautiere an und sprengten um den Saal, unter Absingung von Litaneien. Die Unberittenen sprangen einander auf die Rücken und wollten sich tragen lassen, dabei stürzten viele, die Möbel mit ihnen, der getäfelte Saal hallte wider von Gesang, Wehgeschrei, Krachen des Holzes, Hufgeklapper und Gelächter.

Auch die Königinmutter lachte anfangs, schon weil es keine Mörder waren. Als sie aber am Ende ihrer eigenen Söhne ansichtig wurde, obwohl die Prinzen sich gerne ihrer Aufmerksamkeit entzogen hätten, da war im Grunde ihre Geduld vorbei, sie ließ es indes nicht sehen. Sie stellte sich, als wäre sie nur zum Schein erzürnt, mit mütterlicher Strenge ermahnte sie alle Knaben, zu achten, was heilig ist, und etwas anderes zu spielen. An die Prinzen wandte sie sich nicht besonders. Nur dem kleinen Navarra gab sie einen gutmütigen Backenstreich.

Dennoch war Katharina über die wahre Gesinnung ihrer guten Freundin Jeanne seitdem belehrt, und das geschah schon im Herbst, zur gleichen Zeit, als die beiden guten Freundinnen das Loch in die Wand bohrten. Jetzt kam es nur noch darauf an, wie gefährlich die Protestantin werden konnte, und das zeigte sich zuerst im Januar, als sie ganz offen nach Paris fuhr, um den Eifer ihrer Religionsgenossen zu beleben und sie aufzuwiegeln. Katharina hatte ihnen erlaubt, öffentlich zu predigen, und sofort mißbrauchte die Königin von Navarra die erlaubten Freiheiten. Katharina schwieg und behielt Jeanne als Vertraute; ihre Art war, die Dinge von selbst zum Ende treiben zu lassen. Auch als dieses ihr erreicht schien, trat sie nicht persönlich hervor; vielmehr übergab der arme Antoine ihre Befehle, wobei er glaubte, es seien seine eigenen. Jeanne sollte den Hof verlassen, und das Härteste war: ohne ihren Sohn.

Der Vater behielt Henri zurück, damit er dem Einfluß der Mutter entzogen und ein guter Katholik würde. Vor noch nicht zwei Jahren hatte derselbe Vater ihn zu einem guten Hugenotten machen wollen. Henri erinnerte sich dessen wohl; aber wenn er gewagt hätte, es auszusprechen, wäre er zu sehr erschrocken — über den Vater, über sich selbst. Er fühlte schon jetzt, daß es im Leben stärkere Beweggründe geben mußte als die einfache Aufrichtigkeit. Als seine Mutter Jeanne von ihm Abschied nahm, weinte er — ach, hätte sie gewußt, über was alles! Sie tat ihm leid, so sehr bedauerte er sich selbst nicht. Immer war sie sein höchster Glaube gewesen, zuerst Jeanne und erst dann die Religion.

Jetzt schluchzte sie, küßte ihn, hatte die Erlaubnis nur noch dies eine Mal, und dann mußte sie fort, wohin ihre Feinde sie schickten, er aber kam gegen ihren Willen in eine katholische Schule. Sie faßte sich zwar, um ihn streng und drohend zu ermahnen, daß er niemals zur Messe gehen dürfte, sonst würde sie ihn enterben. Er versprach es ihr auch, weinte aus dem Herzen und war zu allem Guten entschlossen — aber nicht, weil er es für das Sicherste hielt: das war schon hier vorbei. Seine liebe Mutter ging in die Verbannung für die wahre Religion. Sein Vater verleugnete die Religion, auch er tat gewiß, was er mußte. Seine Eltern liebten einander nicht mehr, sie waren Gegner, kämpften jeder um ihn, und das alles war nicht einfach, er fühlte es. Hätte Madame Catherine wirklich den Buckel und die Klauen gehabt, auch rote Augen und eine triefende Nase, dann wäre das Ganze noch zu verstehen gewesen. So aber stand ein kleiner Knabe allein vor der unsicheren, unerklärlichen Welt, und er selbst sollte nächstens den Fuß darauf setzen!

Er kam in das «Collegium Navarra», die vornehmste Schule von Paris, auch der Bruder des Königs, der Monsieur genannt wurde, und ein gleichalteriger Guise besuchten sie. Beide hießen mit Vornamen wie der Prinz von Navarra, zusammen waren sie «die drei Henris».

«Ich war wieder nicht in der Messe», sagte der Prinz von Navarra voll Stolz zu den beiden anderen, als sie allein einander trafen.

«Du hattest dich versteckt.»

«Erzählen sie das? Dann lügen sie. Ich habe ihnen laut meine Meinung gesagt, und sie haben sich vor mir gefürchtet.»

«Fein! Mach nur so weiter», rieten sie, und er in seinem Eifer merkte noch gar nicht, daß sie es mit ihm nicht ehrlich meinten. Er schlug vor: «Wir wollen uns wieder wie damals verkleiden, Bischofsmützen aufsetzen und auf Eseln reiten.»

Zum Schein gingen sie darauf ein, verrieten ihn aber den geistlichen Lehrern, und das nächste Mal bekam er Schläge, bis er sich in die Kapelle mitnehmen ließ. Hierbei blieb es vorerst, denn er wurde krank, weil er es sich gewünscht hatte und es sein wollte.